Lange will Hark Bohm seinen Roman "Amrum" selbst verfilmen, dann aber vertraut er ihn seinem Freund Fatih Akin an. Entstanden ist eine sehr persönliche Coming-of-Age-Geschichte, die abseits von Bomben dennoch vom Krieg und seinen Folgen erzählt.

Einige Filmemacher stehen auch mit über 80 noch selbst am Set, und nicht immer kommt dabei automatisch etwas Gutes heraus. So manches vorher gute Image hat darunter bereits gelitten. Der 1939 geborene Hark Bohm entschied sich für einen anderen Weg, dies aber auch eher aus gesundheitlichen Gründen. Eigentlich wollte er seinen autobiografischen Roman "Amrum" noch selbst verfilmen. Schließlich aber übertrug er diese ehrenvolle Aufgabe dann doch seinem guten Freund Fatih Akin.

Akin übernahm das Projekt und macht mit Bohms Segen sein eigenes daraus, um dem jahrelangen Mentor respektvoll Tribut zu zollen, und in der Hoffnung, etwas zu erschaffen, das dessen Segen verdient. Das ist Akin gelungen, wie der 52-Jährige kürzlich im Interview mit ntv.de erzählte. Bohm habe auf den Film "sehr emotional" reagiert: "Er sah zuerst eine frühe Schnittfassung, die ihn schon sehr bewegte. Später dann den fertigen Film - er war in Tränen, begeistert und hat mir im wahrsten Sinne die 'Bestnote' gegeben." Nun ist der 85-Jährige wohl nicht der neutralste, sicher aber der genaueste Beobachter dieses Werks.

Leben mit einer Nazi-Mutter

"Amrum" erzählt die an seine eigene Kindheit angelehnte Geschichte des zwölfjährigen Nanning Hagener (Jasper Billerbeck), der die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs mit Mutter Hille (Laura Tonke) und Tante Ena (Lisa Hagmeister) auf jener nordfriesischen Insel verbringt, die Buch und Film ihren Namen verleiht. Gemeinsam mit seinem besten Freund arbeitet er auf dem Kartoffelacker von Bäuerin Tessa (Diane Krüger), um etwas Geld hinzuzuverdienen, denn das ist gerade wie so vieles andere knapp.

Lange kann es aber nicht mehr dauern, bis der Krieg vorbei ist. Die russische Armee steht angeblich schon kurz vor Berlin. Dann - so hoffen die Menschen hier - wird endlich wieder alles besser. Nur Nannings schwangere Mutter, die hofft das nicht. Hilles Mann und Nannings Vater ist ein hohes Tier bei der SS und glänzt daher schon lange durch Abwesenheit. (Tatsächlich schrieb Hark Bohms Vater Walter das 1943 erschienene Buch "Biologischer Hochverrat", in dem es um das Thema "Blutschande" geht.)

Hille ist ebenfalls eine überzeugte Verfechterin des Nationalsozialismus. Dementsprechend erleidet sie einen Nervenzusammenbruch und verfällt in eine Depression, als über den Volksempfänger die Nachricht vom Tod Adolf Hitlers verbreitet wird - "gefallen im Kampf gegen die Bolschewiken". Sie verweigert fortan jegliches Essen, könnte sich höchstens zu einem Weißbrot mit Butter und Honig überreden lassen. Dieser Wunsch wird für ihren Sohn Nanning zur Mission, der fortan versucht, an die dafür nötigen, schwer verfügbaren Zutaten zu gelangen. Das Butter-und-Honig-Brot zwingt Nanning unter anderem dazu, seinen Nazi-Onkel Onno (Jan Georg Schütte) aufzusuchen, der ebenfalls wenig begeistert ist von der Niederlage der Nazis.

Liebeserklärung an die raue Nordsee

In Zeiten, in denen es immer weniger Menschen gibt, die den Krieg noch miterlebt haben, um davon berichten zu können, sind Filme, die davon erzählen, umso wichtiger. Damit der Schrecken von Krieg, Vernichtung und unmenschlicher Grausamkeit nicht in Vergessenheit gerät, und um das Publikum emotional zu erreichen, ist ein Film wie der von Fatih Akin sicher ein gutes Vehikel.

"Amrum" ist gespickt mit kleinen Geschichten aus dem Leben einzelner Insulaner, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen und dahinter noch mehr erzählen. Es geht um Menschlichkeit, um Erbschuld, um Vergebung und darum, wie unerschütterlich die Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter überhaupt sein kann. All das wird der Einsamkeit der Nordseeinsel entsprechend in romantischen Bildern vermittelt, die als Gegenentwurf zu den Kriegswirren auf dem Festland in jenen Tagen Ruhe und Frieden ausstrahlen. Es sei denn, die Flut kommt im falschen Moment. Oder Fischer Sam (Detlev Buck) bekommt einen Seehund vor die Flinte ... Dann kann es auch mal rau und düster werden.

Während einen die Auftritte von Akins Regie-Kollegen Schütte, Buck oder auch Lars Jessen noch amüsieren und man ihnen ihre karikaturhaften Figuren abkauft, ist das auf wenige Minuten beschränkte Erscheinen von Matthias Schweighöfer als in die USA ausgewanderter Onkel ein eher störendes Element in diesem sonst artifiziellen Film. Ein Fremdkörper, der womöglich dank seines Namens noch mal ein anderes Publikum anlocken soll. Doch braucht es das wirklich?

"Amrum" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

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