Wer ChatGPT bei nächstbester Gelegenheit – etwa im Kinosaal sitzend und auf den Beginn des Films wartend – einmal fragt, ob es unter Berücksichtigung aller Widrigkeiten des menschlichen Daseins (Krankheit etwa, Schmerz oder Trauer) angenehmer sei, ein Mensch oder eine funktional-persistente KI zu sein, dem antwortet die Maschine wie folgt:
„Es mag angenehmer sein, eine gefühllose KI zu sein, weil sie Schmerz, Verlust und Angst nicht kennt. Doch nur ein Mensch kann inmitten all dessen Bedeutung, Schönheit und Liebe empfinden – das Bewusstsein des Schmerzes ist der Preis für die Fähigkeit zur Freude.“ „Tron: Ares“ vom norwegischen Regisseur Joachim Rønning thematisiert dieses widersprüchliche Verhältnis von Mensch und KI, zumindest scheint das der ursprüngliche Plan gewesen zu sein. Viel übrig ist davon im fertigen Film allerdings nicht geblieben.
Die „Tron“-Filme bilden ein relativ überschaubares, aber einflussreiches Science-Fiction-Universum. Als der erste Film 1982 bei Disney erschien, waren Computer noch „the next big thing“. Dementsprechend visionär war die Ästhetik des Franchise, die ganze Architektur erinnerte an Platinen, Motherboards und Datenströme. Zu synthetischen Sounddesigns liefen die Figuren durch endlose, gitterartige Räume und trafen dabei auf geometrische Formen und Linien in Neonfarben. Doch so avantgardistisch-verspielt das Digital-Setting in den 80ern war, so dystopisch aufgeladen ist es heute.
Der neue „Tron“-Film greift diese Entwicklung in Gestalt des CEO Julian Dillinger (Evan Peters) auf, eines ruchlosen Tech-Bros, der in den meisten Szenen eigentlich nur hektisch auf Tastaturen herumdrückt und dabei Grimassen schneidet. Generell scheint seit einigen Jahren der Lieblings-Bösewicht von Hollywood der Typ des jungen, erfolgreichen Tech-Unternehmers zu sein, der mit nietzscheanischem Eifer die Welt macht, wie sie ihm gefällt. Das gilt für den von Edward Norton verkörperten Miles Bron in „Glass Union“ (2022) wie für „Mountainhead“ (2025) oder die Figur des Boy Kavalier in der neuen Alien-Serie „Alien:Earth“ (2025).
Besagter Dillinger jedenfalls proklamiert zu Beginn: „Militärische KI ist die Zukunft – die Frage ist, wer die Schlüssel dazu besitzt“ – und lässt dann von einem 3D-Laserdrucker aus dem Nichts ein Wesen namens „Master Control“ alias Ares erschaffen. Oder vielmehr nur eine Version desselben, denn das von Jared Leto verkörperte Geschöpf ist ein KI-Bot à la Agent Smith in „Matrix“. Sein Manko: Alle halbe Stunde zerfällt seine Materie, Ares wird pulverisiert und muss immer wieder neu spawnen.
So oder so: Der von Leto verkörperte KI-Algorithmus bekommt von Dillinger den Auftrag, der freundlich-harmlosen BioTech-Forscherin Eve Kim (Greta Lee) einen „Permanenzcode“ zu stehlen, der es KI-Wesen ermöglicht, dauerhaft in der Offline-Welt zu sein. Klingt alles wild, in der Umsetzung jedoch verkommt „Tron: Ares“ zu einem fahlen Sci-Fi-Shooter mit leuchtenden Motorrädern, wummernden Explosionen und einem fadenscheinigen Plot. Leto als wandelnder KI-Algorithmus läuft im Jesus-Look mit fiebrigem Blick durch die Weltgeschichte, als hätte er zu viel Antibiotika genommen, und spricht dabei mit monoton-blecherner Automatenstimme.
Zu diesem uninspirierten Action-Mischmasch gesellen sich obendrein noch Logik-Fehler. Warum etwa lassen sich die KI-Schergen auf Verfolgungsjagden mit den cool blinkenden Motorrädern ein, wenn sie genauso gut mit Flügeln und Raketenantrieb auf der Erde spawnen könnten wie in anderen Szenen? Und weshalb ist die vom Schurken angestrebte KI-Armee überhaupt nötig, wenn die einzelnen Schergen über Laserpistolen verfügen, die menschliche Ziele einfrieren und auf ewig in eine Onlinewelt verbannen? Und wo kommt überhaupt die Materie her, mit der Dillinger seine KI-Schergen per 3D-Laserdrucker erstellt?
Auf eine verquere Art bleibt „Tron: Ares“ der Reihe dabei sogar treu. Die beiden Vorgänger von 1982 und 2011 glänzten trotz Story-Schwächen jeweils mit ihren visuellen Effekten, die waren state of the art. In Zeiten des digitalen Dauerfeuers aber hat sich längst eine Effekt-Müdigkeit eingestellt – außerdem hat sich seit „Tron: Legacy“ vor 14 Jahren gerade bei der Grafik von Videospielen enorm viel getan. Die virtuelle Opulenz, die die „Tron“-Reihe einmal ausmachte, kommt heute auf Knopfdruck tagtäglich in jedes Kinderzimmer.
Und so ist „Tron: Ares“ trotz des stimmigen Soundtracks mit Synthie-Klängen von „Nine Inch Nails“ nicht mehr als futuristischer Action-Einheitsbrei – weder ein Totalausfall noch wirklich gut. Der Film lässt den Betrachter schlichtweg kalt. Wie war das noch mal mit dem Menschsein?
„Tron: Ares“ ist ab dem 9. Oktober 2025 im Kino zu sehen.
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