Hier eine unvollständige Liste der Dinge, die die Polizei fand, als sie im November 1957 das Haus eines gewissen Ed Gein durchsuchte: Ganze menschliche Knochen. / Einen Papierkorb, der aus Menschenhaut gefertigt worden war. / Mehrere mit Menschenhaut überzogene Stühle. / Köpfe auf Bettpfosten. / Schüsseln, die aus menschlichen Schädeln gefertigt worden waren. / Ein Korsett aus einem weiblichen Torso; von den Schultern bis zur Taille war die Haut entfernt worden. / Vier Nasen. / Ein auf einer Schnur aufgefädeltes Lippenpaar. / Ein Lampenschirm aus Gesichtshaut. / Neun Vulvas in einem Schuhkarton.
Die gute Nachricht: Nicht alle diese Artefakte waren Teile von Menschen, die Ed Gein ermordet hatte. Manche stammten auch von Leichenschändungen: Ed Gein sagte aus, er habe in einem tranceartigen Zustand drei örtliche Friedhöfe aufgesucht, um die Körper von Frauen mittleren Alters auszubuddeln, die vor kurzer Zeit bestattet worden waren. Dreißig Mal, so Gein, sei er mittendrin aus seiner Trance aufgewacht und habe die Leichen wieder bestattet, aber bei zehn seiner Friedhofsbesuche sei er mit Leichen nach Hause zurückgekehrt. Nein, Geschlechtsverkehr habe er mit den toten Frauen nicht gehabt: „Sie rochen zu schlecht.“
Allerdings fand die Polizei auch die kopflose Leiche von Bernice Worden, die einen Laden in der Nähe besaß: In einem Schuppen hing sie mit gefesselten Händen an einer Stange wie ein geschlachtetes Reh. Ihren Kopf fand die Polizei in einem Leinensack. Ihr Herz befand sich in einer Plastiktüte vor dem Herd.
Ed Gein hatte Bernice Worden mit einem Gewehr erschossen; ihr Sohn fand die Ladenkasse geöffnet vor und sah Blutflecken auf dem Boden. Auf Geins Spur hatte die Polizei eine Quittung geführt – die letzte, die Bernice Worden je ausstellte. Sie hatte jemandem ein Frostschutzmittel verkauft. Der Sohn des Opfers erinnerte sich, dass Ed Gein dieses Frostschutzmittel am nächsten Morgen abholen wollte. Die Polizei fand außerdem den Kopf einer zweiten Frau, die Ed Gein nicht vom Friedhof gestohlen, sondern umgebracht hatte. Er gehörte der Kneipenwirtin Mary Hogan; sie galt seit drei Jahren als vermisst.
Werkzeuge des Teufels
Ed Gein war 1906 in La Crosse im Bundesstaat Wisconsin geboren worden. Später zog die Familie auf eine Farm in der Nähe von Plainfield. Eds Mutter hieß Augusta; sie hatte sich aus Versatzstücken des Lutheranismus eine Privatreligion zusammengezimmert. Sie predigte ihren Söhnen – Ed hatte einen älteren Bruder namens Henry –, die ganze Welt sei verworfen, Trunksucht von Übel und alle Frauen Huren und Werkzeuge des Teufels. Am liebsten las sie Passagen aus dem Alten Testament und der Offenbarung des Johannes vor, die von Mord und göttlicher Vergeltung handelten. Fremde wurden von der Farm ferngehalten. Wenn Ed sich an der Schule mit anderen Kindern anfreundete, wurde er von der Mutter bestraft. Der Vater war ein gewalttätiger Alkoholiker. Er verprügelte beide Söhne, Ed wurde so heftig auf den Kopf geschlagen, dass ihm die Ohren klingelten.
Als Ed 14 war, fiel sein Vater tot um: Herzversagen. Ed und sein Bruder verdingten sich als Gelegenheitsarbeiter, Ed hütete die Nachbarskinder. Er konnte besser mit Kindern als mit Erwachsenen. Sein älterer Bruder verliebte sich in eine geschiedene Mutter zweier Kinder; er wollte bei ihr einziehen. Er war besorgt, weil Ed sich so sehr an ihre Mutter klammerte. Er machte abfällige Bemerkungen über sie, was Ed schwer verstörte.
Im Mai 1944 verbrannte Ed auf der Farm Unkraut. Das Feuer geriet außer Kontrolle, die Feuerwehr rückte an. Am selben Abend – die Feuerwehrleute waren schon wieder weg – meldete Ed Gein seinen Bruder Henry als vermisst. Ein Suchtrupp wurde gebildet; Laternen wurden entzündet, Taschenlampen angeknipst. Die Suchenden fanden Henrys Leiche, die mit dem Gesicht nach unten auf der Erde lag, er war schon seit mehreren Tagen tot. Die Blutergüsse auf seinem Kopf kamen niemandem verdächtig vor. Der Gerichtsmediziner schrieb als Todesursache „Ersticken“ in seinen Bericht.
Allein mit Mutter Augusta
Ed Gein war nun allein mit seiner Mutter. Kurz nach Henrys Tod erlitt sie einen Schlaganfall; Ed kümmerte sich rührend um sie. Im Herbst 1945 kam der zweite Schlaganfall, kurz darauf starb sie. Ed war nun ganz allein auf der Welt. Er blieb auf der Farm. Die Zimmer, in denen seine Mutter sich aufgehalten hatte, vernagelte er mit Brettern; sie blieben so, wie sie waren, unberührt. Im Rest der Farm breitete der Schmutz sich aus. Ed wohnte in einer Kammer neben der Küche. Er fing an, Schundhefte zu lesen, vor allem solche, in denen es um Kannibalismus und die Untaten der Nazis ging. Vor allem interessierte er sich für Ilse Koch, „die Hexe von Buchenwald“, von der es hieß, sie habe Lampenschirme aus Menschenhaut hergestellt.
Niemand wird jemals wissen, wie viele Menschen Ed Gein umgebracht hat. Die achtjährige Georgia Jean Wecker etwa: Sie wurde zuletzt gesehen, als sie vor der Zufahrtsstraße zur Farm ihrer Eltern den Briefkasten öffnete. In der Nähe trieb sich an jenem Nachmittag ein dunkler Ford herum; Ed Gein fuhr einen schwarzen Ford. Oder James Walsh, Ed Geins Nachbar: Er verschwand eines Tages spurlos, danach half Ed der Nachbarin bei Hausarbeiten aus.
Sicher ist, was Ed Gein mit all der Menschenhaut anstellte. Er wollte sich in eine Frau, genauer: in seine Mutter verwandeln, die er nach wie vor vergötterte. Also zog er sich die Haut von toten Frauen über. Im November 1957 befand ein Richter ihn für schuldig, in einem zweiten Verfahren wurde aber festgestellt, er sei schuldunfähig. Den Rest seines Lebens verbrachte Gein in einer psychiatrischen Anstalt. 1984 verstarb er mit 77 Jahren an Lungenkrebs.
Und er inspirierte zahlreiche Albträume, die im Kino besichtigt werden können: Ed Gein, das ist Norman Bates, der irre Hotelbesitzer in Alfred Hitchcocks „Psycho“. Und der Serienmörder Buffalo Bill in Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“. Und Leatherface in Tobe Hoopers „Blutgericht in Texas“. Dass er auch in der Netflix-Anthologieserie „Monster“ auftauchen wurde, war bloß eine Frage der Zeit. Manche Verbrechen sind eben so bizarr, dass jene, die sie begehen, unsterblich werden wie Dämonen. Oder wie Götter.
„Monster: Die Geschichte von Ed Gein“ ist ab 3. Oktober 2025 auf Netflix zu sehen.
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