Auf den Tag sechzig Jahre nach der Grundsteinlegung der Neuen Nationalgalerie waren Mies van der Rohe und sein Tempel der Moderne kein Thema für Marion Ackermann. Die Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), zu der auch die Berliner Nationalgalerien gehören, hat ins benachbarte Kupferstichkabinett am Kulturforum geladen – nicht um zurückzublicken, sondern um nach vorn zu schauen. Nach dem Vorbild der Politik will sie nach hundert Tagen im Amt eine erste Bilanz ziehen. Genau genommen sind es bereits 115 Tage, seit sie Hermann Parzinger abgelöst hat.

Vor ihr auf dem Tisch im Studiensaal, in dem sonst Besucher Originalgrafiken aus dem Bestand einsehen können, steht ein Apothekerglas mit Pigment. Ackermann warnt davor, es zu öffnen: Preußischblau – nicht ganz die Büchse der Pandora, aber es färbt ab. Als Repräsentantin von Deutschlands zweitgrößter Kultureinrichtung (nach dem Goethe-Institut, mit dem sie engere Kooperationen anstrebt) muss Ackermann auch das „Preußische“ vertreten – der viel diskutierte Name der Stiftung ist gesetzlich verankert und bleibt somit bestehen. International sei der Begriff jedoch sperrig, so die Präsidentin, weshalb sie lieber von der „German Cultural Heritage Foundation“ spreche: „Also deutlicher machen, für was wir hier stehen“.

Der SPK internationale Strahlkraft zu verleihen – mit diesem Ziel war Ackermann angetreten. Nach Stationen als Museumsdirektorin in Stuttgart und Düsseldorf führte sie der Weg von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nach Berlin. Nun möchte sie auch den Beirat der Stiftung breiter aufstellen: Künftig sollen die Louvre-Direktorin Laurence des Cars und der scheidende MoMA-Chef Glenn Lowry die SPK beraten und internationaler machen.

SPK will Partner aus der Wirtschaft gewinnen

Neu hinzu kommt auch der Verfassungsrechtler Christoph Möllers, mit dem Ackermann bereits nach dem Antisemitismus-Eklat der Documenta zusammengearbeitet hat. Mit ihm könne man sich „hervorragend über den Freiheitsbegriff von Wissenschaft und Kultur austauschen – eine Expertise, die wir in den nächsten Jahren noch mehr benötigen werden“. Außerdem fehle der SPK ein internationaler Freundeskreis, mahnte Ackermann. Sie wolle „viel stärker auch Unternehmen aus der Wirtschaft, auch aus anderen Teilen der Welt, begeistern“ und als Partner gewinnen.

Ackermanns erste hundert Tage standen im Zeichen der Haushaltskonsolidierung. Dank der Unterstützung des Bundesbeauftragten für Kultur und der Haushälter des Bundestags konnte das Defizit von 20,9 Millionen Euro ausgeglichen werden – verursacht vor allem durch steigende Personal- und Betriebskosten. Mit der im März 2025 verabschiedeten Zusatzförderung von Bund und Ländern in Höhe von zwölf Millionen Euro sei „die Grundfinanzierung für das Ausstellungsprogramm gesichert“.

Für die Zukunft bleibe eine „selbstverantwortliche Konsolidierung“ zentral – durch Einsparungen, Investitionen in Energie- und Sicherheitstechnik sowie durch „Verdichtung des Programms“. Als Beispiel nannte Ackermann das Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem, dessen Ausstellungen ins Humboldt Forum im Zentrum der Stadt gehörten. Den Begriff Verdichtung wollte sie aber nicht als Schließung von Einrichtungen verstanden wissen.

In Gesprächen mit Abgeordneten höre sie immer wieder, dass die finanzielle Lage ab 2027 noch schwieriger werde. Darauf müsse sich die SPK „schon jetzt vorbereiten“. Konkrete Maßnahmen nannte sie kaum. Um Energiekosten zu senken, brauche es zunächst Messgeräte, um den Verbrauch überhaupt erfassen zu können. An Museumskassen könnten künftig Automaten den Personaleinsatz reduzieren. Eine positive Überraschung sei eine Studie gewesen, die ergeben habe, wie sehr die Menschen der Institution Museum vertrauten, als „letztem Lagerfeuer der Gesellschaft“.

„Mit großer Sorge“ blicke sie auf die Lage in den USA, so Ackermann. Bereits im März hatte die SPK Donald Trumps Kurs kritisiert. Was sie am meisten erschüttere, sei die Ruhe in Amerika angesichts der Angriffe der US-Regierung auf Museen, etwa der Smithsonian Institution in der Hauptstadt Washington. Im Oktober 2025 werde sie dorthin reisen. Viele ihrer Kollegen in US-Einrichtungen seien deprimiert angesichts des politischen Klimas und „konkreten Formen der Zensur“.

„Neue Form des Miteinanders“

Die Stiftung wurde in den vergangenen Jahren reformiert; am 1. Dezember treten die Neuerungen in Kraft. Künftig leitet ein kollegialer Vorstand von maximal sieben Personen die SPK. Ein Anliegen Ackermanns ist es, die Führungskultur zu verändern: „Ich habe eine neue Form des Miteinanders, vielleicht auch des Führens eingeführt.“ Dazu gehörten informelle Runden, in denen intensiv gesprochen werde: „über Inhalte, über Diskurse, die wir in der Gesellschaft anstoßen wollen, über Fragen, wie wir die enzyklopädischen Potenziale der Stiftung nutzen und Archive, Bibliotheken, Museen, Forschung und Ausstellungen miteinander verbinden können“.

Die Strategie für die kommenden Jahre will Ackermann dann auch im Dezember vorstellen. Ob darin auch eine Erhöhung des mageren bis kaum vorhandenen Ankaufsetats vorgesehen ist? Bislang sind die Museen von Spenden, Stiftungsgeldern und privater Unterstützung abhängig. „Ich hätte ein Idealmodell“, sagt Ackermann und erinnert an ihre Stuttgarter Zeit: Dort konnte sie „frei wirtschaften“. Blieb nach Sparmaßnahmen und erfolgreichen Ausstellungen Geld übrig, durfte sie es an die Kuratoren weitergeben – „womit Ankäufe getätigt werden konnten. Das war ein unglaublich großes Motivationsinstrument“.

Pragmatisch-kreative Lösungen dieser Art wären auch den Ausstellungsmachern und Sammlungsleitern der SPK zu wünschen. Immerhin, so liest man auf der Stiftungswebsite, leistet sich das Präsidium neuerdings einen Creative Director.

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