Der Amoklauf an einer Magdeburger Schule stand im Mittelpunkt des "Polizeiruf 110" mit Doreen Brasch, "Sie sind unter uns", der bedrohliche Titel. Tatsächlich wird für diesen Ernstfall aufwändig geprobt, wie gerade erst in Schleswig-Holstein geschehen.

Über 500 Menschen waren beteiligt, der Ort des Geschehens die César-Klein-Schule in Ratekau. "Wir haben diese Großübung so realistisch wie möglich geplant und die handelnden Akteure vor eine echte Herausforderung gestellt", resümierte Bernd Olbrich, Leiter der Polizeidirektion Lübeck, im Anschluss an die Aktion, die am vergangenen Wochenende an der schleswig-holsteinischen Gemeinschaftsschule stattfand. Ein Amoklauf sollte geprobt werden, oder besser gesagt, der Umgang mit einem solchen Szenario, das sich in der jüngeren Vergangenheit vielerorts zugetragen hat.

Unvergessen ist das Massaker an der Columbine High School in Littleton, Colorado. Dort hatten zwei Jugendliche einer Abschlussklasse am 20. April 1999 zwölf Schüler erschossen, einen Lehrer und sich anschließend selbst getötet, 24 Menschen wurden verletzt. Mit Anne Marie Hochhalter, damals 17 Jahre alt, ist im März dieses Jahres ein weiteres Opfer dazugekommen. Hochhalter war nach schweren Schussverletzungen auf einen Rollstuhl angewiesen, jetzt erlag sie einer Sepsis. Ihre Mutter hatte wenige Monate nach der unfassbaren Tat Selbstmord begangen.

So geläufig ist das Thema über die Jahre geworden, dass sich auf Wikipedia gar ein Eintrag dazu findet, "Liste von Amokläufen an Bildungseinrichtungen", der profane Titel. Angefangen mit dem Fall des 18-jährigen Julius Becker, der 1871 zwei Mitschüler am Saarbrücker Ludwigsgymnasium mit einem Revolver schwer verletzte, über die unfassbare Tat eines Kölner Frührentners, der 1964 acht Schüler und zwei Lehrer mit einem Flammenwerfer tötete, bis Erfurt, Winnenden und Wuppertal, sind hier zum einen deutsche Verbrechen aufgeführt. Wer sich traut zu scrollen, der wird darüber hinaus mit Hunderten von Taten von rund um die Welt konfrontiert.

Das Phänomen Amoklauf, ein fast alltägliches und doch erzählt jede Tat eine andere Geschichte. Für Esther Bialas, die Regisseurin des aktuellen "Polizeiruf 110", stand die Motivation des jungen Täters im Vordergrund, kein effekthaschendes Actionkino war das, vielmehr die bedrückende Psychostudie eines verwirrten Jungen: "Mir war wichtig, Jeremy nicht nur als Täter zu sehen, sondern auch als Mensch, der irgendwo auf dem Weg verloren ging", so Bialas. "Diese Perspektive bedeutet nicht, dass seine Tat in irgendeiner Weise gerechtfertigt oder verharmlost wird, im Gegenteil. Nichts kann diese Gewalt entschuldigen. Aber ich glaube, dass das Verstehen der Ursachen notwendig ist, um solchen Taten vorzubeugen."

"Jeder hat diese tragische Seite"

Im Falle des 17-Jährigen Jeremy entfaltete sich das innere Drama - und damit sein Motiv - wie in Zeitlupe. Eine ganze Weile bewegte sich die Geschichte im sichtbaren Bereich des Geschehens, bis herauskommt, dass Jeremy diffusen Theorien verfallen ist - es geht um Reptiloiden, die die Weltherrschaft erringen wollen. Selbst das ließe sich womöglich noch als spinnerter Einzelfall abtun, bis schließlich ganz am Ende des Films herauskommt, dass es ein Mitschüler war, der Jeremy letztlich entscheidend in dieses tödliche Dilemma hineinbugsiert hatte, und das aus ganz egoistischen Gründen.

"Dieser Film will kein Urteil sprechen. Er will hinsehen, nicht wegsehen, und daran erinnern, dass wir alle Verantwortung tragen", sagt Bialas. Autor Jan Braren erläutert, warum es so wichtig war, Jeremy nicht als Karikatur des Bösen darzustellen: "Weil wir alle so sind: still, einsam und mit radikalen Gedanken. Jeder hat diese tragische Seite, auch die lautesten Lautsprecher. Und in dieser Stille geschieht dann die Transformation vom Denken zum Handeln. Die Jugend hilft natürlich auch. Junge Menschen sind viel näher dran an den großen existenziellen Fragen. Sie sind auch verletzlicher. Als Erwachsener hat man immer eine Agenda im Kopf und keine Zeit, die Welt zu retten."

Ratekaus Bürgermeister Thomas Keller wird vielleicht auch zugeschaut haben. Eine Woche zuvor, bei der Übung an der César-Klein-Schule, war er noch ein ganzes Stück näher am Geschehen: "Solch ein Szenario mag man sich nicht vorstellen, aber in der Realität müssen wir uns heutzutage leider auf solche Situationen vorbereiten."

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