Unter allen Schauspielern, denen im fortgeschrittenen Alter noch eine Karriere als Actionstar mit eigener Filmreihe beschert wurde, war Bob Odenkirk der unwahrscheinlichste Kandidat. Liam Neeson war wenigstens immer schon ein Schrank und hatte mal Soldaten, Kreuzritter, Freiheitskämpfer und Jedi-Ritter gespielt. Im Gegensatz zu Odenkirk war er auch grundsätzlich eher ein „ernster“ Charakterdarsteller. Ähnliches gilt für Denzel Washington.

Odenkirk dagegen war seit seinen Anfängen als Collegeradio-Komödiant immer im humoristischen Genre geblieben. Sogar die Figur des Saul Goodman, die er zunächst in „Breaking Bad“, dann in der eigenen Serie „Better Call Saul“ spielte, war bei aller Verkommenheit, Verschlagenheit und kriminellen Energie eben zutiefst komisch. Obendrein widerspricht seine Physis in geradezu grotesker Weise den Muskelnormen, die in den Achtzigerjahren von klassischen Action-Ikonen wie Arnold Schwarzenegger gesetzt wurden.

Es war der fast schon geniale Trick des Films „Nobody“ im Jahre 2021, dieses Anti-Action-Image Odenkirks als Überraschungseffekt zu nutzen. Immer wieder fielen Kontrahenten auf das wenig beeindruckende Äußere des von ihm gespielten ehemaligen CIA-Auftragsmörders Hutch Mansell herein. Nicht zuletzt auch, weil die Ausgangssituation des Films war, dass der Killer sich ins Familienleben zurückgezogen hatte. In die Rolle des Vorortspießers wuchs er schließlich so hinein, dass sogar Verwandte ihn für ein Weichei hielten.

Als die mörderischen alten Instinkte dann wieder erwachten und sich die lange aufgestaute Frustration des braven Papas in einer gewaltigen, blutigen und feurigen Konfrontation mit einem Russenmafiaboss entlud, war das so befriedigend anzusehen und zugleich dann doch auch so komisch, dass der Film zu einem globalen Überraschungserfolg wurde.

Nun bekommt er deshalb eine Fortsetzung und natürlich kann „Nobody 2“ (Regie: Tim Tjahjanto) gar nicht so gut sein, wie der erste Teil, weil die Überraschung weg ist. Wenn Hutch Mansell diesmal wieder versucht, das fürsorgliche Leben eines Vaters und Ehemanns in Suburbia zu führen, weiß man von vornherein, dass ihm sein mangelhaftes Wutmanagement auch diesmal wieder in die Quere kommen wird. Zumal er der Gewalt im neuen Film auch nicht ganz abgeschworen hat. Regelmäßig verabschiedet er sich von seiner Familie, um mal wieder ein paar Leute umzubringen. Er muss das tun, weil er dem Geheimdienst, der ihm am Ende des ersten Films vor juristischer Verfolgung bewahrt hat, nun 30 Millionen Dollar schuldet.

Da er aber ein bewährter Fachmann ist, dessen Arbeitskraft man erhalten möchte, wird ihm ein Urlaub gewährt. Den möchte Mansell mit seiner Familie verbringen, was dringend nötig ist, denn sein Verhältnis zu seiner Frau und seinem Sohn ist schon wieder recht angespannt. Mansell entscheidet sich für Ferien in einem Freizeitpark, wo er einst als Kind mit seinem Vater und Halbbruder eine kurze glückliche Zeit verbracht hat.

Tarnanzug Hawaiihemd

Dieser Ort ist eine gute Wahl. Denn wenn man schon ahnt, was kommt, will man wenigstens davon überrascht werden, wie es kommt und auf welche Weise es passiert. Dafür bieten die grotesken Rummelplatzkulissen von „Wild Bill’s Majestic Midway Wasserpark“ den idealen Hintergrund. In diesem Szenario wirkt der hawaiihemdtragende Killer auf seine Antagonisten noch viel mehr wie ein harmloser Tourist – den sie verhängnisvoll unterschätzen.

Das zentrale Thema des Films bleibt auch weiterhin Familie. Wie im ersten Teil beginnt alles damit, dass Mansell seine Tochter schützen will – die einzige Verwandte, die ihn bedingungslos und ungetrübt liebt. Und wie beim ersten Mal haben auch die Kriminellen eigene familiäre Zwänge und Motive: Im ersten Teil musste der Russenmafiaboss seinen jüngeren Bruder rächen, obwohl er ihn eigentlich verachtete. Diesmal führt die väterliche Fürsorge eines Hintermannes der Mafia-Tarnadresse, zu der das Freizeitparadies mittlerweile geworden ist, zu einem Seitenwechsel und eine zunächst nicht vorhersehbare Allianz mit Mansell herbei.

Dagegen bleibt die Hauptgegenspielerin bis ans Ende von geradezu draculahafter Bösartigkeit getrieben. Diese Mafiabossin wird gespielt von Sharon Stone. In ihrer Mischung aus Theatralik, Groteske und toxischer Weiblichkeit ist diese Lendina eine perfekte Altersrolle für das Sexsymbol der Neunzigerjahre. Auch das Personal um Lendina herum strahlt eine gewisse Neunziger-Retro-Atmosphäre aus: Der fiese Sheriff könnte aus einem Film von Oliver Stone oder David Lynch sein, die beiden inzestuös-lesbischen Ninja-Leibwächterinnen Lendinas und ihr albinohaft blondierter Vollstecker haben eine Tarantino- oder Luc-Besson-Aura.

Allerdings entwickelt man als Zuschauer aufgrund dieser Unwirklichkeit und Übertreibung keine wirkliche Beziehung zu Lendina. Im ersten Teil war der von Alexei Serebrjakow gespielte Obergangster auf eine komplizierte Weise ja auch ein Sympathieträger – nicht nur klüger als sein kleiner Bruder, sondern auch klüger und kultivierter als die anderen Mafiabosse. Diesmal sind die Fronten eindeutiger und auch deshalb ist „Nobody 2“ nicht ganz so gut wie sein Vorgänger.

Wenn er trotzdem keine Minute enttäuscht, liegt das auch daran, dass er mit 89 Minuten und 44 Sekunden Laufzeit tatsächlich in der sprichwörtlichen „Spielfilmlänge“ bleibt. Gerade bei Actionfilmen ging der Trend ja in den vergangenen Jahrzehnten dahin, sie auf zwei Stunden oder noch mehr auszudehnen. „Nobody 2“ ist dagegen – um auch metaphorisch auf dem Rummelplatz zu bleiben – wie eine gute Achterbahnfahrt. Lang genug für den Kitzel, aber nicht so lang, dass einem vor Überdruss schlecht wird.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke