Die Frieze Masters in der britischen Hauptstadt gilt als eine der bedeutenden internationalen Messen für ältere Kunst bis in die Moderne. Seit April 2025 hat sie eine neue Direktorin: Emanuela Tarizzo. Die 1988 in Italien geborene Kunsthistorikerin hat beim Auktionshaus Christie’s gearbeitet und war dann Direktorin der auf Alte Meister und europäische Skulpturen spezialisierten Galerie Tomasso in London. Ihr Credo für die Frieze Masters, die vom 15. bis 19. Oktober stattfindet: Offenheit.
WELT: Sie sind gerade erst zur Frieze-Gruppe gestoßen. Wie erklären Sie Messe-Neulingen die „Masters“, Frau Tarizzo?
Emanuela Tarizzo: Was die Frieze Masters besonders macht, ist ihr Grundgedanke: Kunst von der Antike bis ins 20. Jahrhundert zusammenzubringen – auf eine Weise, die Entdeckungen ermöglicht und Galerien ermutigt, neue Wege in der Präsentation historischer Kunst zu gehen. Besucher kommen vielleicht wegen der klassischen Moderne und stoßen dann aber gleich nebenan auf mittelalterliche Handschriften oder Moghul-Miniaturen.
WELT: Was haben Sie als Direktorin vor?
Tarizzo: Die kommende Ausgabe wird meine erste Messe sein. Es wäre verfrüht, ihr ein fertiges Konzept überzustülpen. Ich glaube, eine kuratorische Vision entsteht mit der Zeit, durch Erfahrung und dadurch, dass man Galeristen, Sammlern und Besuchern genau zuhört. Meine Rolle sehe ich darin, die Messe mit ihnen gemeinsam weiterzuentwickeln.
WELT: In welche Richtung?
Tarizzo: Ich möchte die Community von Galerien und Künstlern, mit denen wir arbeiten, weiter öffnen. Und zwar geografisch, aber auch in Bezug darauf, wie historische Kunstwerke gezeigt und verstanden werden. Dabei helfen unsere drei kuratierten Sektionen: „Spotlight“ widmet sich übersehenen oder wiederentdeckten Künstlern. Für „Studio“ hat Sheena Wagstaff, die lange Kuratorin am Metropolitan Museum of Art war, etablierte Künstler in ihren Ateliers besucht und eingeladen, ihre Einflüsse in der Messesektion zu reflektieren. Und ganz neu ist die Abteilung „Reflections“. Sie fokussiert auf Schlüsselobjekte, die eine ganze Sammlung formen können. Inspiriert ist das von zwei britischen Museen mit stark persönlicher Prägung: Sir John Soane’s Museum und Kettle’s Yard.
WELT: Viele Messen beschäftigt der Wandel in der Sammlerschaft. Ist das auch ein Thema für die Frieze Masters?
Tarizzo: Wir erleben derzeit einen Generationswechsel – nicht nur bei den Sammlern, sondern auch in der Art und Weise, wie Galerien ihre Werke präsentieren und ihr Publikum sehen, wie sie Geschichten erzählen und wie unterschiedliche Zielgruppen darauf reagieren können. Wir beobachten, dass jüngere Sammler Kunst anders begegnen. Sie sind weniger durch Kategorien gebunden. Stattdessen reagieren sie auf Qualität, auf Geschichten – auf Werke, die überraschen oder über Zeiten hinweg Resonanz erzeugen. Das passt gut zur Struktur der Frieze Masters, wo man auf Renaissance-Bronzen neben moderner Fotografie stoßen kann. Diese Offenheit ist von entscheidender Bedeutung – und etwas, was das jüngere Publikum wirklich zu schätzen weiß. Es ist bereits sehr gut informiert. Aber nichts ist vergleichbar damit, vor einem Kunstwerk zu stehen und direkt mit den Menschen zu sprechen, die es vermitteln.
WELT: Zeichnen sich schon inhaltliche Tendenzen für die kommende Ausgabe ab?
Tarizzo: Ich möchte die Messe selbst erleben, bevor ich übergreifende Trends benenne. Aber wir sehen mehr Kunstsammler, die über Gattungsgrenzen hinweg sammeln. Kürzlich erwarb etwa jemand, der nicht aus dem klassischen Altmeisterbereich kommt, einen Canaletto – damit kann man heute häufiger rechnen. Auch das Interesse an wiederentdeckten oder marginalisierten Künstlern wächst – das bestärken wir mit der Sektion „Spotlight“. Und nordische Malerei des 19. Jahrhunderts erlebt gerade einen echten Aufschwung. Skandinavische Künstler gewinnen zunehmend an Sichtbarkeit – das ist ziemlich auffällig.
WELT: Liegt der Fokus der Masters weiterhin stark auf europäischer Kunst? Messen für Gegenwartskunst haben sich bereits weiter geöffnet.
Tarizzo: Die Galerienlandschaft für historische außereuropäische Kunst ist nicht mit der für zeitgenössische Kunst vergleichbar. Aber wir sehen vermehrt Teilnehmer aus für uns neuen Regionen. In diesem Jahr kommen Händler aus Brasilien, Mexiko und Indien, aus Australien eine Galerie, die mit indigenen Künstlern arbeitet. Es gibt eine echte Bewegung hin zu einer breiteren, globaleren Kunstgeschichte.
WELT: Stehen Sie mit der Masters im Wettbewerb mit der gleichzeitig stattfindenden Frieze London für zeitgenössische Kunst?
Tarizzo: Die beiden Londoner Messen ergänzen sich. Zusammen erzählen sie eine durchgehende Geschichte – vom Altertum bis zur Gegenwart. Sie haben unterschiedliche Standorte, aber eine gemeinsame Haltung. Es gibt also keine interne Rivalität.
WELT: Wie hat sich die Rolle von London als Kunstmarktstandort nach dem Brexit verändert?
Tarizzo: London verfügt über ein widerstandsfähiges Ökosystem – mit Museen, Universitäten und Sammlungen. Der Brexit ist eine unausweichliche Realität, er brachte Herausforderungen mit sich, aber die Stadt bleibt vital und die Kunstwelt wirklich resilient. In London entstehen zudem auch neue private Stiftungen und künstlerische Initiativen, etwa Yan Du Projects, gegründet von einer chinesischen Kunstsammlerin, oder Ibraaz von der tunesischen Sammlerin Nina Lazaar, die sich auf Kunst der globalen Mehrheit konzentriert. Beide haben sich bewusst für London als Standort entschieden.
WELT: Welche Präsentationen kann man so nur auf der Frieze Masters finden?
Tarizzo: Viele! In der „Studio“-Sektion zeigt die Vadehra Art Gallery aus Neu-Delhi eine wunderbare Arbeit von Anju Dodiya aus Mumbai, die sich von sienesische Malerei inspirieren lässt, obwohl man das nicht auf den ersten Blick merkt. Die Schoelkopf Gallery aus New York wird eine Einzelausstellung des realistischen Malers Andrew Wyeth zeigen, während Joost van den Bergh aus London etwa Malerei und Kunsthandwerk aus dem Japan der Nachkriegszeit vorstellt. Amerikanische Altmeisterhändler wie Adam Williams aus New York und Otto Naumann aus Old Greenwich kehren auf die Frieze Masters zurück. Und auch zeitgenössische Galerien engagieren sich: Gagosian zeigt etwa Glenn Brown, Pace bringt Peter Hujars Fotografie auf die Messe. Salon 94 und Karma präsentieren mit Sally Gabori eine bedeutende First-Nations-Künstlerin aus Australien. Alma Luxembourg zeigt die erste monografische Ausstellung von Joe Ray im Vereinigten Königreich. Und Hazlitt Holland-Hibbert und Frankie Rossi widmen sich dem Buch „Private View“ von Lord Snowden aus den 1960er-Jahren – ein Blick auf die britische Kunstszene jener Zeit.
WELT: Worauf freuen Sie sich persönlich?
Tarizzo: Darauf, dass so viele Galerien sich für monografische oder kuratierte Stände entschieden haben. Und dieses Element des Geschichtenerzählens möchte ich noch stärker fördern.
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