Nein, besonders viel ist noch nicht los im KiT-Fanbereich der B-52s. Beziehungsweise: Eigentlich ist überhaupt nichts los auf der Plattform, die sich „Fanz“ nennt. Lediglich Rhino Records hat einen Eintrag verfasst. Rhino, das ist eine Tochter von Warner Music und die Plattenfirma, die dafür gesorgt hat, dass dieser Fanbereich, der an eine leere Facebook-Seite erinnert, überhaupt existiert, es handelt sich also bei dem Eintrag lediglich um einen Willkommensgruß.

Die auf Wiederveröffentlichungen spezialisierte US-Firma hat als erstes Label das Potenzial des Formats für den europäischen Markt ausgemacht und den Schulterschluss mit dem koreanischen Tech-Anbieter Muzlive gesucht. Eines der drei Alben, die nun unter großem Getrommel als KiT veröffentlicht werden: „Cosmic Thing“, das 1989 erschienene fünfte Album der B-52s, der legendären Band aus dem US-Bundesstaat Georgia.

„KiT“, das bedeutet „Keep in Touch“. Und ein KiT-Album, das ist ein kleines, viereckiges – ja, was eigentlich? Auch wenn es wie ein physischer Tonträger aussieht, trifft das eigentlich nicht den Kern der Sache. Es ist ein hybrides Plastikding, das in seiner kompakten Form an eine geschrumpfte Version der längst vergessenen MiniDisc erinnert und im Prinzip ein digitales Identifikationstool ist. Verbunden wird es mit dem Smartphone. Man drückt dazu das Album ans Handy, die dazugehörige App, gestaltet wie ein virtuelles Abspielgerät, öffnet sich und schaltet anschließend die Musik und, je nach Release, verschiedene Videos, Fotoinhalte und auch Community-Funktionen frei.

So kann man nicht nur mit anderen Anhängern einer Band in Kontakt treten, sondern wird zudem mit digitalen Fleißplaketten belohnt, wenn man einen Song mehrfach anhört, die verfügbaren Videos schaut oder eine Sammlung an KiT-Alben anlegt. Bei einigen Releases ist es sogar möglich, in die Musik einzugreifen: So lassen sich Vocals ausblenden, um eigene Coverversionen aufzunehmen. Dazu werden noch analoge Beigaben in die Box gepackt: Im Falle der B-52s sind das etwa Aufkleber und Fotokarten, auf deren Rückseite die Lyrics der einzelnen Songs zu finden sind.

Eigentlich ist das KiT-Album ein Kind des K-Pops – neun Millionen Exemplare, so sagt Rhino, seien bisher verkauft worden. Seine Geschichte beginnt am 15. Oktober 2014 mit der Veröffentlichung von „보고싶어 (Bogo Sipeo / I Miss You)“ durch die Girlgroup Girl’s Day. 2017 erfolgte die breite Markteinführung. Heute ist KiT vor allem im asiatischen Raum ein Thema, wo Superstars wie BTS, Blackpink, Seventeen oder Stray Kids das Format nutzen. Dabei ist es nicht das einzige Produkt, mit dem die Labels versuchen, die in den digitalen Raum abgewanderte Zielgruppe wieder für den physischen Markt zurückzugewinnen. Dazu zählen auch das „Nemo Album“, eine Art Kreditkarte mit NFC-Chip, das „POCA Album“, im Kern ein Satz Sammelkarten mit QR-Codes, und das „Smini-Album“, ein Schlüsselanhänger, der wie eine Mini-CD gestaltet ist.

Es wirkt zunächst wie eine kuriose Wahl, den europäischen Markteintritt des KiT-Albums mit etablierten Helden zu eröffnen. Neben the B-52s erfahren auch Alanis Morissettes 1995 erschienenes „Jagged Little Pill“ und „Purple“ von den Stone Temple Pilots von 1994 die KiT-Behandlung. Für die Community-Funktionen der Alben dürften sich deren Fans ebenso wenig interessieren wie für irgendwelche digitalen Auszeichnungen.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich indes eine präzise adressierte Klientel: ein Publikum mittleren Alters, jahrzehntelang sozialisiert mit physischen Tonträgern, sammelaffin und finanzstark. Kurzum: Im Visier hat Rhino technikinteressierte Edelfans, die auf Vollständigkeit setzen. Wer jetzt „Cosmic Thing“ kauft, wird es vermutlich schon in den verschiedensten Formaten besitzen. So erschien das Album 2019 als Deluxe-Edition mit zahlreichen Bonustracks – die man dem KiT-Publikum vorenthält.

Indem es Retro-Gefühle mit dem Look und Feel der Gegenwart verbindet, schielt das KiT-Album aber auch nach anderen Zielgruppen. Ziemlich wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Monaten Veröffentlichungen aus dem Hip-Hop und Mainstream-Pop sehen werden. Denn wer einmal beim Record Store Day in der Schlange eines teilnehmenden Plattenladens stand, weiß: Die Musikindustrie gibt ihr Bestes, um auch die Jugend wieder zu treuen Tonträgerkäufern zu erziehen. „Es ist physisch. Es ist digital. Es ist postnostalgisch. Und es könnte die Zukunft des Musikkonsums sein“, sagt man bei Rhino salbungsvoll über das Produkt.

Unter uns: Damit dieser Satz Wahrheit wird, müsste man schon das Internet abschalten. Wohl aber ist das KiT-Album die erste Bemühung seit über 20 Jahren, ein gänzlich neues Musikprodukt zu lancieren. Dass mit Warner ein Majorlabel in vorderster Front mitmarschiert, ist ein Zeichen, das auch bei den anderen großen Plattenfirmen ankommen dürfte. Ein weiterer Sachverhalt wird dabei nicht stören: 24,99 Euro kostet ein KiT-Album, also in etwa so viel wie eine Schallplatte. Die Herstellungskosten für das kleine Stück Kunststoff dürften weitaus niedriger liegen.

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