„Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Das muss eine Ewigkeit her sein“, fragt Ranger (Christian Tramitz) seinen Blutsbruder Abahachi (Michael Bully Herbig). Da sitzen sie auf ihren Pferden und lassen den Blick über die endlose Prärie schweifen, während sich die goldene Sonne ins Tal hinabsenkt.

24 Jahre, rechnet der Zuschauer, seit Herbigs Karl-May-Parodie „Der Schuh des Manitu“ Filmgeschichte schrieb: 11,7 Millionen Zuschauer lockte die rasante Nummernrevue mit blitzschnell getakteten Blödelpointen und extra-billigen Sprachwitzen ins Kino, ein Erfolg, dem seitdem kein anderer deutscher Film je wieder das Silberseewasser reichen konnte. Abahachi beantwortet die Frage natürlich nicht mit einer Jahreszahl, sondern einem Wochentag. Recht hat er damit im doppelten Sinne, denn die meisten Deutschen dürften die Kult-Blutsbrüder nicht vor 24 Jahren das letzte Mal gesehen haben, sondern seitdem etliche Male.

Schon in diesem kurzen Dialog aus der jetzt anlaufenden Fortsetzung „Das Kanu des Manitu“ ist Herbigs ultimatives Quatsch-Rezept erkennbar: Überschwängliches Pathos trifft auf plumpe Alltäglichkeit. Legendär etwa: Wie Winnetouch (auch Herbig) im „Schuh“ die klassische Western-Frage nach dem letzten Wunsch mit dem Superperforator-Song erwidert. Und wie Bösewicht Santa Maria (Sky du Mont) keine Sekunde zögert, ihm dieses Anliegen zu erfüllen.

„Der Schuh des Manitu“ war wie jede gute Parodie zugleich auch eine Hommage: an die Winnetou-Filme aus den 60er-Jahren. Und ebenso sehr ist die Fortsetzung „Das Kanu des Manitu“ eine Hommage: an den ersten Teil. Als wäre es 2001, dürfen wir uns wieder über den Superperforator-Song freuen, über den berühmt gewordenen Satz „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“ sowie über Beziehungsstreitigkeiten zwischen Abahachi und Ranger, die sich noch am Galgen gegenseitig Vorwürfe machen, wer das Messer verloren oder das Nachladen der Pistole vergessen hat.

Dieses Mal entzündet sich die Zankerei an der Frage, wer schuld am gescheiterten Friedensschluss ist: Ranger, der das erste Streichholz zerbrochen hat, Abahachi, der das zweite aus Versehen ausgepustet hat, Ranger, der nur zwei Streichhölzer mitgebracht hat, oder Abahachi, der ihm die Streichholzschachtel geschenkt hat. „Dann schenke ich dir halt nichts mehr“, „Ich brauche sowieso nichts“, „Warte nur ab, bis du dann unterm Weihnachtsbaum sitzt und nichts da liegt“. Diesen präzise beobachteten Paardynamiken könnte man stundenlang zuschauen.

Der Fiesling hat überlebt

Als Santa Maria in einem Rückblick auftaucht, befürchtet man kurz, die Nennung des Schauspielers Sky du Mont auf der Darsteller-Liste würde sich auf schwarz-weiße Erinnerungen beschränken. Aber das hätte ein Herbig, der das Drehbuch gemeinsam mit den Hauptdarstellern Christian Tramitz und Rick Kavanian schrieb, nicht zugelassen. Santa Maria, von dem am Ende des „Schuhs“ nur eine stolze Hand mit Zigarette aus einer Teergrube herausragt, hat überraschenderweise überlebt.

Und auch am Ende von Teil 2 – so viel sei verraten – sieht man seine Leiche nicht, was einen dritten Teil nicht unwahrscheinlich macht – Sky du Monts Ankündigung zum Trotz, dass er seine Karriere nach diesem Film mit 78 Jahren beenden wolle. Wenn dieser Film kein würdiger Abschluss für einen Schauspieler ist, welcher dann? Niemand tritt so cool und fies aus einer Kutsche wie er. Und auch wenn der Übeltäter mit Soft-Leadership-Skills nicht ganz so viele ikonische Einzeiler zum Besten geben darf wie im Original, gönnt die Fortsetzung ihm doch die ein oder andere schlagfertige Bemerkung.

Er habe den Film nur für das Publikum gemacht, sagt Herbig in der Pressekonferenz nach der Vorführung – und das merkt man. Das „Kanu“ ist ein Film, der Erwartungen erfüllt, statt mit ihnen zu brechen. „Ich glaube, dass sich die Leute ein bisschen entspannen sollten“, erklärt Herbig, und: „Wenn der Film hilft, dass alle wieder gemeinsam ein bisschen Spaß haben, dann haben wir schon viel erreicht.“

88 Minuten Quatsch: Im „Schuh“ waren das ein Austauschbandit, ein beim Waschen eingegangenes Pferd, ein Klappstuhl-Rauchzeichen und ein Blitzer mitten im wilden Westen. Das „Kanu“ wartet mit einem Statisten, einem asiatischen Lieferdienstfahrer, einem Specht und Dönerwünschen mitten in der amerikanischen Wüste auf. Dass sich erwachsene Cowboys zwischen Angriff, Verteidigung und Flucht wie Kinder aufführen, ist heute noch genauso lustig wie früher: Mitten in einer dramatischen Entführungssituation muss noch kurz ausgelost werden, wie die Räuberbande überhaupt heißen soll – jeder darf einen Vorschlag auf einen Zettel schreiben und dann wird gezogen. Im Knast heben die Gefangenen mit dem von Stefan Raab produzierten Lied „Weil wir so supergeil drauf sind“ die Stimmung.

Wo der „Schuh“ vor allem als Komödie überzeugte, punktet das „Kanu“ mit knallharter Action, die atemlos fesselt: da stürzt ein Zug über das Gleis-Ende hinaus in den Abgrund, da springen die Blutsbrüder von einer hohen Klippe hinunter in einen reißenden Fluss, da wird unter Wasser in einem umgedrehten Kanu überlebt. Da gibt es Tauch-, Tanz- und Fechteinlagen.

Auf ihrer Heldenreise zum Kanu, das der Legende nach unsterblich macht, müssen Abahachi, Rancher und Mary (Jasmin Schwiers) in einer Höhle Hindernisse überwinden, für die Schießen, Spurenlesen und Reiten nicht ausreichen, sondern auch das Beherrschen der französischen Sprache und Notenlesen von Vorteil sind. An bildungsbürgerlichen Winken mangelt es auch sonst kaum: Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, haben ihre Auftritte genauso wie eine Bande namens „Die sieben Geißlein“, und Santa Maria liest in der Kutsche Karl Mays „Der Ölprinz“.

Politische Debatten

Kommen wir aber zur wichtigsten Frage: Warum gibt es überhaupt eine Fortsetzung? Die Frage stellt sich nicht nur, da Ranger schon vor 24 Jahren über „seit 16 Jahren immer das gleiche Schema“ klagte: „Jeden zweiten Tag sind wir irgendwo gefesselt … Ist dir eigentlich klar, was wir den ganzen Tag machen? Grundloses Anschleichen, stundenlanges Spurenlesen, und völlig sinnlos nebeneinander herreiten.“ Sondern auch, da Herbig zwischen seinem spektakulären Erfolg und dem Jahr 2025 verkündete, so einen Film heute nicht mehr machen zu können, da die Leute zu empfindlich geworden seien.

Tatsächlich musste der Film einige pfeilspitze Vorwürfe aushalten: Er bediene mit dem pinke Cocktails schlürfenden Zwillingsbruder Winnetouch verletzende Schwulen-Klischees, betreibe mit der Projektion deutscher Befindlichkeiten auf die Ureinwohner Amerikas kulturelle Aneignung und lasse Frauen höchstens als über ihre Brüste definierte Sexobjekte auftreten.

Was nun? Greift Herbig diese Kritikpunkte auf, um sie bewusst auszuhebeln? Ignoriert er sie lässig und macht weiter wie bisher? Oder beugt er sich dem Zeitgeist und verwandelt den Wilden Westen in einen achtsamen Safe Space, in dem Cowboys vor dem Ausreiten noch mal Pipi machen dürfen? Moment – war der „Schuh“ vielleicht schon immer wachsam-korrekter als wir es ihm immer zugestanden haben?

So zu tun, als hätte sich nichts verschoben in den vergangenen zwei Jahrzehnten, wäre wohl selbst einem Bully Herbig zu kühn gewesen: So ermahnt Abahachi seine Mitmenschen jetzt öfter pikiert, ihn doch bitte nicht immer „Indianer“ zu nennen. Gleich in der ersten Szene bezeichnet eine Wahrsagerin seinen Blutsbruder Ranger als „alten, weißen Mann“, was Abahachi mit einem Kann-man-nichts-machen-Blick quittiert. Ein Einbeiniger will beim Tischtennis-Rundlauf keine Extrabehandlung, und die Banden-Chefin (Jessica Schwarz) konfrontiert einen Untergebenen, der sie fragt, ob es noch Suppe gebe, mit einer Portion Margarete-Stokowski-Feminismus: „Hättest du das einen Mann auch gefragt?“ Jene sparsam platzierten Anspielungen auf aktuelle Diskurse über Gender, Postkolonialismus und Ableismus humpeln leider ähnlich schwerfällig daher wie der einbeinige Bandit.

Mit der Gesamtsituation zufrieden

Besser funktionieren dagegen die subtileren Anspielungen auf der Handlungsebene: Etwa, wenn der Unterschied zwischen Wahrheit und Echtheit betont oder der Wert des Herzens über den der Herkunft hervorgehoben wird. Wenn ein adoptierter Apache, wie der Film resümiert, ein wahrer Apache ist, dann darf wohl auch ein Deutscher mit Flausen im Kopf seine Western-Fantasien ausleben. Mit Mary (Jasmin Schwiers) erhält die Prärie nun auch eine zweite weibliche Heldin und noch dazu eine, die Französisch kann und den Männern sagt, wo’s langgeht. Winnetouch eilt wie eh und je zur Rettung herbei, sein als stereotyp bemängeltes Verhalten wirkt angemessen dosiert.

Eigentlich hat Herbig alles richtig gemacht: Die Hochphase identitätspolitischer Sensibilität hat er geduldig ausgesessen, um seine Fortsetzung mitten in die Anfänge der post-woken Ära hineinzuplatzieren, in der jene strengen Befindlichkeiten langsam überwunden scheinen, sodass das Zitieren, Aneignen und Projizieren kultureller Eigenheiten wieder spielerisch-ironisch daherkommen darf.

Mit einer Wiederholung des Wunders von „Der Schuh des Manitu“ war ohnehin kaum zu rechnen. Herbig hofft, wie er in der Pressekonferenz zugibt, auf Zuschauerzahlen „irgendwo in der Mitte“, er wolle aber nicht sagen, „wovon die Mitte“. Wahrscheinlich meint er die Mitte zwischen den spektakulären 11,7 Millionen von damals und den durchschnittlichen Besucherzahlen eines Kinofilms von unter einer Million. Das ist keine so unrealistische Prognose. Abahachi und Ranger sind ausnahmsweise mal mit der Gesamtsituation zufrieden. Und wir auch.

Der Film „Das Kanu des Manitu“ läuft ab dem 14. August im Kino.

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