Bellinzona ist ein Ort voller Geschichte. Entlang der gepflasterten Strassen stehen alte Paläste und Kirchen, über allem wachen drei Burgen. Tritt man durch die dicken Mauern ins Castel Grande, erwartet einen jedoch eine ganz andere Welt.
Das «MuDA», das Museum of Digital Art, hat hier Mitte Juli seine neue Ausstellung eröffnet. In einem abgedunkelten Raum stehen Bildschirme, auf denen digitale Werke gezeigt werden – zum Beispiel Autos, die sich in geometrische Formen verwandeln, oder Steine, die dank Projektoren zum Leben erwachen.
Auch digitale Kunst braucht Platz
Was ist eigentlich digitale Kunst? «Das ist die Kunst der Nullen und Einsen», erklärt Christian Etter, Mitbegründer und Co-Direktor des MuDA. Es sei die Kunst der Zahlen und der Mathematik. Häufig funktioniert diese Kunst über Bildschirme, aber nicht nur: Es können auch programmierte Roboter sein, ein interaktives Werk oder klassische Malerei, die digitalen Regeln folgen.
Solche Werke brauchen physisch Platz. Aber auch Werke auf Bildschirmen profitieren von einem Raum: Gewisse Arbeiten brauchen eine grosse Leinwand, damit sie die Besucher in ihren Bann ziehen können. Andere muss man mit 3D-Brillen anschauen. Alle profitieren von der sehr bewusst gewählten Anordnung und Präsentation, die im Museum möglich ist.
Ein weiterer zentraler Punkt eines Museums im Vergleich zu einer Webseite ist der Austausch, sagt der ausstellende Künstler Dirk Koy: «Der Dialog zwischen den Leuten, die die Kunst anschauen, ist für mich sehr wichtig.» Co-Direktor Christian Etter vergleicht es mit einem Kinobesuch: «Es ist ein gemeinsames Erlebnis.»
Als das MuDA 2016 gegründet wurde, war digitale Kunst noch etwas ziemlich Neues. Seither sind fast zehn Jahre vergangen. Ist digitale Kunst heute akzeptierter als damals? Christian Etter meint, ironischerweise sei gerade das, was das MuDA zur Schliessung gezwungen hatte, ein Beschleuniger für die digitale Kunst gewesen: die Corona-Pandemie.
Wir sehen, dass die Leute digitale Kunst langsam – sehr langsam – auch als Kunst wahrnehmen.
Es gäbe heute mehr Menschen, die bereit seien, für Kunst am Bildschirm zu zahlen, und mehr Sammler. Aber: « Es gibt immer noch eine riesige Diskrepanz, wie viel Zeit wir am Bildschirm verbringen, wie viele Inhalte wir konsumieren, wie wir Zugang zu Computern haben als Werkzeug, und was man in einem Museum sieht. Wir probieren das zu überbrücken.»
Das erklärte Ziel des MuDA ist es, die digitale Kunst den Menschen näherzubringen. Er sehe da Fortschritte, sagt Etter: «Wir sehen, dass die Leute das langsam – sehr langsam – auch als Kunst wahrnehmen.»
Die Schweiz ist bereit für digitale Kunst
Dass digitale Kunst mehr Wertschätzung erfährt, zeigt sich auch an der Kulturlandschaft: Inzwischen hat die Schweiz immerhin zwei Museen für digitale Kunst. Neben dem wiedereröffneten «MuDA» gibt es noch das Haus der Elektronischen Künste (HEK) in Basel. Ausserdem wird digitale Kunst auch in konventionellen Museen und Ausstellungen gezeigt, vor kurzem zum Beispiel an der Art Basel.
Davon, dass digitale Werke so viel Wertschätzung erfahren wie Gemälde oder Statuen, sind wir allerdings noch ein weites Stück entfernt. Aber Christian Etter ist zuversichtlich: «Ich bin überzeugt: In 100 Jahren wird es viele MuDAs oder ähnliches geben, und es wird die Picassos im digitalen Raum geben.»
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