Der US-Künstler Thomas Deininger fischt sein Material aus dem Plastikcontainer und verwandelt es mit meisterhafter Präzision in echt wirkende Tiere. Eine Übung in perspektivischer Illusion – mit einer wichtigen Botschaft.

Nicht nur Ornithologen werden daran ihre Freude haben. Denn die Vögel von Thomas Deininger wirken so ungeheuer realistisch, als seien sie von Präparatoren ausgestopft worden. Die Details verblüffen, ob es die zarten, durchscheinenden Flügel eines federleichten Piepmatzes sind oder die spitzen Krallen des Papageis. Hier wirkt der rote Kehllappen des Hahns ohne jeden Zweifel wie echt, dort meint man, dass der einzelne Kopf eines Raubvogels eben erst brutal vom Leib gerissen wurde.

Im Angesicht der Klimakrise – Fotograf porträtiert Flutopfer weltweit

Francisca Chagas dos Santos, Taquari Distrikt, Rio Branco, Brasilien, März 2015 © Gideon Mendels
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Eines aber sucht man bei den wirklichkeitsgetreuen Vögeln von Thomas Deininger vergeblich: tierisches Material. Der amerikanische Bildhauer zieht seine Werkstoffe vielmehr aus den Untiefen von Plastikcontainern. Ob altes Kinderspielzeug oder Kamm, Folien oder ausrangierte Haushaltsgegenstände, nichts scheint dem US-amerikanischen Künstler zu schäbig zu sein, um in einer wundersamen Transformation zur Skulptur zu werden. Meist sind es Vögel, aber auch Fische oder Insekten finden sich im Tierpark von Thomas Deininger, der zeigen will, welche vollkommenen Kreaturen die Evolution hervorbrachte.

Der Vogel und seine Auflösung. Nur wenn der Betrachter an der richtigen Stelle steht, wird das Bild perfekt © Thomas Deininger, Ethan Cohen Gallery

Thomas Deininger: Kunst aus Plastikmüll mit tiefer Botschaft

Schon als junger Kunststudent reiste der 1970 geborene Deininger um die Welt, und einerlei, ob er in Europa, Mittelamerika oder im Südpazifik war, immer wieder stieß er auf die verheerenden Umweltfolgen des Konsumverhaltens, mit dem auch er in Amerika groß wurde. Wenn er heute altes Plastik zu neuer Schönheit bringt, ist das nicht nur ein Beitrag zur Wiederverwertung von Kunststoffteilen. Deininger will auch direkt auf bedrohte Arten hinweisen, Tiere, die durch Abholzung und Wilderei vom Aussterben bedroht sind – etwa einen Sittich, der im Süden der USA wegen seiner schönen Federn ausgerottet wurde.

Thomas Deininger zeigt: Auch einzelne Plastikfiguren sind wertvoll – aus jedem Teil entsteht Kunst mit Bedeutung © Thomas Deininger, Ethan Cohen Gallery

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Deshalb wirken Deiningers Skulpturen auch nur auf den ersten Blick wie perfekte Abbilder der Natur, sind sie so fragil wie das Gleichgewicht der Natur. Blickt man nämlich von der Seite auf die Tiere, verpufft die Illusion, zerspringt der naturalistisch wirkende Vogel, der erst durch virtuose perspektivische Verkürzung im Auge des Betrachters entsteht, sofort in alle Einzelteile. Es ist die bildliche Entsprechung des Abgrunds, der hinter den schönen Tieren steckt: Schnell werden all die Plastikdeckel, Kunststofffiguren und sonstigen Fundsachen, sobald man die Herkunft des Materials erkennt, zu unangenehmen Beweisstücken, die die Verantwortungslosigkeit des Menschen sehr deutlich vor Augen führen. Und das ist keine Frage der Perspektive.

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