Es war kein neuer Heavy Metal-Sound, der Ozzy Osbourne zum Superstar machte. Durch die Reality-TV-Show «The Osbournes» flimmerte er in Wohnzimmern weltweit – und wurde zur Ikone der Trashkultur. Kulturwissenschaftler Jörg Scheller über den Überraschungshit der 2000er-Jahre.

SRF: Wie hat die Reality-TV-Show «The Osbournes» das Bild von Ozzy Osbourne in der Öffentlichkeit verändert?

Jörg Scheller: «The Osbournes» haben Ozzy zum Mainstream-Star gemacht. Die Show war geschickt gestaltet, sie hat ein Kontrastbild erzeugt: der wilde Rockstar hier, der vertrottelte Familienvater dort. So sind neue Zielgruppen entstanden, irgendwann war das andere Marktsegment gesättigt. Man hatte genug davon, dass Ozzy Fledermäusen den Kopf abbiss und den Madman spielte.

Welche Bedeutung hatte Reality-TV für die Popkultur Anfang der 2000er-Jahre?

Es war die Zeit, in der Heavy Metal endgültig salonfähig wurde. Man denke an das schwarze Album von Metallica in den 90er-Jahren, das dem Metal ganz neue Zielgruppen erschlossen hat. Die Doku-Soap hat daran angeknüpft, indem sie den medial errichteten Mythos des Metal-Stars dekonstruiert hat. Aber hinter der Fassade entsteht natürlich ein neuer Mythos: der Mythos des Authentischen.

Legende: Schlagfertiges Duo: Ozzy und Sharon Osbourne in der Reality-Doku-Soap «The Osbournes». IMAGO/Capital Pictures

Von welcher Art Authentizität reden wir hier?

Wahre Authentizität, denn wahre Authentizität ist immer konstruiert. Das sehen wir heute bei Influencern, die sich wunderbar authentisch inszenieren. Auch in «The Osbournes» kollabiert die Differenz zwischen sogenannter Realität, der Inszenierung und der Simulation. Die Kinder etwa haben im Laufe der Dreharbeiten angefangen, Drogen zu nehmen und Alkoholprobleme zu entwickeln. Vielleicht wäre das ohne die Drehs gar nicht passiert. Solche Gedankenspiele sind typisch für unsere Simulationsära: Die Unterscheidung in echt und nicht echt ist nicht mehr haltbar.

Black Sabbath und Ozzy Osbourne waren Arbeiterkinder, die nach oben kommen wollten und Ruhm und Geld in vollen Zügen genossen haben.

Was können die Beweggründe gewesen sein, sich derart zu Schau zu stellen? Geld war es wohl eher nicht.

Ich bin nicht sicher, ob es nicht doch Geld war. Black Sabbath und Ozzy Osbourne waren nicht unbedingt edle Kulturkritiker und Antikapitalisten. Sie waren Arbeiterkinder, die nach oben kommen wollten und Ruhm und Geld in vollen Zügen genossen haben.

Welche Rolle spielt seine Frau und Managerin Sharon Osbourne?

Die Reality-Show war ihr Baby, und Ozzy hat mitgespielt. Er selbst war kein Stratege. Er hat immer ein Team um sich gebraucht, das für ihn eine Bühne errichtet. Dennoch glaube ich, dass er eine diebische Freude daran hatte, den eigenen Mythos zu dekonstruieren.

Ozzy Osbourne erscheint als ein vom Exzess gezeichneter Familienvater, der alles gibt. Hat die Reality-Show mit Tabus gebrochen?

Die Osbournes haben sicherlich dazu beigetragen, psychischen Probleme und Suchtprobleme zu normalisieren – alles im Rahmen eines Trash-Formats. Die kulturelle Prägekraft ist nicht zu unterschätzen: Was später mal Hochkultur wird, beginnt als Trash.

Heute würde die Serie kritischer beäugt werden hinsichtlich des alten weissen Mannes, der sein eigenes Leid inszeniert.

Die Serie hat durchaus eine progressive Dimension, wenn Ozzy sich vor der Kamera kaputt und krank präsentierte, anstatt ein Heldenbild zu inszenieren. Die Schattenseite ist der Big-Brother-Voyeurismus: Private Familiengeschichten werden für kommerzielle Zwecke genutzt.

Was wäre, wenn man die Serie heute wieder neu auflegen würde?

Heute wäre sie mit ihren medialen Bekenntnissen und Problemkultivierungen sicherlich wieder im Zeitgeist. Gleichzeitig würde sie kritischer beäugt werden hinsichtlich des sogenannten alten weissen Mannes, der sein eigenes Leid inszeniert und sich permanent in den Mittelpunkt stellt.

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