Der Kulturkampf kommt in deutschen Kinos an. Seit seiner Gründung im März 2021 produziert der amerikanische Filmverleih „Angel Studio“ am Fließband Filme, die vor allem durch ihre dezidiert antimoderne Weltsicht auffallen. Nach ihrem Debütfilm „Testament: The Parables Retold“ (2022) – einer modernen Nacherzählung der Apostel-Geschichte von Lukas – gelang dem im Mormonenstaat Utah ansässigen Studio im Jahr darauf mit „Sound of Freedom“ ein Überraschungserfolg an den amerikanischen Kinokassen. Der Action-Thriller handelt von real existierenden US-Menschenrechtsaktivisten und den Verschwörungstheoretikern der QAnon-Bewegung nahestehenden Tim Ballard, der im Film einen Pädophilenring aufdeckt. Allein in den USA spielte der Streifen beachtliche 184 Millionen Dollar ein – bei einem Budget von nur rund 14 Millionen Dollar.

Auch für das erst kürzlich erschienenen Biopic „Bonhoeffer“ um den deutschen Theologen und NS-Widerständler Dietrich Bonhoeffer ist „Angel Studios“ verantwortlich. Wegen seiner geringen Faktentreue – unter anderem zeigt das Filmplakat Bonhoeffer mit einer Waffe in der Hand – bekam der Film sowohl in den USA als auch in Europa heftigen Gegenwind. Zudem wurde der Vorwurf laut, „Bonhoeffer“ diene radikalen evangelikalen Kreisen als Legitimierung für Gewalt gegen den Staat. Die Nachkommen von Bonhoeffers Geschwistern sahen sich gar veranlasst, einen offenen Brief zu verfassen, in dem sie beklagten, dass das Erbe Bonhoeffers „zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht“ werde.

Mein Weinberg. Mein Obstgarten. Meine Kornkammer

Mit „Homestead“ beschert das „Angel Studio“ ihrer Filmgemeinde ein weiteres von christlich-konservativer Weltsicht geprägtes Machwerk. Dabei fungiert der rund 100-minütige Film nur als Pilot für eine gleichnamige Serie, die mittlerweile für US-Zuschauer auf dem hauseigenen Streaming-Portal von „Angels Studios“ zu sehen ist. Seit vergangener Woche ist der Pilot-Film von „Homestead“ über den schwäbischen Filmverleih „Kinostar“ auch in deutschen Kinos zu sehen.

„Homestead“ beginnt mit einem Terrorangriff von ausländischen Terroristen, die von einem Boot aus vor der Küste Los Angeles eine nukleare Bombe zünden, woraufhin im ganzen Land Chaos ausbricht. Strom- und Wasserversorgung kollabieren, der Handyempfang bricht zusammen, brennende Polizeiwagen, Inflation, Plünderungen, Bürgerwehren, kurz: das kleine Einmaleins des seit einigen Jahren in der Videospiel- und Filmindustrie beliebten Genres des postapokalyptischen Survival-Thrillers.

In Panik und Unsicherheit fliehen mehrere Familien gen Osten ins entlegene Herz der Rocky Mountains zu einem luxuriös ausgestatteten, sich selbst versorgendem Anwesen: der titelgebenden „Homestead“ (Gehöft/Heimstätte). Besitzer dieser amerikanischen Variante eines Alpen-Réduits sind der reiche, Jeansjacken und Cowboyhut tragende Ian Ross (gespielt von Bösewicht-Veteran Neal McDonough) und seine Frau Jenna (Dawn Olivieri).

Wo der Otto-Normal-Apokalyptiker im Keller Bohnen, Reis und Toilettenpapier bunkert, hat Ross auf seinem weitläufigen Grundstück mit Villa nicht nur Weinberge, Obstgärten und eine Kornkammer errichten lassen, sondern auch eine autarke Infrastruktur. Wie groß das Misstrauen des High-End-Preppers in den dysfunktional und gierig auftretenden Staat ist, zeigt sich in Gestalt der Reservistentruppe rund um den meist sonnenbebrillten und in „Tactical Wear“ gekleideten Ex-Militär Jeff Eriksson (Bailey Chase). Nach dem anfänglichen „Big Bang“ macht sich Eriksson mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn (Taylor Lofton) auf den Weg zur Arche-Noah-Villa in den Bergen, wo der Familie im Gegenzug für Erikssons Söldner-Dienste Schutz gewährt wird.

Dort finden auch Ians Verwandte um seine Schwester Evie (Susan Misner) Zuflucht. Als sich die vor dem Zaun kampierenden Flüchtlinge mehren und ein anrückender Regierungsbeamter mit der Staatsgewalt droht („Sie können hier Survival-Camper spielen, soviel Sie wollen, aber es sind immer noch Steuern zu zahlen“), kippt die Stimmung.

MAGA-Festung oder christliche Arche?

Um die Ideologie des Films auch zweifelsfrei an den Zuschauer zu bringen, agiert Regisseur Ben Smallbone getreu dem Motto „viel hilft viel“. Ob kernige Männer mit Bartstoppeln, die mit Sturmgewehren in hochgezüchteten Pick-up-Trucks umherfahren und dabei eine naturrechtliche Auffassung von Recht und Gesetz vertreten, oder der unerschütterliche Glaube an die Macht von Autoritäten („Das ist, was ich mache. Ich schütze gute Menschen vor schlechten Menschen. Du musst also meine Befehle befolgen“) – „Homestead“ ist ein Hort von MAGA-Tugenden und ein modern verkleidetes Gleichnis: die Weinberge an den Hängen, die Brote und Fische, die an Hungernde verteilt werden, oder die an Erlösungsfantasien erinnernden Dialoge („Wir bauen unsere Lebensmittel an, wir pflegen unseren Boden, wir züchten unsere Tiere. Es ist ein Kreislauf, der sich selbst belohnt. So heilen wir das Land und letztendlich auch den Planeten.“)

Vereinzelt aufploppende Gegenpositionen sind oft nur grob angedeutet. So wird der repressiven „Flüchtlingspolitik“ Ians, der die vor seinem Anwesen ausharrenden Menschen auf Teufel komm raus nicht aufnehmen will, die „Wir haben Platz für alle“-Perspektive seiner Frau Jenna entgegengestellt, die offenbar eine rosarote Brille trägt.

Auch die Liberalen bekommen ihr Fett weg. Ians Schwager wird als Tesla fahrender, derangierter Trottel inszeniert, der ohne seine Tabletten mental völlig neben der Spur läuft. Als der Akku versagt, sattelt man kurzerhand auf einen SUV um. Dem nuklearen Fegefeuer entkommt man wohl nur mit einem benzinbefeuerten Untersatz.

Mit „Homestead“ setzt „Angel Studios“ erneut einen Kontrapunkt zu den oft beklagten „Woke“-Exzessen in der Filmindustrie. Doch die plumpe, ideologisch durchtränkte Inszenierung erstickt alle erzählerischen Ambitionen des Films im Keim – da helfen auch die soliden schauspielerischen Darbietungen wenig. „Homestead“ ist christlich-konservativer MAGA-Agitprop vor Survival-Kulisse.

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