Damals begann es! Am 9. Juli 1825, vor fast exakt 200 Jahren, wurde der Grundstein zum Alten Museum gelegt. Es war das erste für die Öffentlichkeit bestimmte Museum in Preußen. Aber eben nicht nur das. Mit diesem baulichen Meisterwerk Schinkels, der Ikone schlechthin des architektonischen Klassizismus in Deutschland, erklang der Auftakt zu einem noch weit größeren Unternehmen: der in der Welt völlig einzigartigen Akropolis der Künste, genannt Museumsinsel.
Ja, es gab eine sagenhafte Zeit in Berlin, da Masterpläne nicht nur klug konzipiert, sondern auch schnell verwirklicht und obendrein mit großer Konsequenz über viele Jahrzehnte hinweg verfolgt wurden. Denn nach dem gloriosen Auftakt ging die viersätzige Symphonie ja volltönend weiter: Es folgten auf das Alte Museum das Neue, später die Nationalgalerie, hernach das Bode-Museum und als Finale 1930, genau 100 Jahre nach der Fertigstellung des Schinkelbaus, jenes Pergamon-Museum, das sich schnell als das beliebteste und meistbesuchte der Hauptstadt etablieren sollte.
Das Alte Museum im Besonderen, die Museumsinsel im Allgemeinen – auch das ungewöhnlich – ist zwei preußischen Königen zu verdanken. Angesteckt vom Reformeifer seiner Minister, getragen von der Woge der siegreich hinter sich gebrachten Befreiungskriege, erteilte der nicht als sonderlich kunstaffin geltende Friedrich Wilhelm III. seinem Hofarchitekten den zukunftsweisenden Auftrag, ein Haus zu errichten, das „dem Studium der Künste aus der ganzen Welt“ gewidmet sein sollte.
So der Schriftzug auf der Schauseite des Gebäudes, selbstredend in Latein verfasst. Und des Königs Sohn, der 1840 als Friedrich Wilhelm IV. dem Vater nachfolgte, setzte noch eins drauf. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, Schinkels Nachfolger Stüler mit einem Masterplan zu beauftragen, demzufolge „die ganze Spreeinsel hinter dem Museum zu einer Freistätte für Kunst und Wissenschaften umzuschaffen sei“.
Militär und Musen
Donnerwetter! Das waren Töne, die die Welt aus Preußen nicht gewöhnt war. Handelte es sich hier nicht um einen Militärstaat? Und nun weihte es sich den Musen? Aber ja! Es gibt sie, gab sie immer, diese ein wenig verborgene, aber im Untergrund doch mächtig wirksame ästhetische Ader Preußens, von dem ihr großer Sohn Heinrich von Kleist, den man die „Fackel Preußens“ genannt hat, in seinem Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ sagte: „Das Kriegsgesetz soll herrschen, jedoch die lieblichen Gefühle auch.“
Für diese also war Architekt Karl Friedrich Schinkel zuständig, der, wie es sich für ein deutsches Genie gehört, mit 60 Jahren dem Wahnsinn verfiel. Und hatte nicht auch eine Spur von Wahn, jedenfalls etwas ungemein Hochfliegendes, Überragendes, Hybrides die Konzeption seines Museums, das wir heute das Alte nennen, beflügelt? Allein wie es dasteht! Wie es sich machtvoll zwischen Zeughaus und Dom, also zwischen Kriegsgesetz und Gesetz des Altars, schiebt; wie es sich selbstbewusst dem Gegenüber, der Zwingburg des Hohenzollernschlosses, entgegen reckt; wie es mit seiner breiten Freitreppe das Volk zum Eintritt lädt; wie es mit seiner vorgelagerten Säulenhalle die Agora von Athen, will sagen den Marktplatz, zitiert: Das war und wirkt noch heute einfach unerhört.
Und innen geht es ja weiter. Denn nachdem die Besucher die Treppen erklommen hatten, sollten sie dem Willen Schinkels gemäß eintreten in das Herzstück des Hauses, jene Rotunde, die nun wiederum das Pantheon in Rom zitiert. Überwältigungsarchitektur im besten Sinne ist das. Ein vorgeschaltetes Innehalten, bevor man sich von den Kunstwerken, im Falle des Alten Museums der Antike, „erfreuen und belehren lässt.“
Niemand hat den Eindruck, den diese Rotunde machen sollte und noch heute macht, besser beschrieben als der bei der Eröffnung 17-jährige, spätere Archäologieprofessor Felix Eberty aus der jüdischen Bankiersfamilie der Ephraims, der rückblickend schrieb: „Wenn hinter dem Besucher, der zum ersten Mal diesen Raum betrat, die großen Flügeltüren mit wunderbar metallischem Klange sich schlossen und man in der überwölbten Säulenumrundung umherblickte, so wurde man von ehrfurchtsvollem Schauer erfasst, der sich bald in staunendes Entzücken verwandelte.“
Ästhetische Erziehung
Deutsche Kunstreligion, Winckelmanns Diktum von der „edlen Einfalt, stillen Größe“ der griechischen Kunst, und der Bildungsbegriff der deutschen Klassik, nahmen im architektonischen Entwurf des Alten Museums Gestalt an. Eine Gestalt, die ohne Goethe, die Brüder Humboldt und Schiller nicht zu denken ist und die sich von der „ästhetischen Erziehung des Menschen“ nichts Geringeres als ein humanes Zusammenleben versprach.
Das alles muss man in seinem ganzen, heute vielleicht ein wenig fremdartig wirkenden Pathos in Erinnerung rufen, wenn man, wie jetzt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Jubiläum der Grundsteinlegung des Schinkelbaus feiert. Denn wenn es einen Ort gibt, an dem uns Deutschen feierlich zumute sein darf, dann ist es die Museumsinsel. Diese Feierlichkeit sollten wir uns nicht nehmen lassen. Und eben darum sollten wir auch dafür sorgen, dass dieser bedeutende deutsche Gedächtnisort für zukünftige Generationen in seiner ganzen Pracht erhalten bleibt.
Denn am Alten Museum hat in ganz besonderem Maße der Zahn der Zeit genagt. Nicht nur, dass es im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört wurde. Nicht nur, dass es nach dem Wiederaufbau zur Zeit der DDR viel vom ursprünglichen Charakter des Hauses verlor. Es sieht auch von außen, wenn man näher hinschaut, ziemlich schäbig aus. Seine Haustechnik ist veraltet. Und, was am schwersten wiegt, Teile des Gebäudes haben sich abgesenkt. Seine Standfestigkeit ist also nicht mehr garantiert. Man muss nämlich wissen, dass es auf Sumpf gebaut ist. Getragen wird es von vielen Tausend Baumstämmen. Das Alte Museum ist also außerordentlich fragil.
Wenn jetzt folglich das Jubiläum der Grundsteinlegung dieses wahrhaft hohen Hauses mit einer Schau gefeiert wird, dann spielen nicht nur Statuen, Vasen, Terrakotten sowie ein Paneel für die Fassadenbemalung, die einst die Vorhalle schmückte (wie in der „bunten Halle“ auf der Agora von Athen) eine Rolle. Dann steht da auch ein reichlich ramponierter Baumstumpf – Teil jenes Unterholzes, das den Riesenkasten trägt.
Der Blick geht also, wie kann es bei einem 200-jährigen Jubiläum anders sein, zurück in die Vergangenheit und in den Urgrund, Untergrund. Er richtet sich jedoch auch in die Zukunft. Und mit dieser Zukunft verbindet sich, wie schön, ein Rückbau. Es ist der ausdrückliche Wunsch des seit 2004 amtierenden Direktors des Alten Museums, Andreas Scholl, dass sein Haus künftig wieder Schinkels Originalgestalt näherkommen soll.
Die Glaswand, die den herrlichen Altan, also den unterbauten Balkon, im Hauptgeschoss vom quirligen Leben des Lustgartens trennt, soll verschwinden, das Gebäude also noch freier, luftiger dastehen. Und das Licht des Himmels über Berlin darf wieder durch das durchsichtige Fenster in der Bekrönung der Rotunde („Opaion“) ins Haus hineinscheinen. Die Rotunde wird auch wieder das Erste sein, was man durchschreitet, noch bevor man sich der Kasse, der Garderobe oder dem Museumsshop zuwendet. Achtung, Andacht!
Doch es kommt noch besser: Es sollen auch die Lichthöfe inszenatorisch originell belebt werden. Im einen Lichthof möchte Scholl ein bisschen römischen Villengarten spielen und eine Caféterrasse einrichten. Und im anderen soll ein wenig Agora-Feeling aufkommen. Dort wird, so der Plan, eine riesige Exedra, will sagen eine steinerne Sitzbank, aufgestellt, die zu großen Teilen aus dem antiken Pergamon stammt.
Vom Doppelimperativ des „Erfreuen und Belehren“ will man beherzt wieder, im Sinne Schinkels, das „Erfreuen“ stärken. Es könnten also tatsächlich goldene Zeiten auf Berlin zukommen, wenn das Portalgebäude der Museumsinsel nach der fälligen Generalsanierung wieder im alten Glanz erstrahlt. Dann wird auch die andere Seite Preußens unumwunden zur Geltung kommen: die lieblichen Gefühle. Die Grazie. Die Libertinage.
Und nicht zuletzt das Andenken an Friedrich den Großen. Denn er und kein anderer erwarb einst (1747, um genau zu sein) die „Mona Lisa“ dieses Hauses. Eine männliche „Mona Lisa“, wohlgemerkt. Wer hat das schon? Aber die Rotunde gibt auf sie, auf ihn den Blick frei, der hier das Hauptwerk darstellt: der betende Knabe. Auf diese Großbronze, eine der wenigen griechischen aus vorchristlicher Zeit, die sich erhalten haben, blickte der große König stets, wenn er in Sanssouci seine Bibliothek betrat, um dort zu arbeiten. Und dieser betende Knabe wird im Alten Museum, wie schon immer seit 1830, weiterhin gut sichtbar die Hände heben. Zum Lobpreis dessen, was das Leben lebenswert macht. Zum Lob der Kunst. Und der Liebe zu allem, was schön ist.
„Grundstein Antike. Berlins erstes Museum“, bis 3. Mai 2026. Altes Museum, Berlin
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