«Midnight Zone» – so nennt man die Mitternachtszone der Tiefsee, die ab etwa 1000 Metern unter der Meeresoberfläche beginnt. Wo das Sonnenlicht verblasst und die Sicht verschwindet. «Midnight Zone» heisst auch die aktuelle Ausstellung, sowie ein Werk von Künstler Julian Charrière – das Herzstück am Ende der Schau, das sich mit der Bedrohung dieser verborgenen Unterwasserwelt auseinandersetzt.

Bis dorthin fliesst das Publikum aber noch vorbei an Fossilien, Bildern von Eisbergen, Korallenriffen und Haifischen. Die Ausstellung ist konzipiert wie ein Tauchgang. So sind die meisten Arbeiten von Julian Charrière auch entstanden: beim Tauchen.

Diese besondere Erfahrung beschreibt der Künstler so: «An der Oberfläche sind wir immer irgendwie getrennt – die Luft ist so dünn. Aber beim Tauchen, beim Eintauchen, hat man wirklich das Gefühl, plötzlich eins mit der Welt zu sein.»

Singen wie ein Fisch

Diese Eins-Fühlung will Julian Charrière in seiner Ausstellung vermitteln, indem er die Unterwasserwelt sichtbar und hörbar macht. Denn hörbar, so erklärt Assistenzkuratorin Tabea Panizzi, sei diese Welt eigentlich schon viel länger als die oberirdische: «Man müsste eigentlich sagen, man singt wie ein Fisch und nicht wie ein Vogel. Denn Fische existieren schon viel länger, und auch sie machen Geräusche.»

Legende: Der französisch-schweizerische Künstler Julian Charrière verbindet Klimafragen mit poetischen Bildern und Installationen. Im Museum Tinguely führt er zudem in die verborgene Welt der Tiefsee. Keystone/Georgios Kefalas

Diese akustische Welt und die Kommunikation über den Klang sei besonders wichtig in den Unterwasser-Ökosystemen. Die vielen Soundinstallationen der Ausstellung machen diese Welt hörbar.

Die Ausstellungsräume selbst sind dunkel, die einzigen Lichtquellen die Kunstwerke selbst: Fotos, Skulpturen, Installationen und Videoarbeiten. Man blickt hinein in die Tiefsee, mal sitzend auf einer wellenförmigen Couch, mal liegend auf einer Kissenlandschaft. Als wäre man auf dem Meeresgrund – umringt von Haien, Fischschwärmen und endlosem Blau.

Legende: Abtauchen auf den Meeresgrund: Besuchende betrachten Julian Charrière «Midnight Zone» im Museum Tinguely. auf dem Meeresgrund,

Stundenlang könnte man hier liegen und sich treiben lassen – durch den grössten Lebensraum der Welt. Zwar bestehen von der Oberfläche aus betrachtet «nur» zwei Drittel des Planeten aus Ozean, dieser mache aber 97 Prozent des Lebensraums aus. Laut Julian Charrière müsste man daher eigentlich eher von Planet Ozean als von Planet Erde sprechen.

Unsichtbare Bedrohung

«Midnight Zone» wirkt auf den ersten Blick meditativ und sinnlich. Doch je tiefer man in sie eintaucht, desto deutlicher wird, wie bedroht die Tiefsee als Lebensraum ist – etwa durch den Tiefseebergbau. Die Auswirkungen davon seien kaum messbar, so Künstler Julian Charrière. Diese Eingriffe geschehen weit entfernt von unserem Alltag, tief unten im Ozean, unsichtbar und ohne jeglichen Realitätsbezug.

Legende: Diamanten aus CO₂, geopfert an die Arktis: Charrière wirft künstlich erzeugte Edelsteine in eine Gletschermühle – ein symbolischer Akt gegen Ausbeutung und für eine Umkehr im Umgang mit Ressourcen. Julian Charrière, Pure Waste (Video Still), 2021

«Mit dieser Ausstellung versuche ich eine emotionale Brücke zu schaffen zu diesem Ort.» Charrière will, dass die Besucherinnen und Besucher ihn spüren, erleben – und sich vielleicht fragen: Was machen wir eigentlich mit unserem Planeten?

Für einen Tauchgang mit Tiefgang sollten die Besuchenden den Begleittext zu den Kunstwerken zu lesen, um die Zusammenhänge noch besser zu verstehen. Aber auch wer sich einfach treiben lassen will, macht einen zwar trockenen, aber sonst immersiven und meditativen Ausflug in diese faszinierende Welt unter Wasser.

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