Rocksänger Heinz Rudolf Kunze, 68, ist aus Anlass des Jubiläums seines größten Hits „Dein ist mein ganzes Herz“ auf Tour. In Hamburg machen HRK und Verstärkung am 3. Juli im Congress Centrum Station. Ein Gespräch über einen Hit im Wandel der Zeiten – bis zur aktuellen Neuaufnahme im Duett mit Annett Louisan.

WELT: „Dein ist mein ganzes Herz“ kam vor 40 Jahren heraus, war aber ja nicht der Anfang Ihrer Karriere.

HEINZ RUDOLF KUNZE: Vorher hatte ich schon vier Studioalben und ein Live-Doppelalbum gemacht, die sich für damalige Verhältnisse so im unteren Mittelfeld verkauft haben. Heute gäbe es dafür wahrscheinlich Platin. Meine Plattenfirma, WEA Records, war mit mir nicht unzufrieden, aber der große Durchbruch war es nicht. Irgendwann sagte ein Manager zu mir: „Du kannst mehr erreichen, aber du musst etwas sehr Schmerzhaftes tun und du weißt auch, was.“ Er meinte mit Recht, ich solle meinen Freund Mick Franke entlassen. Der war zwar ein Blutsbruder für mich, aber er war kein Rock’n‘Roller und konnte nicht komponieren. So habe ich mich nach vier Alben von ihm getrennt und Heiner Lürig geholt. Der brachte als Morgengabe im Gepäck diese Nummer mit, die es schon gab, mit englischem Gesang einer schwarzen Frau. Da hatte er schon mal herumprobiert, aber das gefiel ihm nicht.

WELT: Wie wurde das Experiment zum Hit?

KUNZE: Seinerzeit durften wir mit dem berühmten Produzenten Conny Plank arbeiten, der Kraftwerk mit erfunden hat, der mit Iggy Pop, David Bowie oder Gianna Nannini gearbeitet hatte. Und uns fehlte ein Titel für das Album. Einen hatte Conny gestrichen und gesagt: „Neun sind ein bisschen kurz, meine Herren.“ Mit kurz meinte er: für Vinyl. CD gab es noch nicht.

WELT: Da war guter Rat teuer.

KUNZE: Wir mussten überlegen, was wir machen. Damals war ich nicht in einer Situation wie heute, wo ich einen Überhang von hunderten Songs habe. Heiner meinte: „Ich habe noch so eine Nummer, hör dir das mal an, denk dir den englischen Gesang weg. Fällt dir dazu was ein?“ Das war nach „Lola“ erst das zweite Mal, dass ich ein Lied betextet habe. Auf einer Autofahrt von Hamburg nach Hannover habe ich mir auf dem Heimweg die Kassette angehört, mit Kopfhörern, immer wieder, und angefangen, zu kritzeln. Als wir in Höhe Bad Fallingbostel waren, war ich fertig. Heiner guckte sich den Text an und sagte in seiner trockenen, anti-euphorischen Art: „Ja, das könnte hinhauen.“ Dann haben wir das Lied aufgenommen.

WELT: Ahnten Sie, dass das ein Hit wird?

KUNZE: Ich war sehr unsicher, denn ich hatte einen elitären Anspruch und ein eher hochnäsiges Publikum, rein studentisch und eher auf abgefahrene Sachen aus. Ich sagte: „Das ist doch ein Gassenhauer, das können wir nicht machen.“ Und Plank, der auch eher auf abgefahrene Musik stand, sagte: „Junge, das machen wir, du wirst sehen, das bereust du nicht.“ Dann habe ich das zögernd aufgenommen. Als ich gemerkt habe, dass die Sekretärinnen der WEA das auf dem Flur gepfiffen haben, da dachte ich, ja, das könnte was werden.

WELT: Das Ausmaß des Erfolges war nicht absehbar?

KUNZE: Dass der Titel 40 Jahre hält, ein Evergreen wird, dass es ihn inzwischen auf Türkisch, auf Isländisch und was weiß ich nicht alles gibt, dass die drei Tenöre ihn singen würden, Helene Fischer und alle möglichen Leute, das habe ich nicht ahnen können. Bis heute bin ich verblüfft, dass diese Nummer es so gebracht hat. – und dankbar, verstehe es aber nicht. Ich bin der Nummer nicht böse, sie hat ja mein Leben verändert. Ich fand nur andere Lieder besser.

WELT: Können Sie das Lied selbst noch ertragen?

KUNZE: Darauf habe ich mir zwei Antworten zurechtgelegt: Die lustige ist, glauben Sie, dass Klaus Meine jeden Tag Lust hat zu pfeifen? Wahrscheinlich nicht. Meine ernste ist, ja, natürlich spiele ich das. Das ist mein Publikum, mein Nährboden und die Konzertbesucher wollen das Lied natürlich gern hören. Also gebe ich es ihnen. Das gehört sich so und das mache ich auch sehr gern. Schließlich bin ich Entertainer und für die Leute da.

WELT: Seit Kurzem gibt es „Dein ist mein ganzes Herz“ auch als Duett mit der Hamburger Sängerin Annett Louisan. Wie kam es dazu?

KUNZE: Mein Management und ich haben nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Ich kenne Annette vom Anfang ihrer Laufbahn an, habe sie 2005 mal mit einer Laudatio in München gelobt. Seitdem sind wir gut miteinander bekannt, treffen uns immer wieder mal beim Fernsehen und anderswo. Vor einigen Zeit haben wir das Duett im ZDF-Fernsehgarten zusammen uraufgeführt, und die Leute sind ausgerastet. Sie haben nach einer Zugabe gerufen, ohne zu realisieren, dass in der Sendung alles Vollplayback ist. Das war sehr schön.

WELT: Sie überlassen Annett Louisan einen großen Teil des Liedes …

Kunze: Ich wollte, dass sie eine richtige Rolle bekommt in dem Lied. Es ist natürlich auch spannend, ein Lied, das als Monolog eines schüchternen Liebhabers gedacht war, auf einmal aus zwei Perspektiven zu erleben, wenn eine Frau sich da einschaltet – und auch was sagt zu dem Thema. Annett hat ja diese sehr weiche, kindliche, naive Stimme, die auch wunderschön passt, wenn sie dann hochgeht und auf mir die Harmonien singt zum Refrain.

WELT: Das Lied besteht aus wenig Strophe und viel Refrain.

Kunze: Ja, völlig untypisch für mich. Da kam vieles zusammen. Einmal war die Musik von Heiner sehr griffig, dann war das Operettenzitat – „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dem „Land des Lächelns“ von Franz Lehár – offenbar eine Augenzwinkerei, die vielen Spaß gemacht hat. Und wir hatten einfach Glück, denn wir erwischten das richtige Zeitfenster. Das war die Zeit, wo Grönemeyer explodierte, wo Klaus Lage explodierte und wo BAB nach vorn ging.

WELT: Heute haben wir eine Deutschpop-Welle mit Max Giesinger und Johannes Oerding, die große Hallen füllen. Das ist musikalisch irgendwie ein anderer Schnack.

Kunze: Textlich auch, aber erst mal denkt man beim Hören „Hm“. Eigentlich habe ich kein Recht, das zu beurteilen, weil ich es zu wenig kenne. Ich höre das nicht extensiv, aber nach dem, was ich mitkriege, erscheint mir das doch sehr harmlos, vorsichtig, freundlich. Das ist Unterhaltungsmusik mit Unterhaltungstexten. Und ich denke manchmal, wo ist der alte Rebell geblieben? Gibt es den nur noch bei den Rappern oder wie? Gibt es das gar nicht mehr in der Rockmusik?

WELT: Was spielen Sie auf der Jubiläumstour? 

Kunze: Auf der Jubiläumstour spielen wir das Herzalbum von Anfang bis Ende, dazu viele alte Liebhabereien von früher. Ich kann den Fans garantieren, dass kein Stück an diesem Abend jünger ist als 22 Jahre.

WELT: Wann kommt das neue Album „Angebot und Nachfrage“?

Kunze: Im September. Wir hoffen natürlich, dass diese Tour die Menschen dafür sensibilisiert. Die Tour zu „Angebot und Nachfrage“ kommt 2026. Jetzt bekommen die Fans erst mal diese doch besondere Jubiläumstour. Wenn man mein Alter erreicht hat, dann muss man das eine oder andere Jubiläum begehen.

WELT: Ist Hamburg ein besonderer Auftrittsort für Sie?

Kunze: Hamburg wird auf meiner Landkarte immer etwas Besonderes bleiben. Die Konzerte gehören immer mit zu den Besten. Egal, wo ich spiele, wobei ich viele Orte durch habe: Große Freiheit, Docks, Laeiszhalle, Sporthalle, den Stadtpark und die Markthalle. Im CCH war ich noch nie.

WELT: Reizt Sie die Elbphilharmonie als Auftrittsort?

Kunze: Auf jeden Fall. Ich bin leider bisher nicht dazu eingeladen worden und habe selbst keinen Termin gefunden, das ist nach wie vor schwierig. Aber das möchte ich schon gerne noch schaffen.

HRK & Verstärkung: 40 Jahre „Dein ist mein ganzes Herz“, CCH 1, 3. Juli, 20 Uhr

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