Zürich, Luzern, Berlin oder Hamburg: Europas Opernhäuser sind in die Jahre gekommen. Doch Sanierungen werden immer teurer. Vielerorts werden deshalb Neubauten favorisiert – zumindest bis sie ein Preisschild bekommen. Warum und wohin die aktuelle Sanierungswelle rollt, erläutert Architekturkritiker Nikolaus Bernau.
SRF: Ist es eine neue Entwicklung, dass derart viele Opern und Theater sanierungsbedürftig sind?
Nikolaus Bernau: Dass sie sanierungsbedürftig sind, ist eigentlich schon lange klar. Vor allem in Deutschland, aber auch andernorts in Europa, beginnen die Sanierungstätigkeit erst jetzt so richtig. Man kann die Häuser teilweise überhaupt nicht mehr benutzen.
Weshalb ist das so?
Die nach dem Krieg errichteten Opern und Theater sind in die Jahre gekommen und oft über Jahrzehnte nicht saniert worden. Die kaiserzeitlichen Bauten bedürfen meist besonders viel Pflege.
Es dreht sich immer um hunderte von Millionen.
Haben sich die Anforderungen an Oper und Theatergebäude verändert?
Extrem. Das ist sicherlich einer von vielen Gründe, warum jetzt diese Sanierungswelle rollt. Das hat viel mit der Veränderung der Regiepraxis seit den 1960er-Jahren zu tun: Die Kastenbühne ist aufgelöst worden und man versucht, viel näher am Publikum zu sein. Eine vollkommen neue Theatertechnik muss eingebaut werden.
Abriss und Neubau oder Sanierung – wohin geht die Tendenz?
Abriss geht eigentlich nicht mehr. Aus ökologischen Gründen, aber auch, weil viele dieser Häuser ein Teil unseres gebauten Gedächtnisses geworden sind. Viele stehen unter Denkmalschutz. Da muss man mit dem Gebäude arbeiten, das vorhanden ist – deswegen finden meistens Sanierungsprojekte statt.
Hauptproblem ist sicher das Geld. Gibt es andere schwierige Punkte?
Das zentrale Problem ist immer wieder die Durchsetzung solcher Projekte, weil sie vor allem einer Elitenkultur dienen. Und: die Kommunen und Länderregierungen müssen jetzt sehr viel Geld in die Hand nehmen.
Wenn Opern und Theater zu teuer werden, werden sie auch irgendwann mal geschlossen.
Es dreht sich immer um hunderte von Millionen. Und das muss man einer Bevölkerung gegenüber rechtfertigen.
Bei der Staatsoper in Hamburg will die Stiftung des Unternehmers Klaus Michael Kühne Millionen von Euro für einen Neubau zur Verfügung stellen. Ist eine solche Partnerschaft ein möglicher Weg?
Es gibt ganz erfolgreiche Beispiele dafür. Sie stehen aber nicht in Europa, sondern in Amerika. Dort gibt es aber ein vollkommen anderes Stiftungs- und Finanzierungsgesetz. Insofern ist es eine hochgradig riskante Investition, die der Hamburger Senat gerade plant. Weil man sich in die Abhängigkeit eines solchen privaten Investors begibt. Und man muss die alte Hamburger Oper ja auch noch sanieren, denn abreissen kann man nicht.
Wenn das Geld schliesslich fehlen sollte, droht dann im Extremfall gar die Schliessung von Häusern?
Ganz klar: Die Kosten sind erheblich. Und wie gesagt, sie müssen auch immer gerechtfertigt werden. Das heisst im Zweifelsfall: Wenn Opern und Theater zu teuer werden, werden sie auch irgendwann mal geschlossen – das hatten wir in der ehemaligen DDR nach 1990 in praktisch jeder mittleren Stadt.
Das Gespräch führte Raphael Zehnder.
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