Bei der Lektüre eines Auktionskatalogs im vergangenen Jahr muss den Kuratoren des Rijksmuseums in Amsterdam eines schnell aufgegangen sein: In dem Los mit der Nummer 2351 steckt mehr drin! Der Versteigerer beschrieb das bald von dem Museum ersteigerte Objekt folgendermaßen: „Aus tierischem Darm hergestellt, Länge 20 cm, Frankreich, um 1830, mit einer lithografierten erotischen Szene, die eine Nonne darstellt, die zwischen drei Geistlichen eine Wahl trifft.“
Tatsächlich ist die Darstellung expliziter. Wir sehen auf dem relativ guten Druck auf der Haut eines Schafblinddarms eine Ordensschwester im Sessel sitzen, ihr Habit lüften und die Beine spreizen. Neben ihr sehen wir drei Geistliche, die ihr Ornat ebenfalls öffnen und sich entblößen, um ihre Erektionen zur Schau zu stellen. Die Nonne streckt ihren Finger aus und zeigt auf einen der Kleriker – es ist nicht genau auszumachen, auf wen und sagt: „Voilà, mon choix“ (Sieh, dies ist meine Wahl).
Es ist sozusagen die Verballhornung des Paris-Urteils auf einem Pariser. In der griechischen Mythologie war es ein junger Prinz, der entscheiden sollte, wer unter den drei Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite die schönste sei. Eine diplomatisch heikle Kiste!
Kritik am Zölibat oder delikate Bordellszene?
Hier ist die Geschichte ins Obszöne gewendet. Man kann sie als Kritik am Zölibat verstehen, dem Gebot der katholischen Kirche zur sexuellen Enthaltsamkeit. Wahrscheinlicher erscheint, dass hier eine Bordellszene dargestellt ist, ein Rollenspiel in Verkleidungen.
Solche Kondome gab es in den Rotlichtvierteln übrigens zu kaufen und sie kursierten als Souvenir. Ähnlich verziert sind aber nur zwei weitere Exemplare bekannt. Ungeklärt dürfte nur die Frage nach dem Rezipienten sein: Wer hat sich ursprünglich das delikate Bild in aller Pracht anschauen dürfen?
Seit einigen Wochen hat das auf einem diskreten Ständer montierte Kondom ein großes Publikum. Es wird in einer Ausstellung zu Sexualität und Prostitution im Kupferstichkabinett präsentiert, denn es sei ein kunstvolles Beispiel für „die spielerische und die ernste Seite von sexueller Gesundheit“. Bis zur Erfindung der Gummivulkanisierung im Jahr 1839 und der Herstellung von Latexkondomen mussten Tierdärme zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten herhalten und ungewollte Schwangerschaften verhindern. Deshalb aber regt sich jetzt Widerstand.
Antikatholische Propaganda?
Eine Gruppe ultrakonservativer Aktivisten der Stiftung Civitas Christiana hält die Ausstellung des Präservativs für eine „groteske Beleidigung Gottes, der katholischen Kirche und der gesamten niederländischen Nation“ und fordert dessen Entfernung. Ein kleiner Trupp ihrer Jugendorganisation TFP Student Action Euro demonstrierte vor dem Museum und verteilte Flugblätter. Sie behaupten, das Kondom aus dem Jahr 1830 sei ein antikatholisches Propagandawerkzeug.
„Zu dieser Zeit hatte die Kirche gerade 40 Jahre intensiver Verfolgung infolge der Französischen Revolution hinter sich gebracht.“ Das Kondom sei Teil einer „Kampagne zur Zerstörung der Kirche, bei der Hunderttausende von Katholiken gewaltsam ermordet wurden“, so TFP in einem Appell an den Direktor des Rijksmuseums Taco Dibbits, und „überschreitet in mehrfacher Hinsicht die moralischen und geistigen Grenzen“.
Unterstützt werden die aufgebrachten Christen von dem Onlinemagazin „De Dagelijkse Standaard“. „Warum ist es offenbar mutig, sich über das Christentum lustig zu machen, aber völlig undenkbar, etwa eine Karikatur von Mohammed im selben Raum aufzuhängen?“ Für das islamfeindliche Webportal ist die Antwort klar: „Die einzige Erklärung ist Feigheit. Und eine kulturelle Elite, die alles Westliche, Christliche und Traditionelle lächerlich machen oder zerstören will.“
Im Gegensatz zu den peinlich berührten Kritikern der Ausstellung würde sich Mohammed an dem Kondom wohl gar nicht stoßen. Zur Empfängnisverhütung erlaubt der Islam die Nutzung von Verhütungsmitteln, erst recht wenn gesundheitliche Gründe vorliegen. Nur nicht beim außerehelichen Verkehr, der ist für Glaubens-strenge Muslime wie Christen gleichermaßen keine Option.
Das Rijksmuseum mit seinem reichen Bestand eindeutiger Kunst aus dem Barock der südlichen wie der eher verklausulierten Erotik der nördlichen Niederlande bleibt bei aller Erregung entspannt. Bis November 2025 will es mit dem Kondom auch zeigen, dass Sex(ualaufklärung) Spaß machen kann.
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