Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Die ersten Sequenzen der ersten "Squid Game"-Staffel, der Kindheit unschuldiger Spiele in monochromatischem Schwarz-Weiß, allein das schon ungewöhnlicher als das meiste, was anno 2021 sonst so über die pandemisch dauergestressten Screens flimmerte. Mehr als 265.000.000 Mal wurde die Auftaktsaison gestreamt, bis dato die erfolgreichste Netflix-Serie überhaupt. Von Autor und Filmregisseur Hwang Dong-hyuk ersonnen, erwies sich "Squid Game" als eine Art tödliche Version von "Spiele ohne Grenzen", wie "Takeshi’s Castle" auf Crack – so simpel wie komplex, Wegschauen unmöglich – bis zum bitteren, blutigen Ende.
Dabei hätte es eigentlich bleiben können. Oder sollte man sagen: bleiben sollen? Nichts überdauert die Zeit wohl faszinierender als ein makelloses, in sich geschlossenes Kunstwerk. Die Mona Lisa in einem anderen Kleid? Auf keinen Fall. Die Sphinx in Pink? Bitte nicht. "Never mind the Bollocks" unplugged? No, for fuck's sake! Doch die Streaming-Uhren ticken natürlich anders und so manifestierte sich dieses zweigeteilte Sequel als logische Konsequenz. Die siebenteilige Staffel 2 startete im Dezember 2024, mit den sechs Folgen dieser dritten Staffel heißt es nun: Squid Game over. Wirklich?

Squid Game Lasset die Spiele (wieder) beginnen
In "Squid Game" ist Druck auf dem Kessel
Fünf Folgen hatte Netflix als Preview zur Verfügung gestellt, schon das umfangreiche Infoschreiben zeugte von jener Gravitas, vulgo: Druck auf dem Kessel, der diese mit Spannung erwartete Fortsetzung begleitete. Wie mit unsichtbarer Tinte waren etwa die Spoiler-Fußangeln gedruckt, die es als Journalist weiträumig zu umfahren galt. Natürlich soll an dieser Stelle niemandem der Spaß verdorben werden, eine erste Einschätzung des Gesehenen ist natürlich dennoch angesagt.
Wenig überraschend ist die Tatsache, dass der Mann mit der Nummer 456 auf der grünen Trainingsjacke auch weiterhin im Fokus steht. Im ersten Durchlauf hatte Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) das Preisgeld eingesackt. Bei seinem zweiten Start nun will er den Hintermännern auf die Spur kommen und findet sich flugs im Strudel der wahnwitzigen Ereignisse wieder, Stichwort "neue" Kinderspiele von Verstecken bis Springseil, allesamt konzipiert, um die Reihen der Kombattanten zu lichten.
Darüber hinaus jedoch gibt es jene Erzählstränge, die schon die erste Hälfte dieser Staffel latent verwässerten. Die Rahmenhandlung um das Fischerboot mit Hwang Jun-ho (Wi Ha-Joon) an Bord, der ebenfalls den Machern des tödlichen Spiels auf die Spur kommen will, wirkt lange Zeit wie künstlich angeschraubt. Auch die maskierten Snobs, die hoch oben in der Bel Étage bei Häppchen und Drinks das Spiel verfolgen, nerven mehr als dass sie unterhalten. Wenn "Squid Game" das Topspiel ist, dann sind diese Knallchargen das Halbzeit-Interview am Spielfeldrand – Pausenfüller jenseits von Schauwert oder Erhellung.

Netflix-Hit "Squid Game 2"-Trailer zeigt Held aus erster Staffel
"Vertraue niemandem"
Doch wie beim Fußball gilt auch hier: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Im Spiel, im Kampf auf Biegen und Brechen, im Ringen um Leben und Tod. Und wann immer es sich um das Kerngeschäft dreht, um die wahnwitzige Competition in luftiger Höhe, durch verschachtelte Gänge, vor verschlossenen Türen, im Angesicht des Todes, ist es das legendäre "Akte X"-Credo, das auch hier unbarmherzig zupackt: Trust no one. Vertraue niemandem. Ein Vorteil zudem, dass die unter den Spielen angerissenen Plot-Stränge über jene Zutat verfügen, die dem Geschehen außerhalb vom Todeszirkus in weiten Teilen abgeht – das Überraschungsmoment als solches. Wie schon zuvor, entwickelt das Spiel selbst erneut eine Anziehungskraft, eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.
Längst findet "Squid Game" jedoch, auch das ist Teil der Wahrheit, in einem ungleich größeren Universum statt. Der Novelty-Effekt, das nie zuvor Dagewesene, das Aha-Momentum, wenn man so will – all das gibt es längst nicht mehr. Wer auf dem Hamburger Dom beim Dosenwerfen versagt, bekommt einen Schlüsselanhänger mit "Squid Game"-Figürchen als Trostpreis. Bei KFC backt man heuer "koreanisch inspirierte" Burger Buns, "ein mutiger Schritt, Geschmack, Design und Storytelling zu verbinden", so Katharina Zietz, Senior Brand & Communications Managerin bei KFC Deutschland. "Squid Game" im Fritten-Game. Na Mahlzeit!
Damit wäre man mit dieser anfangs so umwerfend einzigartigen Serie, um auf das Singuläre der Kunst zurückzukommen, bei einem Zeitgenossen wie Banksy angelangt. Beim ersten Mal erstaunt, beim zweiten Mal amüsiert, als Postkarte im Souvenirshop nur noch ein Motiv von vielen, von Nachahmern ganz zu schweigen. Apropos: In den Staaten, so heißt es, werkelt "Sieben"-Regisseur David Fincher an einer US-Adaption von "Squid Game". Ob die wirklich nötig ist? Wir werden es sehen. Bei Burger King oder McDonald’s brät man womöglich schon den Burger dazu.
Die dritte Staffel von "Squid Game" – ab 27. Juni auf Netflix.
- Squid
- Netflix
- Streaming
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke