Sie sei überzeugt, dass die Wechseljahre eine «fantastische Zeit des Aufbruchs» einläuten, und zwar nicht nur auf persönlicher Ebene, sagt Stefanie de Velasco. In der Glut von Frauen in den Wechseljahren verberge sich eine gesellschaftliche und politische Chance.

Zunächst beschreibt die deutsche Autorin und Schauspielerin in ihrem Essay, wie sie mit Mitte 40 über die ersten Anzeichen erschrickt: Auf einmal ist da Flaum über der Oberlippe, weisse Haare ragen vom Kopf, der Schlaf bleibt nächtelang aus, die Nerven versagen aus nichtigen Anlässen. Auch bei ihrem Partner muss sie sich öfter mal entschuldigen, weil sie grundlos Streit vom Zaun bricht. Wo verbirgt sich da die erwähnte «gesellschaftliche und politische Chance»?
Eine kulturelle Leerstelle
Es ist ein weiter Weg, bis Stefanie de Velasco, nach ihrem anfänglichen Schrecken, bei einer «Liebeserklärung an die Wechseljahre» landet.
Dieser Weg führt von der persönlichen Erkundung zur Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Frauen in dieser Phase, auch in der Kultur. Und da stösst die Autorin auf eine klaffende Leerstelle. Für viele wichtige Übergänge im Leben wie Pubertät, Heirat oder Mutterschaft gibt es Rituale. Nicht aber für die Wechseljahre.
Postmenopausale Superheldin
Wie ist es möglich, dass die Adoleszenz von popkulturellen Referenzen umgeben ist, während es kein Äquivalent für die fundamentalen Veränderungsprozesse bei Frauen in der Lebensmitte gibt? Die Autorin stellt fest: Wenn Frauen in den Wechseljahren in Literatur oder Film überhaupt vorkommen, dann ist ihre Darstellung meist negativ oder eine Vorlage für Satire.
De Velasco wünscht sich ein eigenes «Coming-of-Age»-Genre für die Wechseljahre. Da es in der Kultur an positiven Identifikationsfiguren mangelt, erfindet sie kurzerhand selbst eine: «Arruga», spanisch für Falte, so nennt sie ihre kraftvolle, postmenopausale Superheldin, die ihr als Leitstern für ihren Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt dient. Ein Kapitel, das weniger auf Gefälligkeit ausgerichtet sein soll.
Widerborstigkeit – und Glanz
Mit dem Titel «Heiss» spielt die Autorin nicht einfach auf Hitzewallungen an, sie meint damit ein Glühen anderer Art: Den Mut zum Neinsagen, zur Widerborstigkeit, zum Einstehen für eigene Bedürfnisse.

Bei aller Euphorie der Autorin: Muss frau die Wechseljahre jetzt unbedingt auch noch gut finden? Und hilft es wirklich, Parallelen zu Orca-Walen zu ziehen, bei denen Weibchen nach der Menopause eine führende Stellung in der Gruppe innehaben?
Solche Fragen, die sich beim Lesen stellen, greift de Velasco glücklicherweise selbst auf. Sie legt sie in ihrem Buch einer Freundin in den Mund, mit der sie sich über ihre Erfahrungen austauscht. Und die holt sie bei ihren Versuchen, die Wechseljahre als Superkraft umzudeuten, wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. So toll sind Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen nun mal nicht, wenn frau sich neben der Arbeit noch um Teenager und betagte Eltern kümmern muss.
Selbstironie und Humor kommen in Stefanie de Velascos Essay zu ihrem Recht, ohne ihr Anliegen zu schwächen. Lesenswert ist ihr Buch auf jeden Fall – als persönlicher Erfahrungsbericht und als gesellschaftliche Reflexion. Nicht nur für Frauen in der Lebensmitte.
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