„Schon heftiger Flex“, ruft der Mann mit der windschnittigen Frisur und dem tätowierten Unterarm, als er durch den Garten seiner neuen Villa in Südafrika läuft. „Ist jetzt nicht 900 Euro kalt Berlin. Schmeckt!“, ruft er und entblößt lachend seine weißen Zähne.
Felix, der von sich selbst sagt, er sei lustig, höflich und authentisch, hat mir etwas voraus. Darunter auch, dass er in der wohl bekanntesten Kuppelshow im deutschen Fernsehen mitmachen darf. Felix ist nämlich einer der beiden neuen Bachelors in der gleichnamigen Reality-Show – bei RTL läuft gerade die mittlerweile 14. Staffel an. Zum ersten Mal wurde 2003 gedatet, seit 2012 findet das Real-Life-Swipen jedes Jahr statt, immer im Halbjahreswechsel mit der „Bachelorette“.
Ich wollte das auch: Reality-TV-Star werden. Nicht als Bachelor – dafür ist mein Körper zu lauchig und meine Gabe, mehrgleisig zu fahren, nicht ausgeprägt genug –aber immerhin als einer von 20 Kandidaten bei der „Bachelorette“.
In meiner Vorstellung lustwandelte ich genau wie Felix mit einem gesunden Teint und einem strahlenden Lächeln durch irgendeinen Garten in einem weit entfernten Land. Tagsüber auf Gruppen-Dates Elefanten mit Wasser abspritzen, abends Aperitifs im Atrium einer mediterranen Villa und Sätze sagen wie „Ich bin ein Familienmensch“ oder „Sport mit meinem Partner zu machen, ist mir schon wichtig“. Das war jedenfalls der grobe Plan, als ich online das Bewerberformular ausfüllte und wenige Wochen danach in den Zug zum Casting nach Köln stieg.
„Wenn ich schwitze, gefällt mir die Frau“
Felix in seiner Bachelor-Villa in Südafrika ist derweil nicht allein. Seit letztem Jahr gehen bei RTL nämlich gleich zwei Männer parallel auf Brautschau. Diversifikation nennt man das. Jeder, der schon mal auf Tinder oder Bumble unterwegs war, weiß: Was für das eigene Aktiendepot gilt, gilt auch fürs Dating. Und auch RTL wollte sich offenbar nicht mehr auf das Liebes-Karussell von nur einem Bachelor verlassen.
Martin, der zweite Mann, hat ein markantes Kinn, eine säuselnde Podcast-Stimme – und genau wie Felix einen volltätowierten Unterarm. „Ich bin sehr sportbegeistert“, sagt Martin und zählt auf, dass er schon Tennis, Leichtathletik, Fußball, Kampfsport, Windsurfen, Rennrad und Padel-Tennis betrieben hat.
Meine Reality-Karriere beginnt damit, dass man mir mein Handy abnimmt und sagt, dass hier alles „top secret“ sei. Dann folge ich einer Frau mit Headset durch einen Innenhof in ein unscheinbares Gebäude im Gewerbegebiet von Köln-Ehrenfeld, das von außen aussieht wie eine alte Fleischerei. Passt ja, denke ich, früher Rinder, heute Reality-Stars. Drinnen achtet man tunlichst darauf, dass ich keinen der anderen Kandidaten zu Gesicht bekomme, die an diesem Tag gecastet werden. In einem kleinen Raum fülle ich einen Bogen mit meinen Personalien aus, gebe meine Social-Media-Profile an und blättere mich dann durch einen Casting-Vertrag, in dem ich sämtliche Rechte an den Foto- und Filmaufnahmen während des Castings abtrete. Auf der letzten Seite kritzele ich meine Unterschrift auf den Strich. Für seine Träume muss man Opfer bringen.
Bevor Martin zu Felix in die Kapstadt-Villa mit dem Flexx-Garten ziehen darf, muss er zuerst noch beim Speed-Dating in Köln nervige Kennenlern-Gespräche führen und entscheiden, wen er überhaupt mit nach Südafrika nimmt. Felix trifft seine potenziellen zukünftigen Ex-Freundinnen derweil bei einem Foto-Shooting in einem Loft über den Dächern Kapstadts zum ersten Mal. „Wenn ich schwitze, gefällt mir die Frau“, sagt er, als er gerade Kandidatin Isabelle vor sich hat. Felix schwitzt viel an diesem Tag. Weil der 32-jährige Berliner von Beruf Fotograf ist, schießt er in dem Loft eine nach der anderen ab – vorerst nur mit der Spiegelreflex, versteht sich. Die Kandidatinnen wissen dabei noch gar nicht, dass es sich bei ihrem Fotografen um den Bachelor handelt. Raffiniert.
Mich hat man damals auf einen Stuhl in einen fensterlosen Raum gesetzt. Um mich herum sind in einem Halbkreis sechs Produzenten mit Kuli und Klemmbrett platziert. Außerdem sind drei Kameras auf mich gerichtet, eine frontal und die anderen beiden beidseitig im Fünfundvierzig-Grad-Winkel. Mit ihren schwarzen Fischaugen starren sie mich an. Ich solle mal ein wenig über mich erzählen, sagt man mir, und ich beginne, meinen Lebenslauf abzuspulen, und teile mit, dass ich viel lese und nenne meine Elo-Zahl im Online-Schach.
„Was sind denn so deine sexuellen Vorlieben?“, unterbricht mich einer der Produzenten. Ich kratze mich im Genick und lüge, dass ich regelmäßig in einen bekannten sexpositiven Club gehe. „Würdest du auch Sex vor einer Kamera haben?“ Ich lächele verschmitzt und antworte, dass ich nichts ausschließen würde, wenn die Situation es hergebe. Die Produzenten klicken mit ihren Kulis und notieren sich etwas auf ihren Klemmbrettern.
„Wow“, sagt Martin. „Was geht?!“, ruft Felix. Martin geht mit seinem Rollkoffer vom Eingangsbereich rüber zu Felix, der hinter einem freistehenden Küchen-Tresen steht. In einer Schale sind Karotten und Auberginen drapiert. Die beiden begrüßen sich mit einem Handshake, wie es Sportler eben tun. Es ist das erste Aufeinandertreffen der beiden Bachelor. „Wir teilen uns das jetzt ein bisschen“, meint Felix mit verschränkten Armen, und Martin, die Hände an die Hüften gelegt, zieht den Kiefer zu einem breiten Lachen auseinander.
„Ich will nirgendwo reingrätschen …“
Nach dem Intim-Verhör werde ich in einen winzigen Umkleideraum geschickt. Aus der Tasche krame ich den neuen Peek & Cloppenburg-Anzug und ein ungebügeltes H&M-Hemd, ziehe beides über und schmiere mir noch mal Wachs in die Haare. Im Spiegel blicke ich in mein Gesicht, das irgendwie aufgedunsen und ausgemergelt zugleich aussieht. Dann trete ich im „Nacht der Rosen“-Outfit aus der Umkleide. In einem großen Loft, das zu einer Restaurant-Kulisse für eine andere Dating-Show umgestaltet ist, fordert man mich auf, mehrfach wie auf einem Laufsteg auf und ab zu gehen. Ich zupfe mein Sakko zurecht und gehe mit betont hüftvollem Gang und leerem Blick zwischen eingedeckten Tischen und gefalteten Servietten auf und ab. Objektive aus allen Richtungen erfassen mich, Blitzlichter blenden auf, Kamerablenden klicken. Mein Magen knurrt.
In der Bachelor-Villa will die Party dagegen nicht so richtig in Schwung kommen. Hüftsteif tanzt Felix – oder ist es doch Martin, ach egal – mit einer der Frauen vor der Kamera rum. Zwischendurch beginnen die Frauen, sich in kleinen Gruppen zu ersten Läster-Regimentern zu formieren. „Hier sind so viele Girly-Girls, verstehst du, was ich meine?“ Oder: „Krass, dass so viele alte Frauen noch Single sind.“
„Tanz mal“, sagt der Produktions-Assistent und blickt mich dabei durch den Sucher seiner Kamera an. Mit seinem Kiefer malmt er auf einem Kaugummi rum. Ich stehe oberkörperfrei und nur in Badehose bekleidet vor einer Backsteinwand. Neben mir steht ein gedeckter Tisch mit gefalteten Servietten. Das grelle Licht der Scheinwerfer blendet mich. Ich schwitze, mindestens so sehr wie Felix in Kapstadt. „Fang mal an zu tanzen“, sagt der Typ hinter der Kamera noch mal. Im selben Moment setzt RnB-Musik ein. Ich kratze mich am Oberarm und fange an, ungelenk meine Hüften zu bewegen. „Mehr! Das ist ne Pool-Party hier“, ruft er, und ich hieve meinen Brustkorb hin und her und meine Arme taumeln dabei irgendwo in der Luft herum. Der Produktions-Assistent hebt den Daumen.
In den Einzelgesprächen im Garten scheut sich Felix nicht, auch mit Vivienne zu reden, die eigentlich von Martin nach Südafrika eingeladen wurde. „Ich will nicht irgendwo reingrätschen, aber … vielleicht auch schon“, sagt Felix, und auch Viviane verkündet: „Beide sind sehr interessant.“ Der Beginn eines dramatischen Liebes-Dreiecks?
Ehrenlos in Ehrenfeld
„Und jetzt mal so einen Handkuss in die Kamera machen“, ruft der Kameramann mir zu. Ich führe die rechte Hand zum Mund, berühre mit den Fingerspitzen die Lippen, öffne sie darauf in Richtung Kamera und puste ihr über die Handfläche den imaginären Kuss zu. „Geil, ja, noch mal“, ruft es von vorn. Ich wiederhole die Geste, bin jetzt im Flow, es läuft, FloRida ruft „low, low, low“ und ich gehe passend dazu in die Knie und mache noch mal diese Kuss-Geste und zwinkere dazu sogar noch. Ehrenlos in Ehrenfeld. Ob es ausreicht für meine Poolparty-Kredibilität?
Ein paar Tage nach dem Casting sitze ich mit einem Buch im Kaffeehaus, als das Handy vibriert. Mit gepresster Freundlichkeit bedankt sich die Frau von der Produktionsfirma noch mal für meine Teilnahme am Casting. Dann kommt die Absage. Man habe sich, erklärt sie mir, mein Instagram-Profil ganz genau angeschaut, das ich in dem Formularbogen angegeben hatte. Dort habe man gesehen, dass ich vor längerer Zeit mal ein Foto von einem Buch von Ernst Jünger gepostet habe. „Das ist ja schon ein recht problematischer Autor“, sagt die junge Frau und zitiert einzelne Passagen aus Jüngers Wikipedia-Eintrag. „Mmh“, entgegne ich und fahre mir mit der Hand über die schwitzende Stirn. Jedenfalls wolle man, so die Frau hörbar pikiert, kein Risiko eingehen, „auch zu meinem eigenen Schutz, verstehst du?“ Dann legt sie auf.
„Zu rechts für die Bachelorette, ja ist das denn möglich?“, denke ich bestürzt mit der Hand an der Wange, trinke den Espresso aus und klappe die „Stahlgewitter“ auf dem Tisch vor mir zu. Dann melde ich mich beim Padel-Tennis an und buche einen Termin beim Tätowierer. Der Traum lebt weiter.
„Die Bachelors“ laufen ab dem 18. Juni auf RTL.
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