Sieben Künstlerinnen, zwei zu Pferde, posieren in Cowboy-Outfits: Ingeborg Lüscher (geboren 1936), Xenia Hauser (1951), Valérie Favre (1959), Liliane Tomasko (1967), Sandra Vásquez de la Horra (1967), Cristina Lucas (1973) und Simone Haack (1978). Die aus drei Aufnahmen zusammengesetzte Fotografie leiht sich den Titel von John Sturges Westernepos „Die glorreichen Sieben“ aus dem Jahr 1960. Die damals quasi idealtypische Männlichkeit avanciert hier allerdings zur reinen Frauensache.
„Les Sept Mercenaires+“ heißt auch die Ausstellung in der Pariser Dependance der Bastian Gallery, die vor zwei Wochen eröffnet hat. Dort hängt das Foto (19.000 Euro, Auflage drei Exemplare) nun im Entrée. Aufgenommen wurde es von der 1941 in Österreich geborenen Fotografin Elfie Semotan – dem Plus der Sieben – in der Berliner Galerie von Aeneas Bastian. Zwischenzeitlich betrieb der Kunsthändler in zweiter Generation auch eine Niederlassung in London, aber nach dem Brexit-bedingten Rückzug war Paris die logische Konsequenz, sagt der Galerist im Gespräch: „Es ist für mich auch in gewisser Weise ein Aufbruch in die Gegenwart.“
Der Schritt sei das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit den Künstlerinnen der Moderne und Gegenwart. Er habe sich eingestehen müssen, dass sein Blick auf die zeitgenössische Kunst immer sehr fokussiert auf männliche Künstler war. „Ich denke, es ist ein Lernprozess, nun einen anderen Blickwinkel einzunehmen“, so Bastian, dessen Galerie bisher vor allem für deutsche und amerikanische Nachkriegsmoderne bekannt ist. Jetzt leite er eine „Phase des Wachsens“ ein.
Korrektur der Kunstwelt
Angesichts der andauernden Krisen und geopolitischen Unsicherheitsfaktoren, der sinkenden Verkäufe und Auktionserlöse im Kunstmarkt, den Standortschließungen und dem Personalabbau im Kunsthandel, ist Expansion zurzeit als ein Wagnis zu sehen. Zeitgenössische weibliche Positionen haben dagegen Aufwind, ebenso wie jene Künstlerinnen, die bisher nicht die ihnen eigentlich gebührende Aufmerksamkeit erfahren haben. Museen und Sammlungen holen in ihrer Ankaufspolitik zumindest langsam nach. Die Künstlerinnen der Pariser Schau werden in Summe während der kommenden 18 Monate in rund 40 musealen Ausstellungen weltweit zu sehen sein.
Zunächst wird es eine Korrektur der übermäßig von Männern dominierten Kunstwelt geben, davon ist Aeneas Bastian überzeugt. „Um eine Balance und eine gewisse Natürlichkeit zu finden, bedarf es jetzt zunächst eines ersten Schrittes: einige Künstlerinnen deutlich in den Fokus zu nehmen.“ Für seine Galerie bedeutet das auch eine deutliche Aufstockung des bis dato überschaubaren zeitgenössischen Programms. Das zeigt sich beim Rundgang durch die Ausstellung in der neuen Filiale im Marais-Viertel.
Durch die verglasten Flügeltüren des historischen Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert sieht man bereits ein großformatiges Gemälde der Wiener Malerin Xenia Hausner, „River of Doubt“ von 2024. Blickfang im Erdgeschoss ist zudem ein Schlüsselwerk von Ingeborg Lüscher aus der in den 1990er-Jahren entstandenen Serie „Visionen aus Pech und Schwefel“. Entgegen des an höllische Abgründe denken lassenden Titels symbolisieren das tiefe Schwarz und das grelle Gelb für die schweizerische Künstlerin „das Leben“ an sich.
Die Bastian Gallery verwaltet einen beachtlichen Teil von Lüschers Werk als „Vorlass“, wie der Kurator der Ausstellung Sebastian C. Strenger erklärt, ein anderer Teil sei an der Uni Bochum, wo man sich um die kunsthistorische Forschung kümmert. Ein Triptychon der „Pech-und-Schwefel“-Reihe sei für 140.000 Euro angesetzt. „Unter der Auflage, das Werk muss an ein bedeutendes öffentliches Museum oder eine nicht minder bedeutende Privatsammlung gehen“, so Strenger. Das nahe gelegene Centre culturel suisse wird Lüscher bald eine Retrospektive widmen.
Aus chemischen Elementen, die den menschlichen Körper ausmachen, komponiert die spanische Künstlerin Cristina Lucas Bilder, oder besser gesagt „lebende“ und wegen des Phosphors im Dunkeln leuchtende Landschaften – die chemischen Reaktionen sind keinesfalls abgeschlossen („Quand des montagnes dansent“, 28.000 Euro). Die Künstlerin begann zunächst Chemie und Geschichte zu studieren, ehe sie zur Kunst wechselte. Konflikte, Kriege, Rohstoffe, Handelsrouten, das kapitalistische System und patriarchalische Strukturen, die sie schon einmal mit dem Vorschlaghammer zerschlug, spielen in ihrem Werk eine zentrale Rolle. Wie Lüscher und Lucas zeigt auch Valérie Favre großformatige Bilder (etwa „Columbia“, 2009).
Am Abgang zu den Gewölben des Untergeschosses stellt Simone Haack, die Berliner Wegbereiterin eines „neuen magischen Realismus“ erstmals Fotografien in einer Lightbox aus (um 20.000 Euro), aber auch die für sie typischen altmeisterlich gemalten Bilder von Haarstrukturen, Wurzeln, Wegen und Lichtungen. Wie die Künstlerin sagt, „sind es Welten, die sie, seit sie ein pubertierendes Mädchen war, in ihren Träumen erlebt, und die sie bis heute in ihrer Malerei prägen“. Bereits am Eröffnungsabend seien ihre Werke laut der Galerie stark nachgefragt worden. Das anhaltende Kaufinteresse mag auch daran liegen, dass sie als einzige deutsche Künstlerin zur „100 Jahre Surrealismus“-Schau im Centre Pompidou eingeladen war.
„Nicht nur Zerstreuung“
Auch die Fotografien von Elfie Semotan, die neben ihrem verstorbenen Ehemann Martin Kippenberger, die Autorin Elfriede Jelinek oder die Bildhauerin Louise Bourgeois zeigen, seien vom Pariser Publikum sehr gut angenommen worden (Preise zwischen 5000 und 20.000 Euro). Markenzeichen der chilenischen Künstlerin Sandra Vásquez de la Horra sind mit Wachs überzogene Leporello-Faltbilder weiblicher, indigener und spiritueller Darstellungen. Bastian stellt nun eine Reihe kleiner Gemälde mit Vulkanlandschaften aus. Das Centre Pompidou besitzt bereits mehr als hundert ihrer Arbeiten und hat Vásquez de la Horra schon mehrfach ausgestellt. Ende des Jahres folgt eine Schau im Haus der Kunst in München.
Die Bastian Gallery vertritt mit den Neuzugängen mittlerweile 15 bis 20 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler an zwei Standorten. Hinzu kommen Nachlässe der Moderne und Nachkriegsmoderne. „Wir möchten niemanden mit der Kunst nur unterhalten oder Zerstreuung geben“, merkt der Galerist an. Kunst dürfe nicht Teil einer „oberflächlichen Eventkultur“ werden, sondern solle die „ernsthaft Interessierten und die wirklich Kunstbegeisterten, Sammler und auch Institutionen ansprechen“. Die Landung in Paris sei jedenfalls schon jetzt ein Erfolg. Und der messe sich laut Bastian „nicht nur daran, ob man alle Werke einer Ausstellung verkaufe“. Er und sein Pariser Galeriedirektor Santiago Rumney-Guggenheim verfolgen „eine konservative Sicht“ und eine langfristige Entwicklung. Das gelte für die Galerie als Ort, die Künstlerinnen und die Kunst.
„Les Sept Mercenaires+“, bis 22. Juni 2025, Bastian Gallery, Paris
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