San Francisco, 1980. Rebecca Solnit ist vor kurzem in die Grossstadt gezogen. In den kommenden Jahren wird sie in den zahlreichen Cafés der Innenstadt sitzen und Bücher lesen, sich mit den Menschen vor Ort austauschen und bald auch ihre ersten eigenen Werke veröffentlichen.

In ihrer Wahlheimat wurde 1892 die erste Naturschutzorganisation der Welt, der «Sierra Club» gegründet. San Francisco war lange ein «Zufluchtsort für Radikale und Dissidenten», wie die Essayistin selbst sagt.
Führende Intellektuelle der USA
Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Die Techies des nahe gelegenen Silicon Valley treiben die Mieten im Stadtzentrum in die Höhe. In den Cafés, sofern es sie noch gibt, sitzen Menschen vor Laptops. Solnit erkennt ihre eigene Stadt nicht wieder.
Den Wandel dieser Café-Kultur beschreibt sie in ihrem Essay «In the Shadow of Silicon Valley» (2024). Es sind solche Beobachtungen, festgehalten in packenden Artikeln, die Rebecca Solnit zu einer der führenden Intellektuellen der USA gemacht haben.
Solnits Terrain ist die Frage nach gesellschaftlichen Veränderungen. Die Schriftstellerin vergleicht gesellschaftliche Veränderungen mit einem Pilz im Wald: Auf den ersten Blick scheint er einfach aus dem Boden zu spriessen. Unsichtbar bleibt das netzwerkartige Geflecht im Untergrund, das über Jahrzehnte heranwuchs und den Organismus hervorgebracht hat.
Der Aufbau von Organisationen und Netzwerken legt den Grundstein für das, was kommen mag.
Was es für Veränderungen braucht, ist ein starkes Fundament, das durch das Engagement Einzelner wächst. «Der Blick in die Geschichte zeigt: Tägliche Proteste, die Praxis des Widerstands, der Aufbau von Organisationen und Netzwerken legen den Grundstein legen für das, was kommen mag», so Solnit.
Als Beispiel nennt sie «Black Lives Matter». Die soziale Bewegung gibt es seit 2013. 2020 ermordete der weisse Polizist Derek Chauvin den Afroamerikaner George Floyd, woraufhin Millionen Menschen auf die Strasse gingen. Hätte die Protestbewegung nicht schon existiert, wäre es wohl nie zu einem Aufschrei in diesem Ausmass gekommen.
Veränderung nimmt Umwege
Eben weil sozialer Wandel nicht von heute auf morgen passiert, lohne es sich, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und das grosse Ganze zu betrachten. Denn erst dann wird klar, wie viel sich schon zum Positiven verändert hat.
«Ich bin so alt wie die Berliner Mauer», merkt Rebecca Solnit an und spricht damit über das Jahr 1961. Frauen waren in der Politik und Regierung kaum vertreten, in der Ehe und Gesellschaft nicht gleichgestellt und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich also einiges getan – auch, wenn es Rückschläge gibt. Denn Veränderungen sind langsam und nehmen manchmal «Umwege», wie Solnits gleichnamiger Essayband zu verstehen gibt.
Schliesslich betont die Essayistin, dass es in Krisen helfe, erst einmal einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn gerade dann sei ein genaues Nachdenken wichtig, um geeignete Antworten zu finden.
Wie das aussehen kann, zeigt sie auf ihrer Website «Meditations in an Emergency»: In ihrem neuesten Beitrag analysiert sie das gewaltvolle Vorgehen der Trump-Regierung gegen die Proteste in Los Angeles.
Und wie steht es um die Hoffnung? Für Solnit ist sie eng verwandt mit der Ungewissheit. Denn solange ungewiss ist, wie sich Dinge entwickeln, können sie immer noch zum Positiven gewandt werden.
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