«Ich möchte Kapitän eines Schiffes werden», sagt eine Isländerin zu Beginn des Dokumentarfilms «Ein Tag ohne Frauen». «Nein, das kannst du nicht», antwortete man ihr, «weil du ein Mädchen bist.» Eine sechsfache Mutter möchte für drei Monate im Gefängnis eingesperrt werden – nur, um einmal ein Buch lesen zu können. Das war einmal in Island … bis zu einem Herbstmorgen 1975. Da nahmen sich 90 Prozent der isländischen Frauen einen «freien Tag».
So einfach, so eindrucksvoll
Frauen aus allen politischen Lagern und allen Schichten legten ihre Arbeit nieder, verliessen ihre Häuser, weigerten sich zu kochen oder sich um die Kinder zu kümmern. Sie gingen für Gleichberechtigung und für Lohngleichheit auf die Strasse. Mutig und kraftvoll.

Von diesem legendären Frauenstreik erfuhr die US-amerikanische Regisseurin Pamela Hogan vor zehn Jahren per Zufall und war sofort fasziniert: «Sie hatten die einfachste Idee, die möglich war. Es gab keine Liste mit zehn Forderungen. Es war einfach nur so, dass sie ‹nichts› tun würden.»
Männer flippen aus
Gemeinsam mit der isländischen Filmemacherin Hrafnhildur Gunnarsdóttir zeichnet Pamela Hogan in ihrer Dokumentation den Streiktag und den Weg dazu nach: mit spielerischen Animationen, Archivmaterial und Zeitzeuginnen.
Diese erinnern sich mit viel Humor und Euphorie: «Wir werden ihnen zeigen, dass wir diese Gesellschaft zum Stillstand bringen können, indem wir vor die Türe gehen», erzählt eine, die damals gemeinsam mit Zehntausenden von Frauen in Reykjavík demonstriert hat.

«Die Männer haben sich über uns lustig gemacht», sagt eine andere, «aber als sie merkten, dass es ernst wird, gerieten sie in Panik». «Wir liebten unsere chauvinistischen Schweine», schmunzelt eine Aktivistin, «wir wollten sie nur ein wenig verändern». «Die Männer nannten es den langen Freitag», lacht eine weitere Zeitzeugin.
Beginn einer Revolution
Die Frauen legten ganz Island lahm: Die Betten waren nicht gemacht, das Geschirr nicht gespült, das Telefonnetz fiel aus, die Theater öffneten nicht und die meisten Schulen und Geschäfte blieben geschlossen, viele Flugverbindungen fielen aus. Die Streikenden brachten ihre Kinder zu den Arbeitsstellen ihrer Männer und schärften ihnen ein: «Ihr bittet heute keine Frau um Hilfe!»

«Am Ende des Tages sagten alle, dass Frauen wichtig sind», fasst Pamela Hogan den wegweisenden Protest zusammen: «Das war der Beginn einer Revolution, die Island zu einem der besten Länder der Welt gemacht hat, um heute eine Frau zu sein.»
Ein Dampfer namens Island – und eine Frau am Steuer
Der Kampf ist auch in Island noch nicht zu Ende. Aber in Sachen Geschlechtergleichheit ist das Land weltweit vorbildlich. Dass die kollektive Kraft der Frauen die Gesellschaft zu verändern vermag – das ist die Kernbotschaft des Films: Provokativ, inspirierend, ermutigend und sehr lustig umgesetzt.
Die Frau, die von ihrem unerfüllten Berufswunsch als Kapitänin erzählte, heisst Vigdís Finnbogadóttir und nahm ebenfalls am Streik teil. Sie wurde fünf Jahre später, 1980, die erste demokratisch gewählte Staatspräsidentin der Welt. Und wurde so doch noch Kapitänin, einfach von einem etwas grösseren Dampfer namens Island.
Der Film läuft seit dem 5. Juni im Kino.
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