Von Knittlingen sind es nach Süden circa 20 Kilometer bis Pforzheim. Im Westen grenzt das Stadtgebiet an den Landkreis Karlsruhe. Gut 8000 Einwohner hat die Stadt, in der es eine Bahnhofstraße gibt, doch keinen Bahnhof: Überbleibsel der Bahnstrecke Bretten–Kürnbach, von 1919 bis 1923 im Bau, inflationsbedingt unvollendet. Auf die Schiene geht es heute nur im Stadtteil Kleinvillars, RB 17. Bezeichnend, dass Knittlingen ein Oldtimer-Museum hat?

Ein wenig Stolz ist manch einer darauf, dass hier die Flippers („Weine nicht, kleine Eva“) gegründet wurden. Und auf einen Sohn der Stadt, davon zeugt das zweite örtliche Museum – und dass man sich seit 2022 „Fauststadt“ nennen darf. Um keinen Geringeren als Johann Georg Faust geht es, Vorbild nicht nur jener Dichtung, aus der man, wie der große Germanist Albrecht Schöne in seinem epochalen Kommentar zu Goethes Tragödie schrieb, die Poesie selbst wiederherstellen könnte, wenn sie „ganz von der Welt verlorenginge“.

Was zum Teufel will, lässt sich nicht aufhalten

Der „echte“ Faust soll hier um 1480 geboren sein – auch Simmern, Roda und Salzwedel sind allerdings im Rennen um den Geburtsort. Der Alchemist, Wahrsager und Astrologe ist ein Mythos, der Niederschlag gefunden hat etwa in Christopher Marlowes Faust-Drama, in Lessings aufgeklärtem Bühnen-Fragment, im 20. Jahrhundert dann monumental in Thomas Manns „Doktor Faustus“. Aber populär gemacht hat den Stoff eine Schrift, die lange anachronistisch ein „Volksbuch“ genannt wurde – Goethe selbst lernte den Stoff in seiner Jugend als populäres Puppenspiel kennen.

Es war 1587, als der Frankfurter Drucker und Verleger Johann Spies auf der städtischen Buchmesse ein Buch ausstellte: „Historia von D. Johann Fausten/ dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler“. Es schildert, wie einem begabten Bauernsohn von einem Vetter ohne Erben der Schulbesuch und das Theologiestudium ermöglicht wird. Erzählt, wie er von Gott abfällt und gegen 24 Erdenjahre der Befriedigung endloser Neugierde (Curiositas ist in der frühen Neuzeit, wenn sich auch die Aufklärung ankündigt, eine Todsünde), „denn er wollte alle Gruend am Himmel und Erden erforschen“, endlose Höllenqualen eintauscht. Nicht ohne Reue – allein, es ist zu spät: „Was zum Teuffel will/ das lässt sich nicht aufhalten/ noch ihm wehren“.

Diabolisch die Finanzprobleme, mit denen Knittlingen ringt. Kein Pakt zwischen Beelzebub und Bürgermeister Alexander Kozel (Grüne) hat ein jährliches Defizit von zwei Millionen Euro verursacht, sondern steigende Personalausgaben, Sanierungsstau und eine gestiegene Kreisumlage, berichtet der SWR. Sollte das Faust-Museum wegfallen, könnten ein knappes Viertel des akuten Sparbedarfs von einer Million Euro gedeckt werden, hatte Kozel auf Facebook geschrieben. Auch zur Disposition: eine Grundschule. Teuflisch klang die Idee eines Bürgerentscheids: Sollten hier Museum und Schule gegeneinander ausgespielt werden? Am Dienstag dann Gemeinderatssitzung: Bilder der überfüllten Turnhalle zeigen Kinder mit Plakaten, die den Erhalt der Schule fordern. Erfolgreich. Aber auch das Museum soll bleiben. „Vorläufig“.

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