Wir klebten Poster von ihm an unsere Schränke, schwärmten, hörten "Take on Me" in Dauerschleife: Morten Harket. Jetzt hat der "a-ha"-Sänger seine Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht und gesagt, vielleicht nie wieder zu singen. Erinnerungen an einen endlosen Sommer, Mixtapes und eine ganz besondere Stimme.
Späte Achtzigerjahre. Zone. Sommerferien. Drei geschäftstüchtige Kinder auf einem Rasen, vor ihnen zwei Zeitschriften "aus dem Westen". Der eine Knirps sagt: "Für das a-ha-Poster gebe ich dir ein Bild von Falco und ein Songbook von Samantha Fox". Darauf das Mädchen: "Wir können gerne über Patrick Swayze reden, aber Morten und a-ha tausche ich nicht - niemals!" Das Mädchen war ich.
Es fühlt sich heute manchmal an, als wäre diese Zeit vor hundert Jahren gewesen. Viele von uns leben, als wären wir unsterblich. Wir denken an morgen, an übermorgen, an all das, was noch erledigt werden muss, was wir noch erreichen wollen, was wir noch erleben möchten. Und während wir hetzen, rennen, funktionieren, vergeht die Zeit. Zuerst fast unmerklich. Sie schleicht sich leise durch den Alltag, während wir damit beschäftigt sind, alles zu planen, nur nicht den Moment, in dem wir einfach mal stehen bleiben. Dabei wäre genau das manchmal bitter nötig.
Irgendwann ertappt man sich dabei, dass man älter geworden ist. Natürlich nicht auf einen Schlag, aber doch spürbar. Als wäre es doch irgendwie über Nacht passiert. Und obwohl das Altern ein großes Privileg ist, beschleicht viele ab einem gewissen Punkt das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht. Vielleicht liegt es daran, dass man nicht mehr so viele neue Dinge erlebt?
Der Alltag läuft in gewohnten Bahnen, vieles wiederholt sich, vieles ist Routine. Die Leichtigkeit der frühen Jahre weicht einer gewissen Verlässlichkeit. Und mit den Jahren merken wir, dass Menschen, die uns begleitet haben, die wir liebten, bewunderten oder einfach nur mit uns durch eine bestimmte Lebensphase gegangen sind, plötzlich nicht mehr da sind. Oder krank. Oder leiser geworden.
Der Sound eines Jahrzehnts
Gerade noch waren es die Achtziger. Dann die Neunziger. Die Zeit der Mixtapes, der Kassettendecks, der BRAVO und der Stars, die mehr als nur Musiker oder Schauspieler waren. Sie waren Idole und Posterhelden. Einer von ihnen: Morten Harket, Sänger von "a-ha", dieser Band, die mit ihrem Sound einen ganzen Sommer, ach, was rede ich, ein ganzes Jahrzehnt eingefangen haben! Songs wie "Take on Me", "Hunting High and Low", "The Sun Always Shines on T.V." oder "Manhattan Skyline" gehörten einfach dazu, zu dieser Zeit, in der wir unsere Zimmerwände mit den Postern der Stars tapezierten.
Nun wurde bekannt: Morten Harket ist an Parkinson erkrankt. Die Diagnose hat er seit über einem Jahr, jetzt hat er sie öffentlich gemacht, in einem Statement auf der Website seiner Band. Kein großes Tamtam. Nur ein Besuch eines Journalisten in seinem Sommerhaus, ein leises Protokoll über eine Krankheit, die Millionen betrifft.
Parkinson, jene Krankheit, von der man weiß: Man kann damit leben, aber sie nie wirklich besiegen. Harket habe sich in der Mayo Clinic behandeln lassen und trage einen Hirnschrittmacher, der die Symptome lindert. Er sagt, er habe sich mit der Diagnose arrangiert, aber ob er jemals wieder singen wird, ist offen. "Ich weiß es nicht wirklich. (…) Ich fühle mich nicht nach Singen, und das ist für mich ein Zeichen."
"Ein trauriger Tag in der a-ha-Welt"
Es ist ein Satz, der innehalten lässt. Nicht ob der Tragik, die darin liegt, sondern wegen seiner Ehrlichkeit. Morten Harkets Stimme war keine gewöhnliche Stimme. Sie war und ist: unverwechselbar. Und es ist traurig, sich vorzustellen, dass diese Stimme vielleicht nicht mehr erklingen wird.
Harket selbst hat nie groß Lärm um seine Person gemacht. Er war nie der Skandal-Popstar, sondern jemand, der mit einem einzigen Ton mehr berühren konnte als andere mit einem ganzen Album. Und auch jetzt bleibt er sich treu. Keine falsche Hoffnung, keine Opferrolle. Nur der Wunsch, die Krankheit nicht zu verstecken. "Der Gedanke, dass meine Krankheit Allgemeinwissen würde, störte mich", sagt er. "Doch auf lange Sicht stört es mich mehr, daraus ein Geheimnis zu machen."
In einer Zeit, in der sich viele über die banalsten Dinge inszenieren, wirkt so ein Satz fast altmodisch. Und vielleicht ist das das Schönste, was man über Morten Harket sagen kann: Er ist altmodisch im besten Sinne. Zurückhaltend. Wahrhaftig.
Sein Bandkollege Magne Furuholmen schrieb auf Instagram: "Ein trauriger Tag in der a-ha-Welt." Das mag stimmen. Aber es ist auch ein Tag der Erinnerung. An all die Momente, in denen seine Stimme durch unsere Jugend schwebte. An die Zeiten, in denen wir mit Freundinnen und Freunden Poster von ihm tauschten, sie an die Schränke und Kinderzimmerwände klebten und dachten, wir hätten alle Zeit der Welt.
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