Soll es ein allgemeines Pflichtjahr geben - in der Bundeswehr oder im gesellschaftlichen Bereich? Im Zuge der Wehrdienst-Debatte hat Kanzler Merz diese Forderung bekräftigt. Doch eine Umsetzung dürfte kompliziert werden.
Der Vorstoß von Bundeskanzler Friedrich Merz für ein allgemeines Pflichtjahr stößt auf Zustimmung und Kritik. Verteidigungsminister Boris Pistorius kann sich für die Idee erwärmen, ebenso der ranghöchste Soldat der Bundeswehr, Generalinspekteur Carsten Breuer. Es gibt jedoch Zweifel an der Umsetzbarkeit.
Am Sonntagabend hatte Merz in der ARD-Sendung Caren Miosga die CDU-Forderung eines verpflichtendes Dienstjahres bekräftigt. "Ich bin dafür, dass wir ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland etablieren", sagte der CDU-Chef. Ein solches Jahr sei sehr sinnvoll, um für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen. Dazu brauche es allerdings eine Grundgesetzänderung.
Die Forderung nach einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr hatte die Union schon im Bundestagswahlkampf erhoben. Es solle bei der Bundeswehr oder zivilgesellschaftlichen Verbänden abgeleistet werden.
Pistorius: Nötige Mehrheiten nicht absehbar
Pistorius sagte im Podcast "Table Today", er habe viel Sympathie dafür. Der SPD-Politiker verwies aber ebenfalls darauf, dass dafür eine Grundgesetzänderung nötig wäre. Die notwendigen Mehrheiten seien dafür aktuell nicht absehbar. Er plädierte dafür, diese Debatte jetzt nicht zu führen, um das was notwendig sei nicht zu verzögern.
"Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit", sagte auch SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese der Rheinischen Post. "Und bei aller Präferenz setzt die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag voraus." Diese sei jedoch "absehbar nicht erkennbar, sodass wir uns auf das jetzt Machbare für mehr Sicherheit fokussieren sollten".
Linkspartei dagegen
Ähnlich äußerte sich Generalinspekteur Breuer: "Als Staatsbürger würde ich sagen: Ja, sofort, absolut richtig ein Gesellschaftsjahr", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Das bedeute aber, dass eine Grundgesetzänderung nötig werde. "Das würde auf jeden Fall länger dauern, und diese Zeit haben wir nicht."
Für eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag wäre die Koalition - wenn sie nicht auf Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD setzen will - auf die Linkspartei angewiesen. Deren Chef Jan van Aken lehnt eine Zustimmung zu Pflichtdiensten aber kategorisch ab. "Ich bin gegen Pflichtdienste", sagte er bei RTL und ntv. Die Linke stünde "auf keinen Fall" für eine Grundgesetzänderung zur Verfügung.
Linnemann: Könnte Teil der Lösung sein
Unterstützung bekam Merz aus der eigenen Partei. "Unser Zusammenhalt bröckelt. Ein Teil der Lösung könnte die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres sein", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der Rheinischen Post. Eine Gesellschaft, in der die Bindekräfte schwinden würden, "weil sich bestimmte Milieus immer seltener begegnen, kann nicht resilient sein".
Linnemann betonte, dass sich "mit einem Gesellschaftsjahr bei der Bundeswehr, bei der Feuerwehr, beim THW oder im sozialen Bereich" etwas dieser Entwicklung entgegensetzen ließe. "Demokratie lebt davon, dass sich Menschen treffen und miteinander austauschen."
DSEE setzt auf Freiwilligkeit
Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) lehnt die Einführung eines Pflichtjahres ab und setzt auf Freiwilligkeit. Zwar würden mit einer Pflicht mehr Menschen den Einsatzstellen zugeführt werden, diese "zeichnen sich durch die Verpflichtung jedoch durch Desinteresse und fehlende Motivation aus", sagte Vorstand Jan Holze der Rheinischen Post.
Hintergrund der Debatte über ein gesellschaftliches Pflichtjahr sind die Diskussionen über den vom Bundeskabinett verabschiedeten Wehrdienst. Dieser umfasst zunächst kein Pflichtelement - weder bei der Bundeswehr, noch bei anderen Organisationen. Merz und CSU-Chef Markus Söder äußerten zuletzt Zweifel, dass eine Freiwilligkeit ausreichen werde, um mehr Soldaten für die Bundeswehr zu bekommen.
Prien: Bereiten uns auf Wehrdienstverweigerer vor
Das Bundesfamilienministerium bereitet sich derweil auf den Umgang mit den zu erwartenden Wehrdienstverweigerern vor. Ressortchefin Karin Prien sagte, sie betrachte es als Aufgabe ihres Ministeriums, "Vorsorge zu treffen für ein erhöhtes Aufkommen von jungen Männern, die den Wehrdienst verweigern". Der Ersatzdienst werde "wieder zu einem wirklichen Thema - er war es nicht die letzten Jahre", so die CDU-Politikerin. Insgesamt arbeite ihr Ministerium daran, die Freiwilligendienste auszubauen und weiterzuentwickeln.
Auch die Familienministerin warb für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftjahrs für Männer und Frauen. Das aktuelle Engagement ihres Hauses zum Ausbau der Freiwilligendienste sei zu sehen "als Vorbereitungsmaßnahme auch für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr", sagte sie.
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