Saarlouis ganz im Westen und Eisenhüttenstadt ganz im Osten haben 1986 die erste deutsch-deutsche Partnerschaft gegründet. Seitdem sind beide Regionen auch im Umbruch vereint.
"Das war schon eine Wahnsinnserfahrung", erinnern sich Kathrin Meißner und Manfred Hoffmann. Die beiden gehörten zu den ersten Eisenhüttenstädtern, die 1987 in die neue Partnerstadt im Saarland, nach Saarlouis, reisen durften. Und zwar als Mitglieder des Tanzensembles des Stahlwerks, dem ehemaligen DDR-Eisenhüttenkombinat.
Manfred Hoffman betont: "Wir waren ein Reise-Ensemble, wir sind damals in der ganzen DDR herumgefahren." Professionell seien sie gewesen, und deswegen hätten sie an Pfingsten 1987 beim Saarlouiser Stadtfest auftreten dürfen.
"Der Rasen war grüner, die Gerüche anders"
Katrin Meißner war bei diesem ersten Besuch 17 Jahre alt. Die Eindrücke im Westen hätten sie damals überwältigt. "Der Rasen war grüner, die Gerüche anders", erzählt Meißner. Sie habe sich in der neuen Partnerstadt ganz im Westen willkommen gefühlt.
Und trotzdem sei der Besuch in Saarlouis auch ein wenig seltsam gewesen. "Man hat sich ein bisschen gefühlt wie ein Außerirdischer in der Stadt. So nach dem Motto: Ach guck mal, da sind sie." Doch bis heute schwärmen Meißner und Hoffmann von dem Erlebnis.

1987 waren Kathrin meißner und Manfred Hoffmann mit dem Tanzensemble des Stahlwerks Eisenhüttenstadt zum ersten Mal in Saarlouis.
Lafontaine und Honecker als Wegbereiter
Den Weg für die Städtepartnerschaft hatten zwei Saarländer bereitet: Der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker, gebürtiger Saarländer, und der damalige SPD-Ministerpräsident Oskar Lafontaine. Im November 1985 besiegelten sie bei einem persönlichen Treffen die erste deutsch-deutsche Partnerschaft, nachdem der Stadtrat von Saarlouis schon im Jahr zuvor den Anstoß gegeben hatte.
Eigentlich hatten sich die Saarlouiser eine Partnergemeinde im Harz gewünscht. Doch Honecker wählte, durchaus aus politischem Kalkül, Eisenhüttenstadt. In den 1950er-Jahren gegründet als "sozialistische Modellstadt", gebaut rund um ein Stahlwerk - ein industrielles Vorzeigeprojekt.
Herausforderungen vereinen
Seit den ersten Besuchen Ende der 1980er-Jahre haben sich beide Städte verändert. Der Strukturwandel trifft beide Regionen gleichermaßen. In Saarlouis läuft im November im Ford-Werk das letzte Auto vom Band. Früher haben hier bis zu 8.000 Saarländer Arbeit gefunden, ab Ende Dezember werden nur noch ein paar Hundert Mitarbeiter Ersatzteile fertigen.
Eisenhüttenstadt hat es noch härter getroffen: Seit der Wiedervereinigung hat die Stadt rund die Hälfte ihrer Einwohner verloren. Von einst 12.000 Stahlwerkern im damaligen Hüttenkombinat sind heute noch 2.500 geblieben.
Für Kathrin Meißner und Manfred Hoffmann hat die Wende vieles verändert: "Jeder bei uns musste sich um 100 Prozent umstellen." Geblieben seien aber viele Freundschaften zwischen beiden Städten, vielleicht auch wegen der gemeinsamen Herausforderungen.
Wichtige Rolle der Feuerwehr
In diesem Jahr haben es Meißner, die auch Pressesprecherin des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt ist, und Hoffmann nicht zum Saarlouiser Stadtfest geschafft. Dafür hat aber eine Delegation der Freiwilligen Feuerwehr Eisenhüttenstadt den gut 800 Kilometer weiten Weg auf sich genommen.
Bei der Ankunft werden sie von den Saarlouiser Kameraden herzlich begrüßt. Man spürt, dass hier etwas zusammengewachsen ist.
Gerd Rademacher, Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr Eisenhüttenstadt, kommt schon seit den frühen 1990er-Jahren regelmäßig nach Saarlouis. Auch dieses Jahr schiebt er wieder Dienst am gemeinsamen Bier- und Wurststand.
Rademacher ist überzeugt: Auch durch diese kleinen persönlichen Begegnungen und Freundschaften ist Deutschland eins geworden. "Ost und West, das höre ich kaum noch", erzählt er. Zu Beginn habe es sicherlich Befindlichkeiten auf beiden Seiten gegeben. Aber er sehe in vielen Bereichen der Gesellschaft: "Deutschland ist zusammengewachsen."
Schicksal der Stahlindustrie
Auch Noah Leist von der Freiwilligen Feuerwehr Saarlouis lebt die Städtepartnerschaft, auch wenn er zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch gar nicht geboren war. "Das ist schon was Besonderes", betont er, dass es trotz der großen Distanz auf beiden Seiten so viele Menschen gebe, die die Partnerschaft schon so lange am Leben halten.
Leist war selbst schon oft in Eisenhüttenstadt, zuletzt Ende August. Dabei hat er auch das Stahlwerk besucht, aus beruflichem Interesse. Denn er selbst arbeitet bei der Dillinger Hütte an der Stadtgrenze von Saarlouis. Die Stahlindustrie und die Herausforderungen, vor der diese steht, ist eine weitere Gemeinsamkeit der Partnerstädte in Ost und West.

Von einst 12.000 Stahlwerkern im ehemaligen Hüttenkombinat sind heute noch 2.500 in Eisenhüttenstadt geblieben.
Umbau im Saarland läuft
Stahl soll in Deutschland in Zukunft klimafreundlicher produziert werden. Die Hochöfen, in denen Koks verbrannt wird und eine große Menge CO2 entsteht, sollen verschwinden. Mit Hilfe von Strom und Wasserstoff sogenannter grüner Stahl erzeugt werden. Im Saarland laufen die Bauarbeiten. 4,6 Milliarden Euro werden investiert.
Noah Leist betrifft das unmittelbar, denn bisher entlädt er zum Beispiel Koks aus Schiffen. Eine Arbeit, die es künftig nicht mehr geben wird. "Also persönlich wird es bei mir einen kompletten Umschwenk geben vom Arbeitsplatz her", erzählt Leist. Aber er habe Vertrauen, dass die grüne Transformation trotz aller Herausforderungen gelinge.
Umbau in Eisenhüttenstadt vorerst gestoppt
Für das Stahlwerk Eisenhüttenstadt hat der Konzern ArcelorMittal die Transformation im Sommer dagegen vorerst gestoppt. Und das, obwohl 1,3 Milliarden Euro an Fördergeldern bewilligt waren. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht, so die Begründung. Der Strom und damit auch die Herstellung von Wasserstoff sei zu teuer.
Der Saarlouiser Noah Leist ist sich mit vielen Menschen in Eisenhüttenstadt einig, auch mit Kathrin Meißner: Sie sehen die Politik in der Pflicht, etwa bei der Einführung eines Energiestrompreises. Leist betont, die Versprechungen müssten eingelöst werden. "Es bringt der Industrie und auch den Arbeitsplätzen nichts, wenn man viel erzählt und einfach nichts umsetzt."
Umbruch gemeinsam gestalten
Katrin Meißner sieht die Stahlindustrie in ganz Deutschland in Gefahr und sieht die Entwicklung "auch mit ein bisschen Bauchschmerzen". Bei Leist und Meißner schwingt aber auch mit: Lasst uns trotz der schwierigen Entwicklungen den Umbruch gemeinsam gestalten.
Fast 40 Jahre nach Gründung der Städtepartnerschaft gewinnt man den Eindruck: Vieles zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt ist zusammengewachsen, auch weil die Herausforderungen vereinen.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie in der ARD-Doku "Deutschland Stahlhart - Ost und West im Umbruch vereint?" in der ARD-Mediathek.
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