14 Abgeordnete und 14 Sachverständige wollen von heute an aufarbeiten, was in der Corona-Pandemie schiefgelaufen ist - und was gut war. Die Enquete-Kommission bekommt dafür rund zwei Jahre lang Zeit. Worum geht es konkret?

Die Ausgangslage

Anfang 2020 hatte die akute Corona-Krise begonnen, die letzten bundesweiten Corona-Beschränkungen liefen vor zweieinhalb Jahren aus. Die Pandemie ist zwar vorbei, doch sie hat Spuren hinterlassen. Jetzt nimmt sich der Bundestag eine umfassende Aufarbeitung vor. Angehen soll das eine Enquete-Kommission, die heute zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommt. Das Parlament hatte die Einsetzung vor der Sommerpause mit breiter Mehrheit beschlossen.

Die Kommission soll ein Gesamtbild der Pandemie - deren Ursachen, Verläufe und Folgen - sowie der staatlichen Maßnahmen aufzeigen und bewerten und Mitte 2027 einen Bericht vorlegen. Die designierte Vorsitzende der Kommission, die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir wollen Entscheidungen und Prozesse kritisch hinterfragen, die im Lichte der Zeit womöglich Sinn ergaben, sowie Fehler identifizieren. Wir wollen aber auch schauen, was gut war." Dabei gelte: "Wir wollen verstehen, nicht verurteilen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich massiv für eine Aufarbeitung eingesetzt und bereits zuvor formuliert: "Aufarbeitung schafft die Chance, Menschen zurückzugewinnen, die Vertrauen in die Demokratie verloren haben."

Warum kommt jetzt eine große Aufarbeitung?

In der vorigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, kam eine Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Schließungen auf Bundesebene nicht zustande. Diskutiert wurde auch über einen Bürgerrat, die Ampelkoalition einigte sich aber nicht.

Das neue Bündnis aus Union und SPD vereinbarte dann eine Enquete-Kommission. Der Einsetzung stimmten im Juli im Bundestag auch Grüne und Linke zu. Bei der AfD gab es Nein-Stimmen und Enthaltungen.

Ilanit Spinner, ARD Berlin, Kommission des Bundestags startet Aufarbeitung der Corona-Pandemie

tagesschau24, 08.09.2025 11:00 Uhr

Was ist das Untersuchungsziel?

Trotz vieler Untersuchungen etwa auch in den Bundesländern hätten viele den Eindruck, die Pandemie sei noch nicht ausreichend aufgearbeitet, heißt es im Einsetzungsantrag. Es geht um eine grundlegende Aufarbeitung und darum, auf kommende Krisen besser vorbereitet zu sein. Deswegen soll die Kommission zurückblicken und analysieren, was gut gelaufen ist und beim nächsten Mal wieder so laufen sollte.

Aber sie soll auch herausarbeiten, wo Fehler passiert sind und was besser werden muss. Leitend soll dabei sein, "dass alle Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden können". 

Was ist eine Enquete-Kommission?

Das französische Wort "enquête" bedeutet Untersuchung. Im Bundestag sind Enquete-Kommissionen ein Format für große, komplexe Themen, und es gab schon einige - etwa zur künstlichen Intelligenz oder zu Lehren aus dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.

Die neue Kommission heißt: "Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse". Die Pandemie habe Bürger, Zivilgesellschaft, Institutionen, Unternehmen, Kunst und Kultur von 2019 bis 2023 mit Herausforderungen "von historischer und seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannter Tragweite" konfrontiert, heißt es im Antrag.

Wie ist die Zusammensetzung?

Neben 14 Abgeordneten sollen der Kommission 14 Sachverständige angehören, die von den Fraktionen benannt werden. Die Union schickt fünf Abgeordnete, AfD und SPD schicken je drei, die Grünen zwei, die Linke stellt einen Abgeordneten.

Bei den Experten soll auf eine Beteiligung der Länder und Kommunen und eine ausgewogene Vertretung von Wissenschaftsdisziplinen und Gesellschaftsbereichen geachtet werden. Unter anderem wurde eine Schulleiterin aus Frankfurt benannt, der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, der Direktor der Intensivmedizin am Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf und eine Professorin für Gesundheitsrecht.

Was soll konkret untersucht werden?

Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: zum Beispiel die Früherkennung mit Pandemieplänen und Vorsorge oder das Krisenmanagement mit den Bund-Länder-Runden: Ist eine Ministerpräsidentenkonferenz wirklich der richtige Ort, um Entscheidungen in der Krise zu treffen? Wie kann die Politik besser alle Altersgruppen im Blick haben? Wie kann sie sich im Krisenfall gut von der Wissenschaft beraten lassen - und zwar von ganz verschiedenen Fachrichtungen?

Es soll auch um den rechtlichen Rahmen und die parlamentarische Kontrolle während der Pandemie gehen, außerdem um Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests sowie Hilfen für Firmen und den Arbeitsmarkt und die Folgen für Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine.

Wie arbeitet die Kommission?

Die Kommission tritt zunächst nicht-öffentlich zusammen. Prinzipiell soll sie auch öffentliche Anhörungen von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen abhalten und Gutachten einholen können.

Perspektiven und Erfahrungen von Bürgern könnten "insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen werden", heißt es im Antrag. Auch eine "altersgerechte Befragung" von Kindern und Jugendlichen ist möglich.

Die "laufende Erkenntnisgewinnung" und Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit in geeigneter Form zugänglich gemacht werden - mit Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Informationen.

Wann kommt der Abschlussbericht?

Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen vorlegen. Es kann auch Zwischenberichte zu abgeschlossenen Aspekten geben, was eine frühere parlamentarische und politische Befassung ermöglichen soll. Mitglieder der Kommission können Sondervoten abgeben. Am Ende sollen Protokolle der Sitzungen veröffentlicht werden, wenn das Gremium nicht-öffentlich getagt hat.

Warum gibt es keinen Untersuchungsausschuss?

Umstritten war vor dem Start der Kommission, inwieweit es auch um die aus dem Ruder gelaufenen Maskenkäufe von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn gehen soll. Die Union pocht darauf, dass die Enquete-Kommission nicht zu einem verkappten Untersuchungsausschuss in dieser Frage wird.

Grüne und Linke wollten die Vorwürfe gegen Spahn in einem Untersuchungsausschuss klären, der mehr Rechte hat als eine Enquete-Kommission. Sie haben dafür gemeinsam aber nicht genügend Stimmen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die ebenfalls einen Untersuchungsauschuss fordert, schließen sie aus. Grüne und Linke tragen die Enquete-Kommission nun aber mit.

Mit Informationen von dpa und Birthe Sönnichsen, ARD-Haupstadtstudio

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