Die CDU Sachsen-Anhalt liegt ein Jahr vor der Landtagswahl laut Umfrage deutlich hinter der AfD. Der designierte CDU-Spitzenkandidat muss ohne Amtsbonus eine Wahlkampfschlacht gewinnen. Aber wie?

Ein Schock für die CDU-Spitze: Mit 27 Prozent hat die CDU Sachsen-Anhalt deutlichen Rückstand zur AfD, die laut repräsentativer Umfrage von infratest dimap auf 39 Prozent käme, wäre am nächsten Sonntag Landtagswahl.

Doch das Ergebnis kam nicht völlig unerwartet. Schon bei der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres gingen alle Direktmandate an die AfD, die die Wahl mit 38,8 Prozent dominierte. Die CDU kam auf nur noch 23,5 Prozent der Zweitstimmen.

Die einzig gute Nachricht für die CDU: Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt findet "erst" in einem Jahr, am 6. September 2026, statt.

Das Wahlkampfteam

Dieses Jahr braucht die CDU auch. Die Aufholjagd beginnt am Donnerstagabend mit einer Krisensitzung des erweiterten Landesvorstandes. Tenor jetzt schon: Es ist ein Stimmungsbild, wir nehmen das ernst.

Die letzten Wahlkämpfe waren geprägt durch den langjährigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Der 71-Jährige hat lange mit sich gerungen, ob er noch einmal antritt, seit August ist klar: Sven Schulze soll antreten.

Der 46-Jährige ist als Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus und Forsten in seinem Metier kein Unbekannter. Doch als CDU-Vorsitzender im Bundesland hat er keinen großen Bekanntheitsgrad. Der liegt laut Umfrage bei nur 44 Prozent, während 94 Prozent Haseloff kennen.

Als Lokomotive im Wahlkampf soll also Haseloff mit ran, heißt es aus der CDU-Landesgeschäftsstelle. Der dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands regiert seit 2011 in wechselnden Konstellationen. Als er an den Start ging, war auch er Wirtschaftsminister, galt als fleißig, aber blass. Die Fußstapfen des kürzlich verstorbenen Wolfgang Böhmer waren groß.

Doch er hatte Zeit hineinzuwachsen. Zeit und Bonus, die Sven Schulze nicht hat. Und auch die aktuellen Koalitionspartner, SPD mit 7 Prozent und FDP unter 3 Prozent, sind keine Hilfe.

Die Baustellen

Es herrscht miese Stimmung im Land, heißt es. Die Umfrage von infratest dimap offenbart, wo den Leuten der Schuh drückt: Befragt nach den wichtigsten politischen Themen, die es zu lösen gilt, nennen die Sachsen-Anhalter in der Umfrage an erster Stelle die Flüchtlings- und Migrationsfrage (21 Prozent). Dabei lag der Ausländeranteil Ende 2024 bei etwa 8,9 Prozent - wenig gemessen an anderen Bundesländern.

Doch die Stadtbilder verändern sich. In Orten wie Weißenfels im Süden von Sachsen-Anhalt gibt es mittlerweile Schulen, die einen mehr als 60-prozentigen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund haben. Hier hat die AfD bei der Bundestagswahl im Februar 44,1 Prozent geholt.

Kommunen und Landkreise sahen sich schon lange überfordert, auch der an sich starke CDU-Landrat des Burgenlandkreises, in dem Weißenfels liegt, gehört zu den lautstarken Kritikern am Agieren der Bundesregierung. Schulze hilft das nicht.

Während die Migrations- und Flüchtlingspolitik eher als Bundesthema zu sehen ist, hat die Bildungsmisere, allem voran der Lehrermangel, bei den Befragten mit 13 Prozent den zweiten Stellenwert. Die CDU-Bildungsministerin Eva Feußner wurde nach viel Unruhe in der eigenen Fraktion von Haseloff entlassen. Sven Schulze als Landesvorsitzender der CDU hatte seinen Kandidaten für das Amt durchgesetzt. Aus den Schulen kommt bislang positives Echo zum neuen Minister, Pluspunkt für Schulze.

Um die Wirtschaft machen sich 7 Prozent der Befragten die meisten Sorgen. Der industrielle Kahlschlag nach der Wende ist bei vielen Wählern nicht verdaut.

In den vergangenen Monaten kamen größere und kleinere Hiobsbotschaften, alle nicht durch die Landesregierung beeinflussbar. Intel hat sein milliardenschweres Vorhaben in Magdeburg und ganz Europa abgesagt. Die chemische Industrie mit immerhin 10.000 Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt stöhnt unter der Last von Energiekosten. So wird der Chemiekonzern Dow einen Teilbereich seiner Anlagen in Schkopau im Saalekreis stilllegen, 100 Arbeitsplätze weniger.

Eine Glasfabrik in der strukturschwachen Altmark sperrt Ende September zu, wieder 100 Arbeitsplätze weniger. Der Solar-Hersteller Meyer Burger hat erst diese Woche sein Aus verkündet, 280 Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz.

Licht am Horizont sind Ansiedlungen wie Daimler Truck bei Halberstadt im Vorharz, 600 Arbeitsplätze entstehen. Doch der studierte Wirtschaftsökonom Schulze weiß: Das ist kein Grund zum Ausruhen.

Der Profiteur

Schlechte Nachrichten für die etablierten Parteien sind gute Nachrichten für die AfD. In Sachsen-Anhalt prägt die vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte Partei vor allem ein Gesicht - das von Ulrich Siegmund.

Der 34-Jährige ist schlagfertig und in seinen Reden pointiert, im Landtag immer wieder mit Blick in die Rednerkamera - für seine Tiktok-Auftritte. Dort ist er reichweitenstark, 550.000 Follower, auf Instagram sind es fast 100.000.

Dort hat Sven Schulze gerade mal 4.500 Follower, auf TikTok ist nur die CDU-Landtagsfraktion mit 145 Followern aktiv - also gar nichts in der Onlinewelt. Das soll sich ändern, eine Agentur wird sich professionell um Schulzes Online-Wahlkampf kümmern.

Bleibt weiter die Frage der Abgrenzung zur AfD. Schon 2019 gab es einen Vorstoß aus dem Kreisverband Harz, das "Soziale mit dem Nationalen" zu versöhnen. Haseloff sagte dagegen mit klarer Haltung in einer Parlamentsrede an die AfD gerichtet: "Sie werden mein Land nicht verhunzen!"

Schulze steht aber vor einer CDU, die in Teilen den Unvereinbarkeitsbeschluss zur Zusammenarbeit mit ganz links und ganz rechts in Richtung rechts aufweichen möchte und das auf kommunaler Ebene bereits tut. Dabei steht die Linke im Land mit aktuell 13 Prozent Zuspruch gut da.

Die CDU Sachsen-Anhalt

Während bei der AfD bereits im Mai klar war, mit wem sie an den Start geht, tat sich die CDU schwer. Ein Teil wollte nicht auf Haseloff mit seinem Amtsbonus verzichten, andere Kräfte plädierten für frisches Blut. Die CDU ist alt, im Durchschnitt sind die Mitglieder im Land 59 Jahre alt.

Ein Weiter-so kann sich Sven Schulze nicht leisten, will er auch nicht. In CDU-Kreisen hat man jetzt schon Personalien parat, die für einen Neustart stehen sollen. So der Chef des Landesrechnungshofes, Kay Barthel. Er ist ein starker Kritiker aus den eigenen Reihen. Das CDU-Mitglied könne als Finanzminister Schulze den Rücken freihalten, um seine Vorhaben umzusetzen. Dazu zählt unter anderem die Ansiedlung von Firmen auf den ehemals für Intel vorgesehenen Flächen. Erste Interessenten gibt es für den sogenannten High Tech Park.

Die CDU muss liefern. Die diese Woche verkündeten 2,6 Milliarden aus dem Infrastrukturpaket für Sachsen-Anhalt können helfen. Rückenwind aus dem Bund kann die CDU Sachsen-Anhalt nicht erwarten. Die Zufriedenheit mit der Bundesregierung liegt aktuell bei nur 22 Prozent. Da kann Sven Schulze mit seinem Team auf einer guten Nachricht aufsetzen: Noch bevorzugen 47 Prozent der Sachsen-Anhalter eine CDU-geführte Regierung.

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