Das Gesetz zum freiwilligen Wehrdienst ist auf dem Weg, das Thema bleibt präsent. Mit Folgen: Die Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung registrieren mehr Zulauf. Der Wehrbeauftragte plädiert für ein Pflichtjahr für alle.
In den Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung macht sich die Debatte um den deutschen Wehrdienst bemerkbar: Sie melden einen wachsenden Zulauf von Menschen, die sich informieren wollen.
"Bei uns gehen immer mehr Anfragen ein, wenn das Thema Wehrdienst und Wehrpflicht in den Medien ist", sagte der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFGVK), Michael Schulze von Glaßer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das war etwa in der letzten Woche so und ist auch noch nicht abgeebbt", erklärte er. Die Website habe 54.946 Aufrufe gezählt, im Mai seien es noch 24.151 gewesen.
Das Kabinett hatte in der vergangenen Woche ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem der Wehrdienst erstmal weiter freiwillig bleiben und attraktiver werden soll. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist zunächst nicht vorgesehen.
Anträge auf Verweigerung steigen seit Jahren
Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) meldete einen Anstieg der Beratungsanfragen um 30 Prozent bereits im vergangenen Jahr.
Die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung gehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein, nachdem sie bei den Karrierecentern der Bundeswehr gestellt wurden. In diesem Jahr seien beim Bundesamt bis Ende Juni 1.363 Anträge eingegangen. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr lag die Zahl bei 2.241 Anträgen, 2023 bei 1.079 und 2022 bei 951 Anträgen.
Neue Beratungsstrategie
Der Kabinettsbeschluss veranlasste die DFGVK-Stellen auch dazu, ihre Beratungsstrategie zu ändern. "Seit letzter Woche empfehlen wir allen jungen Menschen - insbesondere denen, die nach dem 1. Januar 2010 geboren wurden - einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen, da sie laut dem neuen Wehrdienstgesetz sowieso gemustert werden sollen", so Schulze von Glaßer.
Bisher sei Menschen, die noch nichts mit der Armee zu tun hatten, geraten worden, keinen Antrag zu stellen - um der Bundeswehr nicht aufzufallen. Mit der Neuregelung wird für junge Männer ab Jahrgang 2008 das Ausfüllen eines Fragebogens verpflichtend, ab Sommer 2027 soll es auch die Musterung werden.
Wehrbeauftragter Otte fordert ein Jahr Pflichtdienst
Im neuen Wehrdienst-Gesetz soll auch ein Mechanismus verankert werden, der einen Parlamentsbeschluss über eine Wehrpflicht möglich macht, wenn die Bundeswehr nicht den nötigen Zulauf registriert. Der Wehrdienstbeauftragte Henning Otte sprach sich in der Bild-Zeitung schon jetzt für einen Pflichtdienst für alle aus.
"Ich plädiere für ein verpflichtendes Dienstjahr für Frauen und Männer, nicht nur militärisch. Auch in Blaulicht-Organisationen, kulturell, sportlich, ehrenamtlich", sagte der CDU-Politiker. Es brauche auch mehr Frauen in der Bundeswehr.
Mit Blick auf die Freiwilligkeit im neuen Gesetz kündigte er an: "Wenn ich den Eindruck habe, dass es nicht ausreicht, um die Kameraden und Kameradinnen zu unterstützen, dann werde ich mich melden."
Grüne Jugend fürchtet "Wehrpflicht durch die Hintertür"
Zuletzt hatten Interessenvertreter junger Menschen moniert, nicht ausreichend in die Wehrdienst-Gestaltung miteinbezogen zu werden. Sie forderten mehr Mitsprache.
Den Forderungen schloss sich auch die Grüne Jugend an. Der Grünen-Nachwuchs hat Bedenken, wenn es um den Wehrpflicht-Mechanismus geht: Sie sieht in dem neuen Gesetz eine Grundlage, um in den kommenden Jahren "massenhaft zum Wehrdienst zu verpflichten". Ihr Bundessprecher Jakob Blasel sagte der Nachrichtenagentur KNA: "Das ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht durch die Hintertür."
Er kritisierte "neue Zwänge für junge Menschen" - obwohl diese durchaus gewillt seien, sich zu engagieren. Das Gesetz würde "unsere Generation aber einseitig in die Pflicht" nehmen, sagte er. Blasel forderte stattdessen "mehr Geld und mehr Plätze für Freiwillige in anderen Bereichen" - auch im Katastrophenschutz, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt. "Russland führt einen hybriden Krieg mit Desinformation, mit Angriffen auf unseren sozialen Zusammenhalt", begründete er seine Forderung.
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