Obwohl es ihnen zugesagt wurde, durften sie noch nicht nach Deutschland einreisen: In einem Brief an Kanzler Merz sprechen mehr als 200 Afghanen von gebrochenen Versprechen der Bundesregierung und Misshandlungen in Pakistan.

Insgesamt 210 Afghaninnen und Afghanen haben sich mit einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung gewandt und auf ihre prekäre Lage in der afghanischen Hauptstadt Kabul aufmerksam gemacht. In dem Brief, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, schreiben sie: "Unser Leben ist jeden Augenblick bedroht." Zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet.

Die Verfasser befänden sich derzeit in "sicheren Unterkünften" in Kabul, wo sie jedoch in ständiger Angst und Isolation lebten. "Die Angst vor Angriffen der Taliban hält uns innerhalb dieser Mauern gefangen." Die ständige Gefahr habe ein "unerträgliches psychologisches Trauma" verursacht. Sie machen die Bundesregierung für ihre Sicherheit und ihr Überleben verantwortlich, nachdem sie offizielle Aufnahmezusagen bekommen hätten. "Wir haben an Ihre Versprechen geglaubt", schreiben sie.

Misshandlungen in Pakistan - dann Abschiebung

Die Gruppe besteht eigenen Angaben zufolge aus Künstlern, Aktivisten, Juristen sowie ehemaligen Regierungsmitarbeitern und deutschen Ortskräften. "Im Vertrauen auf die Zusagen der Bundesrepublik Deutschland und in der Hoffnung auf ein sicheres Leben in Deutschland haben wir Afghanistan trotz schwerer Bedrohungen und gefährlicher Reisen verlassen", heißt es. Mithilfe deutscher Behörden seien sie nach Pakistan gebracht worden - wo viele seit mehr als drei Jahren gewartet hätten.

Am 15. August seien sie "entgegen allen humanitären und ethischen Standards von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben" worden. Schon zuvor seien sie "Opfer schwerer Misshandlungen, darunter psychischer Druck, Demütigungen, Belästigungen und Missbrauch durch die pakistanische Polizei" geworden.

Offenbar kaum Kontakt mit deutschen Behörden

Seit zehn Tagen gebe es keine "offizielle Mitteilung oder Auskunft über unser Schicksal", heißt es von den Verfassern. Noch am 19. August hieß es auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios aus dem Auswärtigen Amt: "Der Dienstleister der Bundesregierung steht mit allen von einer Abschiebung betroffenen Personen in Afghanistan in ständigem Kontakt." An einem "sicheren Ort" würden sie "eine angemessene Grundversorgung in Bezug auf Unterbringung, Verpflegung sowie erforderliche medizinische Betreuung" bekommen.

Die Gruppe fordert demnach die Rückführung nach Pakistan und die anschließende Umsiedlung nach Deutschland. Außerdem dringt sie auf Verhandlungen mit den pakistanischen Behörden, um die Verhaftung und Abschiebung weiterer anerkannter Antragsteller nach Afghanistan zu verhindern.

Übermittelt worden war der Brief nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios von den Grünen-Abgeordneten Felix Banaszak, Luise Amtsberg, Marcel Emmerich und Schahina Gambir, die ein Unterstützungsschreiben beilegten.

Erfolgreiche Klagen vor Gerichten

Die Koalition von Union und SPD hat vereinbart, freiwillige Aufnahmeprogramme "soweit wie möglich" zu beenden - in diesem Zusammenhang stoppte die Regierung zunächst auch die Aufnahmen von Afghanen. In der Region befinden sich noch mehr als 2.000 Menschen, die von der vorherigen Bundesregierung Aufnahmezusagen erhalten hatten, weil sie unter dem Regime der Taliban Verfolgung befürchten müssen. Viele von ihnen hatten jahrelang für die Bundesrepublik vor Ort gearbeitet.

Zuletzt klagten mehrere Betroffene erfolgreich auf die Aufnahme in Deutschland. Am Montag trafen laut Bundesinnenministerium 45 Afghaninnen und Afghanen per Flugzeug in Hannover ein, nachdem sie die Vergabe der nötigen Visa gerichtlich durchgesetzt hatten.

Wadephul spricht von "außerordentlich schwieriger Situation"

Außenminister Johann Wadephul sprach in Bezug auf die Aufnahmeprogramme von einer "außerordentlich schwierigen Situation". "Wir haben als Koalition klar vereinbart, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden, dazu stehen wir", hatte der CDU-Politiker vor seiner Abreise zu einem Besuch in Indien gesagt. "Wir stehen aber auch dazu, rechtsverbindliche Aufnahmezusagen einzuhalten und sie umzusetzen, das honorieren wir." Es gehe jetzt darum, dass die noch offenen Verfahren "rechtsverbindlich abgewickelt werden".

Unterdessen hat ein Gericht die Entscheidungsfreiheit der Bundesregierung bei Aufnahmeprogrammen betont. Solange Behörden Betroffenen noch keine Aufnahme zugesichert und sich damit rechtlich gebunden hätten, dürften sie frühere Entscheidungen überprüfen, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Es erklärte damit den vorübergehenden Stopp der Aufnahmeverfahren für Ortskräfte und für aufgrund ihrer früheren Tätigkeit gefährdete Menschen für zulässig, wie ein Sprecher mitteilte. 

Mit Informationen von Philipp Eckstein, ARD-Hauptstadtstudio

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