Seit November 2024 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz keinen Präsidenten mehr. Kritik gibt es aus der Opposition, und auch im Haus selbst kommt die offene Stelle schlecht an. Was ist da los?

Monat um Monat vergeht, ohne dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin bekommt. Seit neun Monaten ist der Chefsessel mittlerweile leer.

"Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird jetzt durch seine beiden Vizepräsidenten bis auf Weiteres geführt", erklärte im vergangenen November Maximilian Kall. Zu dem Zeitpunkt war er Sprecher von Nancy Faeser, die damals noch Bundesinnenministerin war.

Ärger im Innenministerium

Die SPD-Politikerin hatte kurz zuvor den langjährigen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang vor die Tür gesetzt: "Der Grund dafür ist, dass das bisherige Amt des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ganz klar zu trennen ist von einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag."

Haldenwang, der ohnehin angekündigt hatte, Ende 2024 aus dem Amt auszuscheiden, musste also bereits im November gehen, nachdem er angekündigt hatte, für die CDU im Bundestagswahlkampf anzutreten.

Der Ärger darüber im Innenministerium war groß. Denn die politische Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes wurde so öffentlich in Frage gestellt. Für die AfD war das ein gefundenes Fressen.

Grüne sehen dringenden Bedarf

Haldenwangs Bewerbung für den Bundestag war letztlich nicht erfolgreich. Und noch immer nicht erfolgreich ist auch die Suche nach einem neuen Präsidenten oder einer neuen Präsidentin für den Verfassungsschutz.

"Das ist ein Problem, ohne jede Frage", sagt Konstantin von Notz. Der Grünen-Politiker ist stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium, das auch den Verfassungsschutz kontrolliert. Er berichtet von "sicherheitspolitisch krisenhaften Zeiten", in denen der Verfassungsschutz dringend eine Leitung brauche.

Das werde im Innenministerium aber offenbar nicht ernst genug genommen, sagt von Notz dem ARD-Hauptstadtstudio: "Und insofern kann man nur sagen, dass Herr Dobrindt da zauderlich und entscheidungsschwach rüberkommt. Deswegen erwarte ich, dass diese Stelle jetzt besetzt wird." Es gebe "ohne jeden Zweifel zahlreiche qualifizierte Männer und Frauen, die diese Position besetzen können in Deutschland", so von Notz.

Auch aus dem Verfassungsschutz ist zu hören, dass die lange Hängepartei bei Mitarbeitern schlecht ankommt. Denn ein Präsident oder eine Präsidentin könnte den Dienst besser nach außen vertreten und weitreichendere Entscheidungen treffen.

Dobrindt sieht keine Eile

Innenminister Alexander Dobrindt will von dieser Kritik nichts wissen: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist exzellent aufgestellt, hat zwei herausragende Vizepräsidenten, die hervorragende Arbeit leisten", sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin.

Geleitet wird der Verfassungsschutz momentan von den beiden Vizepräsidenten Sinan Selen und Silke Willems. Dass die Spitze seit neun Monaten nicht besetzt ist, zeigt für Dobrindt, "dass das ein Thema ist, das ich geerbt habe und [das] aus der letzten Wahlperiode stammt".

Fragen zum weiteren Zeitplan möchte er nicht beantworten. "Aber es gibt ja ein paar personelle Entscheidungen, die in der Bundesregierung insgesamt noch anstehen." Auch das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten werde dann entsprechend mit einer Person besetzt.

Innenminister Dorbindt sieht den Verfassungsschutz gut aufgestellt - auch ohne Präsidenten.

Gespräche mit der SPD

Übersetzt bedeutet das: Dazu laufen noch Gespräche mit der SPD. Und offenbar geht es auch noch um andere Personalien, die mit dem Verfassungsschutzpräsidenten nichts zu tun haben.

Von der SPD gibt es zu dem Thema auf Nachfrage nur ein knappes schriftliches Statement. Darin teilt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede mit, der Verfassungsschutz sei "voll arbeitsfähig". Sie sei sich "sicher, dass zu geeigneter Zeit die Bundesregierung eine Personalentscheidung an der Spitze des Amtes treffen wird." So richtig eilig klingt das nicht.

Dieses Jahr feiert der Verfassungsschutz sein 75-jähriges Bestehen. Für den Herbst wird dazu ein Festakt geplant. Ob es bis dahin einen neuen Chef oder neue Chefin gibt: Stand jetzt ist das offen.

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