Vor einem Jahr hat das Stadtfest in Solingen wegen des Terroranschlags schreckliche Schlagzeilen gemacht. Nun soll das Fest wieder stattfinden. Die Organisatoren hoffen auf viele Gäste.
Das Handy steht nicht still. Getränkelieferanten, Bands, Techniker. Philipp Müller beantwortet gerade viele Rückfragen. Mit seinen langen weißen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, seinem Rauschebart und seiner Kordjacke fällt er auf dem Neumarkt in Solingen sofort auf.
Letzte Vorbereitungen, ein letzter Feinschliff: Müller organisiert mit seinen Mitstreitern Joachim Radtke und Waldemar Gluch das alljährliche Sommerfest in Solingen. Ein ganzes Wochenende voller Musik, wie sie sagen.
Das Fest, das im vergangenen Jahr bereits im Mittelpunkt der bundesdeutschen Aufmerksamkeit stand. Der Anlass allerdings war kein schöner. Bei einem Terroranschlag werden am 23. August 2024 drei Menschen getötet und zehn weitere werden zum Teil schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter, ein syrischer Staatsangehöriger namens Issa Al H., wurde am Tag nach der Tat festgenommen. Nun steht er vor Gericht.
Sie wollen wieder feiern
Müller erinnert sich genau: "Ich habe auf den Bühnen das Stadtfest abgebrochen." Schweren Herzens und komplett unerwartet. Er habe nur funktioniert, erzählt er. "Ich habe im Anschluss gelernt, dass man da aber was mitnimmt. Über all die Zeit lernt man das auch zu verdrängen, um in den Alltag zurückzukommen."
An diesem Wochenende wollen sie aber alles andere als Alltag erleben, sie wollen ein Fest der Freude feiern. Denn eins war Müller und seinen Mitorganisatoren auch klar: "Der Anschlag vom 23. August war eine Zäsur für die Stadtgesellschaft. Aber auf der anderen Seite haben wir auch damals schon gesagt: Wir wollen wieder feiern. Und jetzt sind wir 350 Tage nach dem Attentat und werden wieder eine Sommerparty geben." Die Terroristen dürften nicht gewinnen, betont er.

Philipp Müller organisiert auch in diesem Jahr wieder das Stadtfest in Solingen.
Auch Frank und Gloria Göllmann wollen das nicht. "Wir werden daher kommen und mitfeiern", erzählt das Solinger Paar. Und das, obwohl sie miterleben mussten, was vergangenes Jahr passiert ist.Sie waren am Fronhof, in der Gläsernen Werkstatt, einem Kulturzentrum, standen im ersten Stock und haben aus dem Fenster auf die Veranstaltung geschaut.
"Wir hatten Spaß und haben von oben bei einem schönen Getränk runtergeguckt. Die Bühne war gegenüber von uns und wir hatten eine tolle Sicht und guten Klang. Alles war prima. Doch dann haben wir uns gewundert, wieso die Leute auf einmal so merkwürdig auseinandergehen", erinnert sich Frank Göllmann.
Helfen, wo man kann
"Es waren tausend Eindrücke und es waren gefühlt Tage, die man in diesen paar Minuten erlebt hat", erzählt seine Frau Gloria. Als sie sich erinnern, sitzen sie auf einer Mauer am Fronhof, ein kleiner Marktplatz mitten in der Solinger Innenstadt. Drumherum ein italienisches Restaurant, wo damals viele Schutz suchten. Eine evangelische Kirche und die bereits erwähnte Gläserne Werkstatt.
"Die Menschen liefen zu dieser Kirche, alles schrie und alles war verwirrt, und die ersten Verletzten lagen auf dem Boden", erinnert sie sich weiter. "Wir haben den Täter auch weglaufen sehen. Er wurde verfolgt von jemand anderem, lief dann links um eine Ecke."

Gloria und Frank Göllmann wollen auch dieses Jahr wieder zum Stadtfest in Solingen gehen.
Sie haben damals geholfen, wo sie konnten. Wie auch Ilka Werner. Sie war in der Nacht als Notfallseelsorgerin unterwegs. Als Leiterin des evangelischen Kirchenkreises Solingen und Pastorin gehört das zu ihren Aufgaben: "Ich war froh, dass wir sagen konnten, hier bleibt keiner allein, der nicht allein sein möchte", erzählt sie heute und steht dabei in der leeren Kirche am Fronhof. Dort, wo in wenigen Wochen ein großer Gedenkgottesdienst stattfindet. Jetzt im August treffen sie noch viele Vorkehrungen dafür. Jetzt, wo das Geschehene nach und nach wieder hochkommt.
"Erst der Prozess, dann die Berichterstattung. Also ich werde in letzter Zeit wieder häufiger gefragt, wie es mir damit geht", sagt Werner. "Und ich kann sagen, im Moment ist das vorherrschende Gefühl: Mensch, guck mal, es ist einfach immer noch nicht vorbei."
Unklar, wie viele kommen werden
Von außen gehe es immer um ein Solingen danach, wie es Solingen heute nach dem Attentat geht. Aber Solingen stecke noch mitten im Verarbeitungsprozess, sagt Werner. "Es gibt Menschen, die gehen bis heute nicht über den Fronhof. Ich weiß nicht, wie viele, aber es gibt sie. Es gibt Menschen, die bis heute so versehrt sind, dass sie nicht ihrem normalen Alltag, ihrer Arbeit wieder nachgehen können."
Sie hofft, dass die Sommerparty, aber auch der Gedenkgottesdienst der Solinger Stadtgemeinschaft gut tun wird. Auch wenn komplett unklar ist, wie viele kommen werden, meint sie: "Also ich weiß, dass im letzten Herbst die Hanna-Kirmes hier in Solingen - die immer voll ist - leerer war als sonst und dass das vielleicht mit dem Anschlag zusammenhängt, weil Leute eine Scheu hatten, in dicht gedrängte Menschenmengen zu gehen."

Ilka Werner hofft, dass die Sommerparty der Solinger Stadtgemeinschaft gut tun wird.
Das Ehepaar Göllmann lässt sich nicht abschrecken. "Was ich hier schon immer toll fand, ist, dass es diese Solidarität, dieses Zusammenhalten gibt. Weil Solingen hat ja diesen schrecklichen Brandanschlag schon vor über 30 Jahren erlebt und auch da gab es schon immer eine ganz starke Stadtgemeinschaft." Diese wollen sie auch am Wochenende wieder spüren.
Fonds der Stadt Solingen
Dass dies in Sicherheit passieren kann, dafür wollen die Organisatoren sorgen. Dabei können sie auf finanzielle Unterstützung der Stadt setzen. Als Reaktion auf den Anstieg der Sicherheitsauflagen für öffentliche Veranstaltungen, insbesondere nach dem Terroranschlag, hat der Rat der Stadt Solingen im Februar 2025 die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 300.000 Euro beschlossen. Dieser soll dazu dienen, Vereine und ehrenamtliche Organisatoren bei der Finanzierung strengerer Sicherheitskonzepte für Stadtfeste und Großveranstaltungen zu unterstützen.
Die finanziellen Mittel sind ausschließlich für Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen, um die Veranstaltungen in der Stadt sicherer zu gestalten. Die Förderung ist zunächst für das Jahr 2025 geplant und soll bekannten Festen wie dem Rosenmontagszug oder dem Zöppkesmarkt zugutekommen. Über eine Fortsetzung des Fonds über das Jahr 2025 hinaus soll erst nach der Kommunalwahl im September entschieden werden.
Sommerfest-Veranstalter Müller berichtet, dass sie aus dem Fonds 42.000 Euro erhalten. Am Ende können sie davon auch Sicherheitsmaßnahmen finanzieren, damit Menschen kontrolliert und auch Autos ferngehalten werden können. Ein unscheinbarer Messer-Attentäter könne aber Ende aber schwer aufgehalten werden.
Doch sie wollen - so gut es geht - dass jeder sorgenfrei und unbeschwert zum Sommerfest kommt. Denn am Ende soll ihr Motto zählen: "Wir feiern weiter."
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