Leo XIV. soll entscheiden, ob der Kölner Kardinal Woelki im Umgang mit Missbrauchsfällen fahrlässig gehandelt hat. Der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz erstattete Anzeige nach Kirchenrecht.
"Die Betroffenen nehmen das Verhalten des Kölner Kardinals vielfach als verletzend wahr", sagt Katharina Siepmann. Sie selbst hat als Kind drei Jahre lang schweren Missbrauch erlebt. Seit einem halben Jahr engagiert sich die Katholikin aus Essen deshalb im Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz und ist inzwischen dessen Sprecherin. Der Beirat wurde 2022 von den deutschen katholischen Bischöfen ins Leben gerufen und agiert unabhängig.
Die Anzeige der Betroffenen gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bezieht sich auf Regeln des Kirchenrechts, nicht auf staatliches Recht. "Letztendlich hoffen wir, dass die Zuständigen in Rom und auch der Papst ein solches Verhalten des Kardinals für unzumutbar halten und intervenieren", sagte Siepmann dem WDR.
"Jegliches Vertrauen verloren"
Gemeinsam mit den elf anderen Mitgliedern des Beirats formulierte die Medizinerin die Anzeige, die dem WDR und dem Kölner Stadt-Anzeiger exklusiv vorliegt. Darin heißt es, man habe jegliches Vertrauen verloren, dass unter Rainer Maria Kardinal Woelkis Leitung Missbrauchstaten ohne Rücksicht auf die Täter aufgeklärt werden. Aufarbeitung im Erzbistum Köln scheine vor allem dem Selbstschutz des Kardinals zu dienen.
Es geht um Woelkis Handeln bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Priester des Erzbistums. "Für uns als Betroffene", heißt es in der Anzeige, "ist das Verhalten des Kardinals nicht nur unerklärlich. Sein offensichtlicher Mangel an Einsicht in eigenes Fehlverhalten und schwere Versäumnisse ist auch schmerzhaft und retraumatisierend."
Untersuchung durch den Vatikan?
Damit wendet sich ein offizielles Gremium der Deutschen Bischofskonferenz gegen Woelki und fordert erstmals Papst Leo XIV. auf, eine Untersuchung durch den Vatikan einzuleiten.
Die kirchenrechtliche Anzeige stützt sich auf Ermittlungsergebnisse der Kölner Staatsanwaltschaft, die dem WDR ebenfalls vorliegen. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Meineids-Verfahren gegen ihn im Mai zwar gegen Zahlung einer Geldsumme von 26.000 Euro eingestellt, kam aber zu dem Schluss, Woelki habe fahrlässig die Unwahrheit gesagt und gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Demgegenüber hatte Woelki den Beschluss der Justiz als Beleg dafür bezeichnet, dass er nicht gelogen habe und unschuldig sei.
Woelki machte unwahre Angaben
In der Anzeige der Betroffenen heißt es dazu:
Dass der Kardinal sich als unschuldig darstelle und die Kölner Staatsanwaltschaft dem erst widersprechen müsse, sei bestürzend, schreiben die Betroffenen: "Als Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz erstatten wir daher in aller Form Anzeige gegen Kardinal Woelki und bitten um die Einleitung einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung".
Hoffnungen liegen auf Papst Leo
Am Ende der Anzeige betonen die Betroffenen noch einmal, durch die staatsanwaltlichen Ermittlungen sei nachgewiesen worden, "dass der Kölner Erzbischof in unverantwortlicher und zugleich rechtswidriger Weise seinen Amtspflichten nicht nachgekommen ist."
Sprecherin Siepmann erinnert außerdem an eine Rede des Papstes kurz nach Beginn seiner Amtszeit: "Er hat klar herausgestellt, dass Missbrauch in der Kirche keinen Platz hat, dass Missbrauch aufgeklärt und aufgearbeitet werden muss." Ihre Hoffnung: "Dass sich Papst Leo unserer Belange annimmt und seinen ersten Ausführungen zum Thema Missbrauch dann alsbald auch Taten folgen lässt."
Anzeige hat Aussicht auf Erfolg
Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht in Münster, kritisiert das Verhalten des Kölner Kardinals schon seit Jahren. Seiner Einschätzung nach hat die Anzeige der Betroffenen durchaus Aussicht auf Erfolg: "Weil sie mit Bezugnahme auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen in Köln nachweisen können, dass Kardinal Woelki grundlegende Dienstpflichten im Umgang mit Taten von sexualisierter Gewalt nach Kirchenrecht nicht sachgerecht bearbeitet und dementsprechend pflichtwidrig gehandelt hat."
Schüller nannte im WDR-Gespräch als entscheidenden Punkt, "dass diese Anzeige tatsächlich den Schreibtisch des neuen Papstes, Leo XIV, erreicht, der ein ausgewiesener Kirchenrechtler ist und die ganze Causa Rainer Woelki sehr gut kennt."
Nimmt der Papst Rücktrittsgesuch an?
In einem anderen Fall, sagt Kirchenrechtler Schüller, habe die Anzeige eines Betroffenenbeirats bereits dazu geführt, dass ein Bischof gehen musste: "Von daher traue ich in dieser Angelegenheit durchaus dem neuen Papst zu, dass er dem Recht entsprechend endlich das Rücktrittsgesuch des Kölner Kardinals annimmt, weil dieser zum wiederholten Male seinen kirchenrechtlichen Amtspflichten nicht nachgekommen ist."
Woelki hatte im März 2022 dem damaligen Papst Franziskus formal seinen Rücktritt angeboten. Dieser hatte nicht darüber entschieden. Er habe das Rücktrittsgesuch in der Hand, sagte Franziskus in einem Interview im Juni 2022. Nach dem Tod von Franziskus erklärte Woelki, er sei mit diesem im Reinen gewesen und im Gespräch ermutigt worden, weiterzumachen.
Woelki über Anzeige überrascht
Die Pressestelle des Erzbistums Köln weist auf WDR-Anfrage die vorgebrachten Anschuldigungen des Beirats als "offenkundig haltlos" zurück. Sie bauten "sicherlich unabsichtlich mangels besseren Wissens auf einer Reihe falscher Annahmen und Behauptungen auf".
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft sei nicht geführt worden, um den Umgang mit Anzeigen möglicher Sexualstraftaten, der Meldung von Tätern und erst recht nicht um die Aufarbeitung von Missbrauchstaten aufzuklären, heißt es in der Stellungnahme des Erzbistums. Damit komme eine Anwendung der in der Anzeige erwähnten kirchenrechtlichen Normen nicht in Frage. Kardinal Woelki hätte sich gewünscht, dass die Verfasser mit ihm den kritischen Austausch gesucht hätten.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke