Sollten sich SPD und Union doch noch auf Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin einigen, bräuchten sie auch Stimmen aus der Opposition. Die Grünen fordern eine schnelle Lösung, die Linken zögern.
Die SPD hält an ihrer Kandidatin für das Verfassungsgericht fest, in der Union gibt es hingegen erhebliche Widerstände gegen Frauke Brosius-Gersdorf. Doch um die Juristin in das Amt zu wählen, brauchen die beiden Regierungsparteien eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also Stimmen aus der Opposition.
Die AfD lehnt Brosius-Gersdorf ab. Der Abgeordnete Stephan Brandner hatte sie zuletzt zum Rückzug aufgefordert. Brosius-Gersdorfs Aussagen seien "eindeutig links-ideologisch bis verfassungsfeindlich".
"Können keine Hängepartie bis September haben", Britta Haßelmann, Fraktionsvors. B'90/Die Grünen, zum Debakel um Richterwahl
Morgenmagazin, 16.07.2025 05:30 Uhr"Ich wünsche mir, dass sie bei ihrer Kandidatur bleibt"
Die Grünen hoffen, dass die SPD-Kandidatin an ihrer Kandidatur festhält. "Ich wünsche mir, dass sie bei ihrer Kandidatur bleibt und ich wünsche mir vor allen Dingen, dass die CDU/CSU sich nicht von der AfD so treiben lässt", sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann im ARD-Morgenmagazin. Ziel der AfD sei die "Zerstörung der CDU/CSU."
Haßelmann forderte erneut eine Sondersitzung des Bundestags, um die Richterwahl abzuhalten. Von den Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Jens Spahn und Matthias Miersch, hätten die Grünen auf einen entsprechenden Brief aber noch keine Antwort bekommen.
Es dürfe keine "Hängepartie bis September" geben, forderte Haßelmann. "Denn das Gericht nimmt Schaden. Die Frau nimmt Schaden."
Brosius-Gersdorf - worum geht es bei den Vorwürfen? Die Unionsfraktion hat von der SPD den Verzicht auf die Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht gefordert. Als Grund dafür wurden Zweifel an ihrer Doktorarbeit genannt, aufgrund einer Veröffentlichung des als "Plagiatsjäger" bekannten Stefan Weber auf dessen Website.Dieser hatte bemängelt, dass es in der Dissertation von Brosius-Gersdorf "23 Verdachtsstellen auf Kollusion und Quellenplagiate" gebe. Konkret geht es um sogenannte Textidentitäten in der Doktorarbeit der SPD-Kandidatin und der Habilitation ihres Ehemannes, Hubertus Gersdorf.
Allerdings erschien die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf bereits im Jahr 1997, die Habilitation ihres Mannes erst im Jahr 2000. Rein zeitlich ist es also höchst unwahrscheinlich, dass Brosius-Gersdorf die Passagen übernommen hat. Auch Weber selbst teilte auf der Plattform X mit, dass die Sichtweise der CDU, dass von ihm Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf erhoben wurden, falsch sei.
Der Plagiatsexperte Jochen Zenthöfer sieht das ähnlich. In der Plagiatsforschung gelte der Grundsatz, dass bei Textidentitäten die Arbeit als sauber gelte, die zuerst da war - also in dem Fall die von Brosius-Gersdorf.
Der Plagiatsprüfer Weber nahm bereits zahlreiche Politikerinnen und Politiker ins Visier. So erhob er schon Vorwürfe gegen Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck und Annalena Baerbock (beide Grüne).
Zuletzt hatte er im Auftrag der populistischen Internetplattform Nius Texte der damaligen stellvertretenden Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid, untersucht und ihr massive Plagiate vorgeworfen. Eine daraufhin eingesetzte externe Kommission prüfte die Vorwürfe und fand keine Hinweise, dass Föderl-Schmid systematisch abgeschrieben habe.
"Wir werden sie vermutlich weiter unterstützen"
Die Linke lehnt eine solche Sondersitzung des Bundestags in der parlamentarischen Sommerpause ab. Parteichefin Ines Schwerdtner sagte im ARD-Morgenmagazin: "Ich bin strikt gegen eine Sondersitzung, bis nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen und auch geklärt sind."
Eine Sondersitzung, die am Ende 200.000 Euro koste, wenn man alle Abgeordneten aus der Sommerpause zurückhole, sei nicht zu legitimieren, sagte Schwerdtner. Die Regierung sei in der Pflicht, eine Einigung über die Kandidaten herbeizuführen. "Sonst werden wir das Theater noch einmal aufführen."
Schwerdtner beklagte eine beispiellose Hetzkampagne von rechts gegen Brosius-Gersdorf, der sich die CDU gebeugt habe. Und sie ließ offen, ob die ihre Partei die SPD-Kandidatin weiter unterstützen werde. Der Ball liege jetzt bei CDU und SPD, nicht bei Brosius-Gersdorf selbst. "Wir entscheiden nach inhaltlichen Kriterien. Wir werden sie vermutlich weiter unterstützen, aber wir schauen uns das Gesamtpaket dann an."
"Wir werden sie vermutlich weiter unterstützen", Ines Schwerdtner, Vors. Linkspartei, zur Causa Brosius-Gersdorf
Morgenmagazin, 16.07.2025 05:30 UhrMerz will Thema in kommenden Wochen besprechen
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte angekündigt, dass er das weitere Vorgehen in den kommenden Wochen innerhalb der schwarz-roten Koalition besprechen will.
Brosius-Gersdorf selbst hatte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" einen Verzicht auf ihre Kandidatur nicht ausgeschlossen, sollte der Streit dem Gericht schaden.
Der Bundestag hätte am Freitag drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht neu besetzen sollen. Im Wahlausschuss bekamen auch alle drei eine Mehrheit. In der Union gab es aber dann Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf. CDU/CSU forderten kurz vor der Abstimmung von der SPD, die Kandidatin zurückzuziehen. Daraufhin wurde die gesamte Wahl abgesetzt.
Die Union begründete ihre Kritik mit der Haltung der Juristin zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot. Brosius-Gersdorf wies die Vorwürfe gegen sie als "diffamierend" und "falsch" zurück.
Kurzgutachten entlastet Brosius-Gersdorf
Zudem nannten CDU/CSU als Grund Zweifel an der Doktorarbeit der Juristin. Laut einem Kurzgutachten, das Brosius-Gersdorf selbst in Auftrag gegeben hatte, ist ihr aber kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen. "Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben", erklärte die Stuttgarter Anwaltskanzlei Quaas und Partner. Sie gibt allerdings ausdrücklich eine vorläufige Bewertung ab. "Eine ausführliche rechtliche Bewertung soll ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen", heißt es in dem Kurzgutachten.
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