Scharfe Kritik an der Berichterstattung: Die von der SPD als Verfassungsrichterin nominierte Juristin Brosius-Gersdorf hat sich erstmals seit der abgesagten Wahl geäußert. Es sei offensichtlich, wo sie politisch stehe.
Die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, hat sich erstmals seit der abgesagten Richterwahl öffentlich geäußert. In einem Brief, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, schreibt sie, die Darstellung in einigen Medien sei "unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent" gewesen.
So sei etwa die Behauptung verunglimpfend, sie habe sich für eine Legalisierung und eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt ausgesprochen. Auch ihre Positionen zu einem Kopftuchverbot und zu Paritätsmodellen für die Wahl des Bundestags seien häufig falsch dargestellt worden, schreibt Brosius-Gersdorf.
"Aus Zusammenhang gerissen, um Zerrbild zu zeichnen"
Brosius-Gersdorf wehrt sich zudem gegen die Bezeichnung als "ultralinks" oder "linksradikal". Dies sei "diffamierend und realitätsfern", schreibt die Rechtsprofessorin. "Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte." Zuschreibungen wie "ultralinks" oder "linksradikal" beruhten "auf einer punktuellen und unvollständigen Auswahl einzelner Themen und Thesen, zu denen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Zerrbild zu zeichnen".
Auch kritisierte sie anonyme Äußerungen, die in der Debatte um die Verfassungsrichterwahl von Medien als Quellen herangezogen wurden. "In Zeiten, in denen Politikerinnen und Politiker für sich zu Recht stärkeren Schutz vor verbalen Angriffen fordern und ein 'digitales Vermummungsverbot' diskutieren, befremden anonyme Äußerungen aus den Reihen politisch verantwortlicher Funktionsträger des Staates."
Kollegen kritisieren Umgang mit Brosius-Gersdorf
Auch rund 300 Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler hatten Brosius-Gersdorf zuvor unterstützt. Sie kritisierten in einem offenen Brief, über den das Rechtsmagazin Legal Tribune Online zuerst berichtete, den Umgang mit ihrer Kollegin. An der fachlichen Qualifikation der Kandidatin gebe es keine Zweifel.
Sie sprachen zudem von "fehlendem politischem Rückgrat und mangelnder interner Vorbereitung". Brosius-Gersdorf sei von den verantwortlichen Personen und Institutionen nicht vor Herabwürdigung geschützt worden. Der Vorfall könne auch das Bundesverfassungsgericht beschädigen.
Widerstand aus Union gegen SPD-Kandidatin
Am Freitag waren die Wahlen zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagene Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren.
Die SPD will an Brosius-Gersdorf festhalten. Wie das Nachrichtenportal Politico berichtet, hält auch sie an ihrer Kandidatur fest. Aus der Union kommen hingegen Forderungen nach einer neuen Kandidatin, beispielsweise von CSU-Chef Markus Söder.
Fraktionschef Spahn räumt Fehler ein
Am Montag hatte CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn erstmals öffentlich eingeräumt, dass auch er einen Anteil an der missglückten Richterwahl habe. In einem Brief an die Unionsfraktion schrieb er, dass die positive Bilanz der Koalition dadurch "überschattet wurde, ärgert mich sehr". Der Brief liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
"Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt", gestand Spahn ein. "Die Notbremse am Freitag kam zu spät." Zu dem Zeitpunkt sei man nicht mehr in der Lage gewesen, einen Kompromiss mit der SPD zu finden.
"Der letzte Freitag war für die Koalition ein schwerer Tag. Da gibt es nichts schönzureden", räumte Spahn ein. "Auch wenn eine vertagte Richterwahl sicher keine Staatskrise ist." Spahn schrieb weiter, es bestehe keine Eile, eine Lösung zu finden, weil das Verfassungsgericht voll arbeitsfähig sei.
Grüne wollen neue Wahl noch diese Woche
Die Grünen forderten dagegen einen neuen Anlauf der Wahl bei einer Sondersitzung in dieser Woche und untermauerten dies nun mit dem Brief. Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte allerdings am Sonntag im ARD-Sommerinterview erklärt, bei der Wahl gebe es keine Eile.
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