Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag wollen sich die Mitgliedsstaaten zu neuen Zielen verpflichten. Für Deutschland und seine Streitkräfte dürften diese zur Herausforderung werden. Was wird sich ändern?
Schon bevor die Staats- und Regierungschefs der 32 NATO-Mitgliedsländer in Den Haag zusammenkommen, ist klar: Die militärischen Anforderungen an jedes Mitglied, die sogenannten Fähigkeiten, die vorgehalten werden müssen, werden im Schnitt um rund ein Drittel erhöht. Auch die Bundeswehr steht vor umfangreichen Veränderungen. Ein Überblick:
Truppenstärke
Die Bundeswehr soll unter anderem mehr Heeresbrigaden in ständiger Alarmbereitschaft stellen als bisher. Dafür müssen die deutschen Landstreitkräfte größer werden. Hinzu kommen neue Flugabwehreinheiten und andere Truppenteile.
Bisher sahen die Planungen des Bundesverteidigungsministeriums vor, dass die deutschen Streitkräfte von rund 180.000 auf gut 200.000 Soldaten und Soldatinnen anwachsen sollten. Damit werden die neuen NATO-Anforderungen aber nicht zu schaffen sein. Verteidigungsminister Boris Pistorius schätzt, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren auf eine Stärke von rund 260.000 Männern und Frauen gebracht werden muss.
Wehrpflicht
Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten und Soldatinnen dürfte die Debatte um eine Wehrpflicht in Deutschland wohl noch einmal intensiver werden. Der Bundesverteidigungsminister will in den nächsten Wochen einen Entwurf für ein Wehrdienstgesetz ins Kabinett einbringen. Die schwarz-rote Regierung hat sich im Koalitionsvertrag auf einen Dienst verständigt, der auf Freiwilligkeit basiert.
Nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Bundestagsverteidigungsausschusses Thomas Röwekamp muss ein neuer Wehrdienst aber auch verpflichtende Elemente enthalten. Denkbar sei eine Verpflichtung zur Teilnahme an einer Musterung bis hin zu einem verpflichtenden Wehrdienst, wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreiche, sagte Röwekamp im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Ausrüstung
Die neuen NATO-Vorgaben würden vor allem für die europäischen Mitgliedsländer bedeuten, dass sie auch militärische Fähigkeiten selbst vorhalten müssten, die bisher von den USA gestellt wurden, ist sich der Militäranalyst Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) sicher. Besonders bei den "teuren Angelegenheiten, den Fähigkeiten zur Aufklärung, zur Kommunikation, sowie bei Betankungsflugzeugen und Satellitenaufklärung werden sich die USA zurückziehen", betonte Gressel. Hier hätten die Europäer sehr teuren Nachholbedarf.
Die Bundeswehr werde also nicht nur wachsen, sondern auch massiv nachrüsten müssen, fasst der Verteidigungsexperte Christian Mölling zusammen, der die Situation der deutschen Streitkräfte seit Jahren beobachtet. Am drängendsten sind aus seiner Sicht Beschaffungen für die Flugabwehr, aber auch die Anschaffung weitreichender Raketen und Marschflugkörper, um Gegner auf Distanz halten zu können.
Mölling sieht allerdings grundsätzlich in quasi allen militärischen Feldern bei der Bundeswehr Lücken: "Alles, was man sich vorstellen kann, was moderne Streitkräfte brauchen, haben wir zur Zeit nicht - entweder in der ausreichenden Zahl oder der Qualität", sagte Mölling dem ARD-Hauptstadtstudio.
Budget
Die NATO-Mitgliedsstaaten werden sich bei dem Gipfel dazu verpflichten, ihre Verteidigungsetats zu erhöhen. US-Präsident Donald Trump verlangt, dass die NATO-Partner fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Für Deutschland wären das, nimmt man das Bruttoinlandsprodukt vom vergangenen Jahr als Ausgangsgröße, rund 215 Milliarden Euro.
NATO-Generalsekretär Rutte hat vorgeschlagen, die Zahl aufzuteilen: 3,5 Prozent für klassische Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für sogenannte verteidigungsrelevante Ausgaben. In Deutschland könnten darunter zum Beispiel Ausgaben für Straßen- und Schienen-Infrastruktur, Cybersicherheit, Geheimdienste und Digitalisierung fallen. In vielen dieser Bereiche hat die schwarz-rote Bundesregierung bereits Investitionen angekündigt. Diese Ausgaben würden der NATO dann künftig als verteidigungsrelevant gemeldet werden.
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