Der Krieg zwischen Iran und Israel besorgt auch die Iraner und Israelis, die in Deutschland leben. Israels Vorgehen stößt auf ein gemischtes Echo. Zusammenhalten wollen die Gemeinden trotzdem.
Auf der Suche nach iranischen Stimmen in Deutschland stößt man auf "Woman Life Freedom Unity" - eine Organisation, die sich im Iran 2022 gegründet hat. Neda Paiabandi ist dort aktiv. Sie ist Kurdin aus dem Iran und als Jugendliche aus der Islamischen Republik geflohen. Sie hat noch zahlreiche Verwandte im Iran. Trotz ihrer Trauer und der angespannten Wut ist sie herzlich und kann noch immer lachen.
Paiabandi beschreibt, sie sei seit vergangenem Freitag in einer absoluten Schockstarre, wie viele in der Community. Sie selbst hat den Iran-Irak-Krieg als Kind mitbekommen. "Ich weiß, was Krieg bedeutet: Diese Ohnmacht den Angriffen gegenüber, die Angst, von einer Bombe erwischt zu werden."
Zunächst freute sie sich darüber, dass führende Köpfe der Islamischen Republik ausgeschaltet wurden. Jetzt könne sie sich nicht mehr freuen. Sie hat Angst um die Menschen im Iran.
"Das iranische Volk hat klargemacht, dass sie nicht wollen, dass sie jemand von außen befreit. Sie fordern nur, dass ihre Unterdrücker nicht unterstützt werden." Paiabandi merkt an, dass Deutschland trotz der Sanktionen der wichtigste europäische Handelspartner des Irans ist.
Gespaltene Diaspora
In der iranischen Diaspora beobachtet Paiabandi verschiedene Ansichten. So gebe es Iraner, die Israels Angriffe unterstützen. Sie sagt, besonders Monarchisten hofften darauf, dass dadurch die Islamische Republik gestürzt wird. "Aber zu welchem Preis und wer leidet darunter?", fragt sie. Es gibt viele unterschiedliche Meinungen, aber was viele eint: Sie wünschen sich, dass Menschen Anteil nehmen und fragen, wie es ihnen und ihren Familien geht.
Ein weiterer Iraner in Deutschland ist Navid (Name von der Redaktion geändert). Er ist 2023 als Doktorand nach Köln gekommen. Auch ihm fällt auf, dass einige Iraner in Deutschland Israels Kampf gegen die Islamische Republik unterstützen. "Das liegt dran, dass viele Iraner ein schwieriges Verhältnis zum Regime haben, da sie im Iran im Gefängnis saßen oder andere Repressionen erlebt haben", bemerkt er.
Er selbst verurteile das iranische Regime und habe als Student jahrelang dagegen gekämpft. "Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, dass mein kleiner Neffe oder meine Mutter oder meine Großmutter bombardiert werden." Die Argumentation des Präventivschlags hält für ihn nicht stand. Auch in Gaza werde damit argumentiert, dass es ein Kampf gegen die Hamas ist. Trotzdem seien dort Zehntausende Zivilisten getötet worden.
Angriff als Selbstverteidigung?
Auch Mitglieder der israelischen Community in Deutschland sind in Sorge um Familie und Freunde. So auch Vitaly Kivsh. Der jüdische Deutsch-Israeli wurde in der Ukraine geboren, wuchs in Israel auf und lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Er engagiert sich bei Kehila, einem Verein für Israelis in Nordrhein-Westfalen. Er lädt zu einem Gespräch bei ihm zu Hause ein. In seinem Garten erzählt er, prinzipiell sei er gegen Krieg. "Am Ende von jedem Konflikt steht das Leid von Menschen, Tod und Zerstörung."
Trotzdem befürwortet Kivsh den Angriff Israels gegen den Iran. Der Iran unterstütze Gruppen wie die Hamas in Gaza oder die Hisbollah im Libanon und habe somit Israel indirekt angegriffen. Außerdem habe das Regime eindeutig gesagt, dass Israel kein Existenzrecht habe. Für ihn ist der Angriff auf den Iran Selbstverteidigung. "Kein Land würde es zulassen, dass ein anderes Land Atomwaffen hat und sagt, wir werden euch mit diesen Waffen auslöschen."
"Gemeinsames Ziel, die Regierung zu stürzen"
Von einem Sturz des iranischen Regimes würde nach Kivshs Meinung auch das iranische Volk profitieren, das jahrelang gegen die Islamische Republik protestiert habe. "Israel und das iranische Volk haben das gemeinsame Ziel, die Regierung im Iran zu stürzen." Er betont, dass es bei dem Kampf gegen den Iran nicht gegen das iranische Volk gehe. "Es geht nicht gegen eine Nation, nicht gegen eine Religion oder darum, wer du bist, sondern gegen ein bestimmtes Regime."
Natürlich mache er sich auch Sorgen um Verwandte in Israel. Sein Bruder und mehrere Tanten leben dort. Er telefoniert täglich mit ihnen - und beschreibt, dass die Menschen Nächte in Kellern verbringen. "Ich mache mir Sorgen, dass mein Bruder irgendwann nicht mehr auf meine Nachrichten antwortet."
Zivile Opfer in Kauf genommen?
Auch die Studentin Naomi Tamir sorgt sich um ihre Familie in Israel. Sie ist im Vorstand der Jüdischen Studierendenunion Deutschland. Ihre Eltern sind beide aus Israel, ein großer Teil ihrer Familie lebt noch dort. Tel Aviv sei im Ausnahmezustand. "Meine Großeltern würden es zeitlich gar nicht schaffen, in einen Bunker zu laufen, die übernachten im Keller."
Einen Präventivschlag gegen den Iran hält sie dennoch für notwendig, da nukleare Waffen im Besitz des Iran für Israel existenzgefährdend wären. Trotzdem sagt sie: "Es ist eine große Schande, dass es zivile Opfer gibt und die in Kauf genommen werden." Das dürfe von beiden Seiten nicht passieren.
Solidarität zwischen den Communities
Tamir betont, wie wichtig Solidarität zwischen der jüdischen und der iranischen Diaspora in Deutschland sei. Während der "Woman Life Freedom"-Proteste demonstrierte sie gemeinsam mit iranischen Freunden.
Trotz der Eskalation zwischen Israel und dem Iran bleibe das Verhältnis zwischen den Communities weiter gut. "Weder wir sind verantwortlich für die Angriffe seitens Israel, noch sind die Exil-Iraner verantwortlich für die Angriffe des iranischen Regimes. Man fühlt den Schmerz voneinander und fragt sich auch gegenseitig, wie es der Familie geht."
Auch Vitaly Kivsh beschreibt das Verhältnis zur iranischen Community in Deutschland als positiv. Sein Verein hatte im vergangenen Sommer eine Filmvorstellung über Frauenrechte im Iran gemeinsam mit der iranischen Gemeinde in Düsseldorf organisiert.
Navid glaubt nicht, dass sich durch den Konflikt zwischen der iranischen und der israelischen Community in Deutschland etwas ändern sollte. "Juden und Iraner haben über 2.000 Jahre lang zusammengelebt, es gibt keine Feindseligkeit." Er kritisiert das Narrativ, dass Antisemitismus in Deutschland durch Muslime importiert wurde.
Stattdessen sei der vor allem ein deutsches Problem.
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