Soll es in Deutschland wieder einen verpflichtenden Wehrdienst geben? Aus Sicht des neuen Wehrbeauftragten führt daran kein Weg vorbei. Die Freiwilligkeit, auf die die Bundesregierung setze, reiche nicht, sagte er in den tagesthemen. Die SPD sieht das anders.

Der neue Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte, hat sich grundsätzlich für eine Wehrpflicht in Deutschland ausgesprochen. Die Bundesregierung setze auf Freiwilligkeit, er als Wehrbeauftragter werde sich die Wiedereinsetzung des verpflichtenden Wehrdienstes aber "auf Wiedervorlage legen - und zwar noch dieses Jahr". Die "verpflichtenden Elemente" müssten jetzt vorbereitet werden, sagte der CDU-Politiker Otte im Interview mit den tagesthemen.

"Die Truppe ist stark gefordert, sie darf nicht überdehnt werden", so Otte. Man könne nicht immer mehr auf die Schultern der Soldatinnen und Soldaten packen, sondern die Schultern müssten breiter gemacht werden. Der Wehrbeauftragte bezweifelt, dass die von der Bundesregierung angestrebte Lösung dafür ausreicht, die weiterhin auf Freiwilligkeit setzt.

Bei Musterung "hätte man den direkten Draht"

Otte verweist stattdessen auf das in Schweden praktizierte Modell mit verpflichtender Musterung. "Da hätte man den direkten Kontakt, und mein persönlicher Eindruck ist, dass im Gespräch mit jungen Menschen die Überzeugung wächst, für die Bundeswehr einzutreten, um Frieden und Freiheit auch in der Zukunft zu wahren", so der CDU-Politiker.

Zur Äußerung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass 60.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten gebraucht würden, sagte Otte, dieser müsse jetzt sagen, wie dies zu gewährleisten sei. Die kürzlich beschlossene Regelung, alle jungen Männer anzuschreiben und sie zu einer Antwort zu verpflichten, ob sie Wehrdienst leisten wollen, hält der Wehrbeauftragte nicht für weitgehend genug.

Rein rechtlich gilt in Deutschland die Wehrpflicht noch immer. Sie war aber im Juli 2011 - nach 55 Jahren - unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam.

"Das Machbare schnell umsetzen"

Otte schlug zudem vor, den Dienst bei der Bundeswehr besser zu honorieren. Dabei wären auch Rentenpunkte denkbar. Zudem könne man den Führerschein anbieten und die Dienstzeit auf die Wartesemester fürs Studium anrechnen. Hier sei die Bundesregierung gefordert, ein Gesamtpaket zu schnüren, um die Truppe so auszustatten, damit sie ihren Auftrag erfüllen könne.

Der Wehrbeauftragte geht aber davon aus, dass eine mögliche Wehrpflicht in Deutschland auf absehbare Zeit nur für Männer gelten könnte. Ein verpflichtender Dienst auch für Frauen - wie etwa in Dänemark geplant - hält Otte nicht für realistisch. Dies würde eine Grundgesetzänderung voraussetzen, die zurzeit nicht nicht in Sicht sei. Für Änderungen am Grundgesetz ist im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Dafür wären Union und SPD auch auf Stimmen von AfD oder Linkspartei angewiesen. Es gelte "das Machbare schnell umzusetzen", so Otte, damit nicht "immer mehr Aufträge an die Truppe gehen, ohne dass das notwendige Personalkontingent zur Verfügung steht".

CDU-Verteidigungsexperte für Dienstpflicht - auch für Frauen

Auch der Vorsitzende des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, forderte eine Rückkehr zur Wehrpflicht. "Bei Fähigkeitszielen der NATO von rund 250.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten muss jedem nun klar sein, dass es ohne die Reaktivierung der Wehrpflicht nicht geht", sagte er der Rheinischen Post. Sensburg saß lange für die CDU im Bundestag.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, der CDU-Politiker Thomas Röwekamp, machte sich hingegen für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht stark. Diese solle "nicht nur dem Militär dienen, sondern kann auch in sozialen oder zivilgesellschaftlichen Bereichen erfüllt werden", sagte Röwekamp. Und sie solle "für Männer und Frauen gleichermaßen" gelten.

Miersch: Nicht in dieser Legislaturperiode

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch erteilte solchen Rufen nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht aber eine kategorische Absage. "Im Koalitionsvertrag ist eindeutig festgelegt, dass wir auf Freiwilligkeit setzen", sagte Miersch der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Auch ohne Zwang sei das Ziel von 60.000 zusätzlichen Soldaten "mittelfristig" zu erreichen. "Über eine Wehrpflicht kann man dann gegebenenfalls in der kommenden Legislaturperiode verhandeln, in dieser nicht."

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