Beim Forum Automotive in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen skizzierte VDIK-Präsidentin Imelda Labbé die zentralen Stellhebel für die Zukunft der individuellen Mobilität: Brüssel als eigentliche Schaltstelle, bezahlbarer Ladestrom und bessere Infrastruktur als Voraussetzung für den E-Hochlauf, Technologieoffenheit mit Plug-in-Hybriden als Brückentechnologie sowie Software, Connected Car und Datenmanagement als neue Kernkompetenzen von Industrie und Handel. Für Autohäuser und Servicebetriebe bleiben Aftersales-Erträge, Fachkräftegewinnung und der professionelle Umgang mit Restwerten entscheidend, um die Transformation wirtschaftlich zu bewältigen.
Labbé betonte, wie stark die internationalen Hersteller den deutschen Markt prägen. Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) umfasst 39 Marken aus 14 Ländern, die rund 50 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Trotz unterschiedlicher Herkunft seien die Interessen im deutschen Markt ähnlich: Fahrzeuge verkaufen, Service sicherstellen, Restwerte stabilisieren und tragfähige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Handel und Werkstätten schaffen.
Brüssel vor Berlin: Wo die Regeln wirklich entstehen
Zentraler Punkt des Vortrags: Die meisten entscheidenden Weichenstellungen für die Branche entstehen nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Vorgaben zu CO2, Emissionen, Datenzugang oder Digitalisierung werden auf EU-Ebene definiert. Deshalb läuft die politische Arbeit zweigleisig – über den europäischen Herstellerverband ACEA sowie über Bundestagsabgeordnete in ihren Wahlkreisen. Labbés Erfahrung: Netzwerke und Präsenz sind oft wichtiger als Industrie-Track-Records.
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Elektromobilität: Ohne günstigen Strom kein Massenmarkt
Der aktuelle BEV-Hochlauf sei stark rabattgetrieben, da Hersteller CO2-Strafen vermeiden wollen, mahnte Labbé. Diese Rabattschlacht belaste Restwerte und Gebrauchtwagen massiv. Anstatt neuer Kaufprämien fordert der VDIK deshalb verlässliche Strompreise – vor allem beim Schnellladen – sowie einen konsequenten Ausbau der Ladeinfrastruktur. In vielen Städten kämen teils 200 E-Autos auf einen Ladepunkt. „Die Zukunft ist elektrisch – aber nur dort, wo Infrastruktur und Strompreise es den Kunden ermöglichen“, resümierte Labbé.
Technologieoffenheit und Übergangstechnologien
Trotz klarer BEV-Perspektive sagt Labbé: „Wir brauchen Technologieoffenheit. Übergangstechnologien wie Plug-in-Hybride sind notwendig, um die Kunden mitzunehmen.“ Gleichzeitig kritisierte sie widersprüchliche Signale zwischen Berlin und Brüssel: Während die EU PHEV über die Absenkung des Utility-Faktors unattraktiv mache, fördere Deutschland sie weiter über die Dienstwagenbesteuerung.
Software statt nur Antrieb: Die eigentliche Revolution
Für Labbé liegt die größte Transformation nicht im Antrieb, sondern in der Software. Software-Defined Vehicles (SDV), vernetzte Autos und autonome Fahrfunktionen werden Geschäftsmodelle, Wertschöpfung und Kundenbeziehung neu definieren. Connected-Car-Daten werden zu zentralen Loyalitätsfaktoren – aber auch zum Einstiegspunkt für neue Wettbewerber wie digitale Servicebroker. Der VDIK setzt sich gegen sektorspezifische Datenzugangsregeln ein, fordert aber den strategischen Einsatz der Daten im Sinne des Handels.
Aftersales unter Druck: Kosten, Kapazitäten und Fachkräfte
Aftersales bleibt ein zentraler Ertragsbringer – steht aber gleichzeitig massiv unter Druck. „Uns geht es darum, dass wir vor allem in Richtung Brüssel dafür sorgen, dass der Bürokratieabbau vorankommt und bessere Voraussetzungen für das so wichtige Servicegeschäft zu schaffen“, sagte Labbé vor den Studenten.
Elektrofahrzeuge bringen 30 bis 40 Prozent weniger Werkstattertrag, während Lohn- und Strukturkosten steigen. Hohe Krankheitsquoten und Fachkräftemangel verschärfen die Lage. Der VDIK fordert attraktivere Berufsprofile, modernere Ausbildung und realistische Kostenstrukturen, sonst drohe ein Abwandern der Kunden in freie Werkstätten.
Gebrauchtwagen und Restwerte: Schlüssel zur Akzeptanz
Der Preis- und Rabattdruck verschärfe die Restwertproblematik elektrischer Fahrzeuge. Dreijährige BEV liegen heute schon deutlich unter vergleichbaren Verbrennern. Der VDIK verlangt deshalb gezielte Impulse für den BEV-Gebrauchtwagenmarkt, u.a. Förderprogramme, Batteriezustandszertifikate und stabile Restwertperspektiven.
Fazit: Mehr Praxis, weniger Ideologie
Labbé plädierte für weniger Ideologie und mehr Realitätssinn in der Mobilitätsdebatte. Die Mobilitätswende funktioniere nur, wenn Politik, Industrie und Handel gemeinsam tragfähige Rahmenbedingungen schaffen. Brüssel setze die Leitplanken, Berlin müsse sie klug umsetzen – und die Branche müsse die Kunden auf dem Weg in die neue Mobilität mitnehmen.
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