Volvo dreht seine klassische Business-Limousine auf elektrisch. Ausschließlich. ntv.de hat die erste Runde mit dem eleganten Viertürer ES90 gedreht. Dank des großen Akkus und schneller 800-Volt-Ladetechnik könnten auch Langstrecken-Fahrer schwach werden.

Limousinen sind in Deutschland eher Nische, und wenn sie gekauft werden, dann am ehesten noch die von deutschen Premiumherstellern. Also scheint sich Volvo gedacht zu haben: Warum nicht den Twist wagen und in diesem Segment gleich komplett auf Verbrenner-Varianten verzichten. Im Gegensatz zu den häufig verkauften SUV, die vorerst mit verschiedenen Benzinern im Programm bleiben, kappen die Schweden nämlich die V90-Baureihe und schaffen mit dem ES90 entsprechenden Ersatz. Der kommt übrigens bloß als Limousine - der Kombi entfällt angesichts der globalen Marktlage.

Zwecks erster Testfahrten hat Volvo die Basisvariante mit 333 PS und Hinterradantrieb mitgebracht. Und der erste Blick nach dem Einstieg fällt natürlich auf die Reichweite: Hier stehen 630 Kilometer auf der Uhr bei 98 Prozent State of Charge - damit kann sogar der Vielfahrer arbeiten. Schön wäre gewesen, zu checken, wie schnell der Volvo nachladen kann, aber die Batterie ist auf der Testroute kaum in die Knie zu zwingen. Hier müssen spätere Tests Aufschluss bringen. Laut Werksangabe soll der Hub von 10 auf 80 Prozent jedenfalls binnen 22 Minuten zu schaffen sein.

Also schön in die Fauteuils fläzen und Fahrstufe D einlegen. Und schon schleicht der 2,5-Tonner geschmeidig los trotz mächtiger 22-Zöller und überzeugt nach wenigen Metern mit feinem Abrollkomfort. Er wirkt subjektiv betont leise, allerdings führt die Route größtenteils über die Landstraße an der südfranzösischen Küste, und wenn ein kleines Stück Autobahn dabei ist, dann reglementiert auf gemächliche 110 km/h. Alles Strecken, die man getrost mit der Singlemotor-Variante bestreiten kann, bei der 480 Newtonmeter an Drehmoment an den Hinterrädern wüten. Die reichen zumindest, um moderaten Druck auf die Rücken der Passagiere auszuüben. Demnach sollen nach 6,6 Sekunden 100 km/h stehen. Und wenig später rennt der Skandinavier in die selbst gewählte 180-km/h-Wand. Bei diesem Modell vielleicht nicht ganz so ärgerlich, bei der 680-PS-Performance-Variante für deutsche Kunden aber durchaus.

Der Volvo ES90 lebt den Fahrkomfort

Allerdings lebt der ES90 eher den gepflegten Komfort als Dynamik-Auswüchse, und das gilt auch für die Querperformance. Hier lupfst du lieber das Fahrpedal vor der Kurve, machst eine Spur langsamer. Die Lenkung ist eher auf Leichtgängigkeit getrimmt, wenngleich sie ordentlich rückmeldet und durchaus präzise agiert.

Unter dem Strich wird der fünf Meter lange Volvo zur Komfortoase mit viel Platz vorn und vor allem hinten. Bei 3,10 Metern Radstand gibt es naturgemäß reichlich Beinfreiheit und nicht minder üppige Fondsessel, wobei die Massagefunktion den vorderen Exemplaren vorbehalten bleibt.

Apropos vorn: Mit dem neuen ES90 ziehen auch frische architektonische Akzente in das Interieur ein. Eine gut erreichbare, kristallene Walze regelt praktischerweise die Lautstärke der Audioanlage - physisch, wohlgemerkt. Dafür nervt die Spiegelverstellung per Touchscreen. Solche Grundfunktionen gehören einfach direkt anwählbar, da hilft auch das vermeintliche Totschlagargument nicht, man müsse nur einmal im Leben die Außenspiegel verstellen. Design ist ja gut und schön, aber ein Mindestmaß an Praxistauglichkeit wäre es auch. Immerhin gibt es eine gut zugängliche Ladeschale für das Smartphone, die zugleich als annehmbare Ablage fungiert. Und das Panorama-Glasdach verdunkelt auf Wunsch trendgemäß elektrochromatisch.

Das Infotainment präsentiert sich auf dem neuesten Stand, dürfte Volvo-Kunden allerdings vertraut vorkommen. Der zentrale große Touchscreen dient nach wie vor als Kommandozentrale und ist intuitiv zu beherrschen. Shortcuts für das Ausschalten von Spurhalteassistent sowie Tempolimit-Piepser erfreuen an dieser Stelle; was weniger erfreut und für nicht wenige Kunden sogar ein K.-o.-Kriterium sein könnte, ist, dass man die Fahrerüberwachung nie ganz ausschalten kann. Ist man aufmerksam, wird man nicht behelligt. Aber ist man mal eine Zeit nicht ganz aufmerksam, kann es passieren, dass man in Kombination mit einer schon leichten Spurabweichung eine Lenkkorrektur kassiert, was als übergriffig zu empfinden ist.

Bleibt das Preiskapitel. Ab 71.990 Euro gibt es den Volvo ES90 - dann mit nur einem Permanentmagnet-Synchronmotor. Diese Version ist übrigens nicht der Reichweiten-Champion auf dem Papier. Glaubt man dem Hersteller, kosten zwei Motoren nicht so viel Effizienz, als dass der Stromvorrat im 106 kWh großen Akku schneller zusammenschmelzen würde als bei der Basisbatterie, die lediglich 92 kWh bunkert. Hier werden 700 Kilometer angegeben, während es beim Grundmodell bloß maximal 651 sind in der kombinierten WLTP-Disziplin. Allerdings dürfte man mit Abzügen rechnen, sofern der Autobahnanteil größer wird. Doch auch dazu in späteren Tests mehr.

Für die bärenstarken Allradversionen möchte Volvo mindestens 88.990 Euro (449 PS) sehen - dann mit serienmäßiger Luftfederung. Die Performance-Ausgabe mit 680 PS kostet gar 94.490 Euro. Damit rückt die zweifellos gediegene Limousine preislich allerdings schon in die Nähe des emotionalen Polestar 5 mit noch mehr Power und ohne 180-km/h-Begrenzung. Und das könnte ein markttechnisch interessantes Duell werden.

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