Mercedes gibt Strom und arbeitet massiv am Ausbau seiner Ladeperformance. Während 800 kW nächstes Jahr schon Realität werden könnte, kommt mit dem Feststoffakku mittelfristig der nächste Batterie-Hammer. Erprobt wird die Technologie derzeit im EQS.
Ein triftiger Grund für die Kaufzurückhaltung bei der elektrisch angetriebenen Mobilität ist und bleibt einstweilen das Ladegeschehen. Laden ist eben noch nicht wie Tanken. Doch allmählich kommt Bewegung in die Sache, denn die Ladezeiten werden kürzer, während die Energiedichte der Stromspeicher zunimmt.
Der nächste große Entwicklungsschritt bei den Batterien dürfte der Feststoffakku sein, und dieser erscheint schon langsam am Horizont. Und während die Öffentlichkeit noch jammert, dass die chinesische Autoindustrie den Europäern technologisch enteile, zeigt Mercedes, was in puncto Akku geht. Pünktlich zur IAA Mobility in München haben die Schwaben nun ihre Testfahrt mit einem EQS abgeschlossen. Aber es handelte sich nicht um einen gewöhnlichen EQS, sondern um einen mit sogenannter Festkörperbatterie.
Im Rahmen einer praxisnahen Erprobungsfahrt hat Mercedes die rein elektrisch angetriebene Oberklasse von Stuttgart ins schwedische Malmö pilotiert. Dabei hat der Luxusliner 1205 Kilometer ohne Ladestopp zurückgelegt. Mercedes spricht von 25 Prozent mehr nutzbarer Energie, somit dürfte der Stromspeicher rund 150 kWh mitführen.
Andererseits muss man sagen: Diese Technologie ist noch nicht gleich morgen verfügbar. Denn das, was Mercedes gemeinsam mit der Mercedes-AMG High Performance Powertrains (HPP) auf den Weg gebracht hat - hier handelt es sich um die Formel-1-Entwicklungsdivision im britischen Brixworth -, ist komplex und bedarf noch weiterer Erforschung.
Feststoffakkus sind auf Produktionsebene noch kompliziert
Ein Problem ist unter anderem, dass sich das Zellvolumen bei diesem Akkutyp in der Benutzung verändert - also sowohl bei der Energieentnahme als auch beim Laden. Und hier wird es technisch kompliziert. Mercedes setzt pneumatisch gesteuerte Aktuatoren ein, um die Druckbeaufschlagung der Zellen im Gleichgewicht zu halten. Das wird nötig, damit der feste Elektrolyt den Kontakt mit Anode und Kathode nicht verliert. Doch genau der feste Elektrolyt ist der Knackpunkt. Er bietet etliche Vorteile gegenüber heute zum Einsatz kommenden Batterien mit Flüssigelektrolyt. So ist nicht nur die Energiedichte deutlich höher. Auch das Brandrisiko ist geringer, denn der feste Elektrolyt ist nicht so einfach entflammbar wie flüssiger.
Darüber hinaus können Feststoffakkus deutlich schneller geladen werden. Denn die Lithium-Ionen bewegen sich im festen Medium geordneter und es entstehen keine Dendriten. Dabei handelt es sich quasi um eine Metallbildung an den Anoden - das passiert, wenn die Ionen beim Laden nicht ordnungsgemäß eingelagert werden. Am Ende besteht eine Kurzschlussgefahr, weil Dendritenauswüchse (vergleichbar mit kleinen Eiszapfen) den sogenannten Separator durchstoßen können.
Temperaturfestigkeit ist der Schlüssel
Spannend ist aber auch die Temperaturfestigkeit von Feststoffbatterien. Elektroautofahrer können ein Lied davon singen: Richtig tiefe Temperaturen zwingen den Akku in die Knie. Er lädt viel träger und speichert weniger Energie. Also wird infrastrukturell geheizt oder umgekehrt auch gekühlt, wenn der konventionelle Akku zu warm wird. Auch hier hat die Feststoffbatterie Vorteile dank höherer Temperaturbeständigkeit. Feste Elektrolyte bleiben selbst bei 100 Grad Celsius noch stabil.
Doch wann findet der Zauberakku überhaupt den Weg in eine breite Serienanwendung? Angesichts der jetzigen Erprobung ist von einem mittelfristigen Marktstart auszugehen. Indes würde das für Mercedes bedeuten, dass die nächste Modellgeneration der S-Klasse beispielsweise schon mit Feststoffakku auf den Markt kommen könnte. Und nach dem Top-down-Prinzip könnte diese Technologie dann auch rasch in die bürgerliche Klasse schwappen.
Doch auch andere Hersteller wie Nissan, Toyota und auch Volkswagen forschen am Feststoffakku. Ganz zu schweigen von den Chinesen. Und man arbeitet natürlich daran, die Technologie zu vereinfachen - es müssen beispielsweise Alternativen zum komplizierten pneumatischen Druckausgleich her. Hier könnte die Materialforschung genauso weiterhelfen wie ein verändertes Package-Design. Nach diesem Szenario darf man davon ausgehen, dass die Technologie nach dem Jahr 2030 langsam den Weg in die Serie finden. Und spätestens dann sollten sich die Diskussionen um schnelles Laden gelegt haben.
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