Mit einem Mittelklasse-Kombi saust BYD betont europäisch um die Ecke, um ein weiteres Stück vom Kuchen des hiesigen Marktes abzugreifen. Kann das funktionieren? ntv.de hat den BYD Seal 6 DM-i Touring erstmals gefahren.

Auf den ersten Blick macht der BYD Seal 6 Touring ganz schön was her. "Sieht ziemlich europäisch aus", denke ich bei mir. Eine nach hinten ansteigende Gürtellinie beispielsweise bringt Spannung in den Gestaltungscocktail und die betont großen Türgriffe erinnern in puncto Formensprache ein bisschen an BMW - wirkt also europäisch. Nur das BYD-Logo vorn mutet ein wenig groß an, aber so lautet eben der Trend.

Und dann, nach dem Entern, für einen kurzen Moment Ernüchterung. Der jüngste BYD riecht, als hätten sich etliche Moleküle aus den Kunststoffen selbstständig gemacht, olfaktorisch ähnlich aufregend, wie man das von den ersten chinesischen Produkten kennt, die ihren Weg nach Europa gemacht haben. Das verwundert insofern etwas, da dieses Problem bei den bisherigen BYD-Modellen nie auftrat. Man darf also erst einmal von einem Einzelfall ausgehen.

Ansonsten ist der Innenraum des Kombis typisch BYD von der Architektur. Solide gemacht, ja, aber am in Europa und insbesondere in Deutschland gewünschten Feinschliff bei Materialgüte und -verarbeitung muss noch ein bisschen gefeilt werden. Dafür agiert BYD beim Thema Bedienung klug und weicht vom Prinzip "Touchscreen only" ab, wie es viele Hersteller halten. Ein paar physische Tasten, von denen man eine Handvoll auf der Mittelkonsole findet, dürfen also sein - nicht zuletzt für die Lautstärkeregelung. Das vereinfacht das Handling, und überhaupt haben die Ingenieure das Human-Machine-Interface dezent verbessert und die Menüstruktur auf dem berührungsempfindlichen Monitor vereinfacht.

Der PHEV fährt leichtgängig und souverän

Das Fahren mit dem Kombi ist ebenso recht einfach im Sinne von leichtgängig. Es gibt jetzt einen sowohl gut zur als auch in der Hand liegenden Lenksäulenhebel auf der rechten Seite zwecks Gangwahl. Fahrstufe D eingelegt, und schon rollt der Fronttriebler los - lautlos zunächst.

Zur Erinnerung: Es handelt sich beim DM-i um einen Plug-in-Hybrid -jedoch mit deutlich mehr elektrischer Power (197 PS) als Verbrennerleistung (98 PS). Und der je nach Version 10 oder 19 kWh fassende Akku lässt sich auf unterschiedliche Weise laden. Für die größere Variante besteht auch eine DC-Charging-Option, um den Füllstand binnen 23 Minuten mit 26 kW von 30 auf 80 Prozent zu bringen. Mit der großen Batterie soll man über 100 Kilometer rein elektrisch fahren können.

Dass die Testwagen mit ihren prallvollen Akkus elektrisch loslegen, verwundert kaum. Somit wird das Fahren zur komfortablen Sache. Keine Rucke im Antriebsstrang, schnelles Ansprechen - wie man das eben so von elektrischen Drivetrains kennt. Das reicht mir aber nicht, ich möchte auch den 1,5 Liter großen Vierzylinder in Aktion erleben. Ein paar Volllast-Beschleunigungsvorgänge bewegen den Otto dann doch zum Anspringen. Und dann murmelt das auf Effizienz getrimmte Aggregat moderat vor sich hin - immerhin 43 Prozent Wirkungsgrad verspricht BYD.

Großartig hochjubeln kannst du es nicht, dagegen spricht das System. Und die Kraftübertragung? Wird nicht detailliert erklärt. Die Rede ist aber vom E-CVT, aber da das Permanentmagnetaggregat sowieso mit dem größten Output um die Ecke kommt, kann es den 1,8-Tonner ohnehin ganz entspannt jegliche Steigungen hinaufdrücken. Mit einer einzigen Übersetzung. Anzufahren scheint dieser BYD darüber hinaus stets elektrisch.

Hauptantriebseinheit ist das Elektroaggregat

Ob und wann der Verbrenner nun antreibt oder nicht - geschenkt. Allerdings gibt es neben der seriellen Art schon auch noch einen parallelen Betrieb, was an der Systemleistung abzulesen ist, die nämlich deutlich oberhalb der elektrischen Power liegt. Und jetzt kommt ein kleines Kuriosum: Denn die "Boost"-Variante, von der man eigentlich satte Beschleunigung erwarten würde, leistet insgesamt 183 PS, während "Comfort" 212 PS auf die Straße bringt. Klingt ein bisschen verrückt, oder? Ganz logisch ist es jedenfalls nicht.

Und was darf der User sonst noch von einem Kombi mit viel Platz erwarten? Bequeme Sitze, jawoll. Und wenn man schon 1350 Kilometer Gesamtreichweite (WLTP) im Prospekt verspricht, darf das Fahrwerk ruhig ein bisschen milder abgestimmt sein. Gleiches gilt auch für die Lenkung - hier geht Leichtgängigkeit klar vor Präzision.

Und diese Abstimmung passt letztlich auch gut zur Längsdynamik dieses Seal 6, denn er hetzt mitnichten auf Tempo, sondern unterbietet gerade einmal die Neunsekunden-Schallmauer, um Landstraßengeschwindigkeit zu erreichen. Egal, ob "Boost" oder "Comfort" - der Unterschied fällt marginal aus. Bei 180 km/h ist außerdem Schluss.

Aber noch einmal zurück zur Reichweite: Diese gewaltige Range würde demnach bedeuten, dass der Verbrauch über eine große Distanz hinweg die Sechsliter-Grenze deutlich unterbieten müsste. Klingt ambitioniert, aber nicht unerreichbar. Ist allerdings hier und heute kaum belastbar nachzuprüfen.

Ähnlich wichtig sind freilich praktische Belange für den Fall, wenn die Family mal ausgiebig in den Urlaub fahren möchte. Zahl gefällig? Ordentliche 1535 Liter bei umgeklappten Rücksitzlehnen sind ja schon mal eine Ansage. Aber richtig spannend wird es angesichts 500 Litern bei stehenden Lehnen. Das ist schon jede Menge Holz.

Nicht ganz wenig Holz sind auch 42.990 Euro als Grundnotierung für den 4,84 Meter langen Kombi. Dann gibt es allerdings keinen DC-Ladeport, wenngleich auch keine magere Ausstattung mit dem heute üblichen Grundrüstzeug wie Assistenz und Infotainment. Mit der teuersten Line landet man allerdings auch schnell bei 50.000 Euro, und das ist durchaus sportlich. Aber sportlich sind ja auch die Ambitionen, mit denen BYD den europäischen Markt erobern möchte. Sichtbarkeit auf hiesigen Straßen hat die Marke jedenfalls schon erreicht.

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