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Die bevorstehende IAA wird spannend: Einerseits bläst eine ganze Armada an neuen Automarken, vornehmlich aus China, Japan, Korea und neuerdings sogar aus der Türkei, zum Großangriff auf die etablierten deutschen Automarken. Andererseits präsentieren VW, Audi, BMW, Mercedes und Co. neue Fahrzeuggenerationen, bei denen sie mit neuen Designsprachen signalisieren, dass auch die erfolgsverwöhnten deutschen Autobauer Bestehendes in Frage stellen und das Auto sowohl außen als auch innen neu denken.

Erste Früchte trägt das bei VW, die mit dem ID.3, ID.7 und dem ID.4 gleich mit drei Modellen die Spitze bei den Neuzulassungen im Juli in Deutschland erklimmen. Auch in Europa zeigen die Wolfsburger mit einem im Vergleich zum Gesamtmarkt mikroskopischen Minus von 0,3 Prozent bei den Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2025, dass sie auch weiterhin begehrliche Autos bauen. Auch bei Elektroautos setzt sich Volkswagen mit 136.000 Neuzulassungen und einem Plus von satten 78 Prozent in Europa an die Spitze. Kann Deutschland entgegen vieler Schlagzeilen also doch noch Auto und sogar Elektroauto?

Ja!

Können wir uns zurücklehnen und darauf verlassen, dass uns die Kraft unserer etablierten Automarken schon in die Zukunft trägt?

Nein!


Die Neuheiten der IAA 2025


Autos neu denken, Automarken neu aufladen

Wenn wir vom Auto der Zukunft sprechen, sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Es geht nicht um eine Revolution, sondern um eine Evolution, bei der nach wie vor die Kunden darüber entscheiden, ob und inwieweit neue Antriebe, Infotainment und autonomes Fahren Anklang finden. Und es geht darum, die langjährige Autokompetenz von Deutschlands Vorzeigeindustrie in die moderne Mobilitätswelt zu bringen. Als Erstes dürfen wir die Antriebsfrage nicht zu einem (häufig über LinkedIn ausgetragenen) Glaubenskrieg von "Experten" werden lassen. Die Gehälter aller in der automobilen Lieferkette beschäftigten Mitarbeiter bezahlen nämlich immer noch zufriedene private und gewerbliche Kunden. Gegen den Markt verkaufen klappt halt auf Dauer nicht oder, wie es der Skoda-CEO Klaus Zellmer jüngst auf den Punkt brachte: "Wir bauen Autos für Kunden und nicht für das, was verordnet wird."

Das hat nichts, aber auch gar nichts mit mangelnden Investments in den Hochlauf der Elektromobilität zu tun. Im Gegenteil: Der technologieoffene Wettbewerb um den niedrigsten CO2-Footprint ist gut für das Klima und die Kunden. Von daher ist es alternativlos, dass die etablierten deutschen Automarken unisono ihre ehrgeizigen Electric-Only Strategien zurückfahren. Elektromobilität wird kommen, aber nicht mit der Brechstange. Und die Frage des passenden Antriebs sollte vom „entweder oder“ zum „sowohl als auch“ runtergekocht werden. BMW macht bei seiner "Neuen Klasse" die Antriebs- zu einer Ausstattungsfrage, Audi, Mercedes und Porsche laden die Kunden wieder aktiv zur Wahl des passenden Antriebs ein und Opel gibt seinem Zurückrudern bei der Elektromobilität den schönen Namen "Multi-Energy Strategie". Richtig so. Electric-Only Strategien mögen für Quereinsteiger wie Tesla oder Polestar passen, die etablierten deutschen Autobauer sollten ihre Marken-DNA mit der teils signifikanten Weiterentwicklung klimaschonender Verbrenner herausstellen und schlüssig um den Aufbau sichtbarer Kompetenz für Elektro- und Hybridantriebe ergänzen. Die missglückte, weil radikale Elektrifizierung der Marke Jaguar zeigt, was passiert, wenn Traditionsmarken ihre Vergangenheit verleugnen und sich mit der Brechstange am Zeitgeist ausrichten. Verbrenner-Vergangenheit ist kein Grund zum Schämen, sondern ein Wettbewerbsvorteil wenn es darum geht, klimaschonende Autos ohne Denkverbote zu gestalten. Man denke nur an die angekündigten neuen Super-Hybrids.


Die China-Kracher auf der IAA 2025


Automarken: Weg von der Hardware?

Wenn es am Ende um den Verkauf geht, taucht die Frage auf, was künftig den attraktiven Unterschied der deutschen bzw. der einzelnen Automarken ausmacht, wenn Motorleistung und Fahrverhalten der Autos immer ähnlicher werden und auf hohem Niveau einpendeln. Ganz oben stehen die neuen Designsprachen von Audi, BMW, Mercedes und Co. mit markanten Elementen, die sich künftig durch alle neuen Modelle der einzelnen Automarken einheitlich durchziehen sollten. Dabei geht es künftig auch um das Innendesign und Themen wie In-Car-Erlebnis oder User-Experience, die mit prägnanten, markenspezifischen Elementen an Bedeutung gewinnen werden.

Um Differenzierung geht es auch bei der automobilen Software: Wenn vor allem die neuen Angreifer aus China das "Software Defined Vehicle"anstreben, stellt sich auch hier die Frage, wie sich die einzelnen (deutschen) Automarken in diesem Zukunftsfeld differenzieren. Die Antwort: Es geht nicht um das, was technisch möglich ist, sondern um das, was der einzelne Kunde will. Weil nicht jeder Kunde eine Karaoke-Maschine im Auto möchte, werden wohl die Automarken die Nase vorn haben, denen es am besten gelingt, Fahrzeuge – ähnlich wie Smartphones – individuell zu konfigurieren oder die Kunden dabei im Verkauf zu begleiten. Damit sind wir bei den Händlern.

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Die Händler als Wettbewerbsvorteil

Auch beim letzten Autoangreifer aus China hat sich wohl rumgesprochen, dass zukunftsfähige Automarken flächendeckende Händler- und Servicenetze brauchen. Die deutschen Autobauer können hier stabile Wettbewerbsvorteile aufbauen, wenn sie die Erfolgspartnerschaft mit ihren Händlern immer wieder befeuern. Die vielen gescheiterten Versuche des Online-Verkaufs von Autos sollten ein Turbolader für das Selbstbewusstsein des Automobilhandels sein. Wer als Automobilhändler seinen Kunden gleich beim ersten Kontaktpunkt das gute Gefühl gibt, verstanden zu werden, und sich für ein passendes Auto zu entscheiden, hat das Beste noch vor sich. Kundenorientierte Beratungs- und Verkaufsprozesse mit nahtlosem Zusammenspiel zwischen Online und Offline sind genauso wichtig wie innovative Fahrzeuge. Wenn beides geboten wird, umso besser.            

Mehr Optimismus und "China-Speed"

Ereilt die deutsche Automobilindustrie also das Schicksal von Nokia? Nein, aber die neuen Technologien, Wettbewerber und Kundenanforderungen sollten ein Weckruf sein, Autos neu zu denken, die etablierten deutschen Automarken neu aufzuladen und flächendeckende Händlernetze als Wettbewerbsvorteil zu pflegen. Voraussetzung dafür ist ein neuer strategischer Optimismus, der sich nicht an Schlagzeilen festhält wie: "Die Deutschen haben die Elektromobilität verschlafen". "Deutschlands Autobauer starten eine Innovationsoffensive rund um alltagstaugliche Elektroautos und klimaschonende Mobilität" klingt doch viel besser – und entspricht im Übrigen auch der Realität.

Zum Autor

Dr. Konrad Weßner ist Gründer und aktiver Gesellschafter von puls Marktforschung und Co-Founder der aus puls ausgegründeten interaktiven Mobilitätsberatung Mobility4.me. Er vermittelt seine langjährigen Marktforschungserfahrungen und sein Expertenwissen zu Trends und Markenstrategien in der Automobilbranche als Referent und Autor von Fachbeiträgen. Für AUTOHAUS beleuchtet Dr. Weßner regelmäßig aktuelle Herausforderungen und Chancen für den Automobilhandel.

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