Der Morgan Supersport hat die Technik eines Neuwagens, sieht aber aus wie Autos ganz früher. Genau dieser Widerspruch macht seinen Reiz aus und den neuen Supersport, der auf dem BMW Z4 basiert, zu einem zeitlosen Klassiker.
Wohnhäuser, Kramläden, ein Sportplatz, eine Schule und mittendrin eine Automobilfabrik: Was in München oder Mailand undenkbar wäre, ist in Malvern ganz normal. Schließlich produziert hier, zwei Stunden nördlich von London, kein normaler Automobilhersteller, sondern die Morgan Motor Company.
Die Fabrik ist kaum mehr als eine Werkstatt. Und die etwa 700 Autos, die sie hier pro Jahr gegen alle Lehren der Wirtschaftlichkeit und der Industrialisierung noch fast genauso anachronistisch auf die Räder stellen wie bei der Gründung im Jahr 1909, sind von den seelenlosen Blechkisten aus der Großserie so weit entfernt wie die Manufaktur in der Pickersleigh Road von den BMW-Fließbändern am Petuelring.
Und trotzdem gibt es zwischen Malvern und München eine enge Verbindung. Denn der neue Supersport ist trotz seines antiquierten Designs nicht nur einer der wenigen neuen Roadster dieser Saison. Sondern im Grunde ist es vor allem ein verkleideter BMW Z4. Nur dass man es ihm selbst auf den zweiten Blick beim besten Willen nicht ansieht. Wenn man ihn denn überhaupt mal zu Gesicht bekommt.
Seltener als Ferrari, aber günstiger als ein 911er Porsche
Selbst der Z4, beim besten Willen kein Bestseller, ist Massenware gegen den Manufaktur-Roadster, der seltener ist als jeder Ferrari oder Aston Martin und dabei weniger kostet als jeder 911. Denn selbst wenn Morgan sich die Handarbeit und die historische Verkleidung mit fast 100 Prozent Aufschlag gegenüber dem vergleichbaren BMW bezahlen lässt, starten die Preise für den Supersport bei 126.500 Euro.
Statt in der Presse entsteht die Karosserie in Handarbeit, statt aus Blech wird sie aus Aluminium gedengelt, das über einen Rahmen aus Eschenholz gespannt wird, und wo BMW mit der Zukunft flirtet, wirft Morgan den Blick ganz weit zurück: Kotflügel, die sich über die gesamte Flanke schwingen, eine Motorhaube wie Schmetterlingsflügel, kurze Türen und dahinter ein Heck wie bei einer Luxusjacht - so lassen die Briten die goldenen Zeiten des Großen Gatsby wieder aufleben. Einzig die LED-Beamer in den Froschaugen sind ein bewusster Kontrast, der den vermeintlichen Oldtimer zurück ins Hier und Heute holt.
Geist von gestern
Auch innen atmet der Supersport den Geist von gestern. Ja, es gibt mittlerweile ein kleines Digitaldisplay, weil Brüssel den Briten ein paar zu viele Warnhinweise ins Lastenheft diktiert hat, als dass man diese alle mit Kontrollleuchten abbilden könnte. Aber es gibt ansonsten viel blank poliertes Aluminium, Holz, Wolle und Leder, klassische Knöpfe und natürlich analoge Instrumente. Die modernen Schalter für die Sitzheizung haben sie deshalb vorsorglich unter dem Armaturenbrett versteckt, die Lordosenstütze justiert man von Hand mit einem Blasebalg und die Musik spielt versteckt aus einem Bluetooth-Lautsprecher.
Und wenn sie schweren Herzens zum BMW-Motor auch die Achtgang-Automatik nehmen mussten, regiert ansonsten überall noch ehrliche Handarbeit. Die Fenster schiebt man zur Seite auf oder baut sie mit zwei Handgriffen gleich ganz aus und das Dach wirft man in einem Schwung zurück, wenn man unter gefährlichem Fingernageleinsatz erst einmal die zwei Schnapphaken geöffnet hat. Wer sich das sparen oder den Morgan auch im Winter genießen will, bekommt ein Hardtop wie einen "Art-Deco-Helm", das allerdings mit zwei Schrauben auch wieder in der Garage verschwindet.
Steht einem im Supersport der Himmel erst einmal offen, nimmt die Zeitmaschine so richtig Fahrt auf. Der drei Liter große Reihensechszylinder bollert von der Zurückhaltung der Großserie befreit munter drauflos und die 340 PS und vor allem die 500 Nm haben buchstäblich leichtes Spiel mit dem eleganten Engländer. Den Allerwertesten direkt über dem Asphalt, den Blick durchs schmale Fenster vorbei an den drei kurzen Wischern über die endlos lange Haube an die Ideallinie geheftet und der Motor gierig am Gas - so macht der Supersport seinem Namen alle Ehre.
Wo andere Roadster durch die Kurven cruisen, rasiert er die Radien und schneidet messerscharf durch die Serpentinen, die hinauf in die Malvern Hills führen. Wie ernst es den Briten damit ist, zeigen Extras wie das Gewindefahrwerk, das mit ein paar Klicks daheim in der Werkstatt perfekt für jede Strecke eingestellt werden kann. Oder das Sperrdifferential an der Hinterachse, mit dem den Zweisitzer auch mit dem Fuß lenken und zu manch laszivem Hüftschwung verführen kann.
Besserer Sprinter als der BMW
Aber man muss es gar nicht so doll treiben, um dem Reiz dieses Roadsters zu erliegen. Denn erstens ist er mit gerade mal 1.170 Kilogramm ein wahres Leichtgewicht und deshalb ein viel besserer Sprinter als der BMW, kommt in 3,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und schafft bei Vollgas 267 km/h. Und zweitens bietet er ein Fahrgefühl so analog, wie kaum ein anderes Auto aus dem Jahr 2025. Ohne Assistenten, die mehr nerven als nützen, ohne Besserwisser, ohne Bildschirmlandschaft bis zum Netzhautflimmern und ohne eine Bedienung, die Rätsel aufgibt. Einsteigen, anlassen, losfahren, Spaß haben - mehr muss man bei einer Fahrmaschine wie dieser nicht wissen.
Und solange noch ein Tropfen Sprit im Tank ist, will man gar nicht mehr zurück. Doch irgendwann wollen sie ihren Wagen wiederhaben in der Pickersleigh Road. Mit schwerem Herzen, aber mit einem breiten Grinsen, das die Fliegen zwischen den Zähnen offenbart, geht es deshalb zurück zu den Backsteinhallen, wo es nach Sägemehl riecht und wo man die Blechner hämmern hört. Und die Frage, wie sich so eine mickrige Manufaktur seit Jahren zwischen all den großen Automarken behauptet, hat sich auf der Testfahrt wie von selbst beantwortet. Denn mit einem Design und einem Fahrgefühl von gestern und der Technik von Heute entwickelt der Morgan einen Reiz, der zeitlos ist.
Morgan Supersport- technische Daten
Zweitüriger Roadster; Länge: 4,11 Meter, Breite: 1,81 Meter (Breite mit Außenspiegeln: k.A.), Höhe: 1,29 Meter, Radstand: 2,52 Meter, Kofferraumvolumen: k.A.
3,0-Liter-Sechszylinder-Turbo; 250 kW/340 PS, maximales Drehmoment: 500 Nm bei 1.250, Heckantrieb, Achtgang-Automatik, 0-100 km/h: 3,9 s, Vmax: 267 km/h, Normverbrauch: 7,7 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 175 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Preis: ab 126.500 Euro.
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