Die schwedisch-chinesische Elektromarke Polestar stellt ihrem ersten SUV namens Polestar 3 Dual Motor eine etwas preiswertere Einstiegsvariante Single Motor mit nur einem E-Motor, weniger Leistung und Hinterrad- statt Vierradantrieb zu Seite.
Globalisierung mag gegenwärtig kontrovers diskutiert werden, die Marke Polestar lebt sie mit ihren rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in vollen Zügen. Stylisches Design aus Europa, schwedische Wurzeln als Sportmarke von Volvo, Batterie und Kapital von Geely aus China, und im Fall des neuen, ersten SUV der Marke Polestar 3 noch die Produktion in den USA oder in China. Ein europäisches Werk ist geplant.
Mit dem 4,90 Meter langen Polestar 3 fährt Polestar seit Mitte 2024 erstmals im SUV-Segment und trifft auf Mitbewerber wie den Audi Q8 E-Tron und den Mercedes EQE oder den BMW iX. Dort trifft der 3 auch auf den Volvo EX90, mit dem er sich die technische Basis teilt. Optische Ähnlichkeiten vermieden die Polestar-Designer vehement mit dem coupéhaften Schrägheck des Polestar 3, während der Volvo sich eher funktional in Kombiform präsentiert gibt. Das folgt konsequent der klaren Markenpositionierung von Polestar als sportlich-dynamische Alternative zu den Volvo-Pendants.
Bisher war der Polestar 3 als Dual Motor mit zwei Elektromotoren, ergo Vierradantrieb und überreichlich eingeschenkten 360 kW (489 PS) sowie 840 Newtonmeter Drehmoment zu haben. Jetzt legt die extravagante Elektromarke das für die EU-Märkte in South Carolina/USA gebaute Modell Single Motor mit Hinterradantrieb und 220 kW (299 PS) sowie 490 Newtonmeter als alternative Basis für eher rational motivierte Käufer und Fuhrpark-Kunden in die Preisliste.
Daher lassen wir doch erst einmal skandinavisch kühl die Zahlen sprechen: Kühle Rechner werden eine Minderantriebsleistung von knapp 39 Prozent feststellen, dazu knapp 42 Prozent weniger Drehmoment und eine um 56 Prozent längere Beschleunigungsdauer von Null bis 100 km/h von 7,8 Sekunden. Das Ganze bei maximal 10,2 Prozent geringerem Energieeinsatz, gerechnet mit dem kombinierten WLTP-Werten. Damit nicht genug, errechnet sich der kleinste Unterschied bei den Eckdaten - ausgerechnet - zwischen den Basispreisen, denn mit 74.590 Euro für den Single Motor ist dieser knapp neun Prozent günstiger als sein dualmotoriger Bruder zum Basispreis von 81.590 Euro.
An Reichweite mangelt es dem Single Motor nicht
Wie schaut's bei der Reichweite aus? Da beide die gleiche stattliche 111 kWh fassende 400 V Lithium-Ionen-Batterie von CATL zwischen den Achsen tragen, ist die maximale theoretische Reichweite des Single Motor gut zehn Prozent höher, also gewaltige 706 Kilometer im Vergleich zu 632 Kilometern beim Dual Motor. Während alle anderen Rechenwerte kaum Argumente für den Single Motor liefern, der Wert für die Reichweite tut's. Über 70 Kilometer haben und nicht haben, das kann die eine oder andere Geschäftsreise schon um eine Ladepause verkürzen. Geladen wird das 400 Volt-System übrigens am Gleichstrom-Schnelllader mit bis zu sehr ordentlichen 250 kW, was den Akku in einer halben Stunde von 10 auf 80 Prozent füllt.
Doch grau ist alle Theorie, auch, wenn sie sich bei nur technisch unterschiedlichen Versionen desselben Modells ganz wesentlich in die Kaufentscheidung einmischt. Unterhaltsamer ist das Fahren. Wie fährt sich der Polestar 3 Single Motor? Kommt zum ungünstigen Zahlenvergleich auch noch der Verzicht auf adäquate Fortbewegung?
Optisch definitiv nicht. Der Polestar 3 legt auch mit nur einem Motor den ausgesprochen selbstbewussten Auftritt hin. An der Grenze zur Extravaganz kann er gefallen, ohne gefällig zu wirken. Unter dem coupéartig geschwungenen Dach finden 484 bis 1411 Liter Gepäckraum Platz und in der Passagierkabine warten üppige Platzverhältnisse, die im Fond sogar fast ausgestreckte Beine erlauben, wenn Fahrer und Passagiere nicht viel größer als 1,80 Meter messen, also in den meisten aller Fälle.
Wertiger Polestar-Innenraum
Einsteigen. Auch hier kein Unterschied zum leistungsstärkeren Dual Motor. Sachlich skandinavische Kühle mit obligatorischem 14,5-Zoll-Touchscreen in der Mitte und wenigen physischen Tasten. Die Bedienung gelingt am Anfang nicht ohne Einarbeitung, aber Technikaffinen wird diese Entdeckungsreise ins softwarebasierte Auto sogar Spaß machen. Für gute Stimmung sorgen auch die Innenraum-Materialien, die nicht luxuriös, sondern nachhaltig wirken sollen. Die vielen unterschiedlichen Oberflächen sind allesamt Handschmeichler und nichts im Polestar 3 wirkt irgendwie preiswert. Ordentlich verarbeitet wirkt das alles zudem. Das Android-Betriebssystem hinter der Bedienoberfläche arbeitet fix und flüssig, und die Musikanlage von Bowers & Wilkins ist mit ihren 25 Schallquellen ein Hochgenuss.
Zahlreiche Sicherheits- und Fahrassistenten machen auch den Einmotorigen sicher wie den sprichwörtlichen Schwedenstahl. Nicht weniger als bis zu fünf Radarmodule, fünf externe Kameras und zwölf Ultraschallsensoren versorgen die Assistenten umfassend mit Informationen über die Umgebung und den Innenraum des Polestar 3. Die serienmäßige adaptive Cruise Control arbeitet ohne Hektik, was auch für den optional buchbaren integrierten Spurhalteassistenten gilt. Was dem Polestar 3 generell fehlt, ist die Verkehrszeichenübernahme (Geschwindigkeitslimits) für den adaptiven Tempomat.
Jetzt aber die große Frage: Wie fährt es sich mit dem reduzierten Leistungsangebot des Single Motor? Ganz ehrlich: Der Vorwärtsdrang des 220 kW leistenden Permanentmagnet-Asynchronmotors bereitet nur solchen Zeitgenossen Probleme, die überall welche finden. Die wichtigen Zwischenspurts zum Überholen auf Landstraßen legt der Single Motor sehr souverän auf den Asphalt und das Gefühl von Leistungsmangel kam auf unseren Probefahrten nicht einmal im Ansatz auf. Natürlich stürmt der Dual Motor nochmals deutlich ungestümer davon, aber das braucht man eigentlich nicht im Alltagsverkehr. Auch dass der Single Motor bei 180 km/h abriegelt, statt die 210 km/h des Dual Motor zu erreichen, ist ein speziell bei Elektrofahrzeugen eher theoretischer Nachteil.
Agiler 2,5-Tonner
Gibt es also überhaupt spürbare Nachteile des neuen Polestar-3-Basismodells? Freunde hohen Federungskomforts könnten da das auf schlechten Fahrbahnqualitäten recht ruppige Benehmen des gut gedämpften, aber sehr straff gefederten Stahlfahrwerks aufzählen. Die aufwändigere Luftfederung des Dual Motor kann hier eindeutig mehr und lässt sich auch noch je nach Fahrerwunsch einstellen. Als sportlich inspirierte Marke legt Polestar beim Single Motor den Fokus auf Fahrdynamik und nimmt dafür eine spürbare Verbindlichkeit auf Fahrbahnschwächen in Kauf. Klar ist: Das Fahrwerk sorgt für sicheres und für ein immerhin 2,5 Tonnen schweres Auto angenehm agiles Kurvenverhalten, unterstützt von einer sensiblen elektrischen Lenkung. Das macht Spaß.
Klarer Nachteil ist die Abwesenheit des Vierradantriebs. Der Single Motor treibt eben nur die Hinterräder an, die Kraftquelle für die Vorderräder entfällt. Ob dieser Nachteil für das persönliche Fahrprofil tatsächlich relevant ist, ist eine sehr individuelle Entscheidung. Die Krux mit dem 4x4 ist, dass man ihn meistens nicht braucht, dafür aber umso nötiger, wenn es zu Ausnahmesituationen wie Schnee, Glätte oder generell mindergriffigem Untergrund kommt. Was mit dem Vierradantrieb außerdem wegfällt, sind 700 kg Anhängelast. Der Single Motor darf nur 1500 kg an den Haken nehmen. Trostpflaster ist hier das niedrigere Leergewicht, das bei identischen 2860 kg zulässigem Gesamtgewicht zu je nach Ausstattung 390 bis 457 kg Zuladung führt. Als dualmotorige Variante wiegt der Polestar 3 bis zu 176 kg mehr, was die Zuladung in einen Bereich drückt, der bei drei 80 kg schweren Passagieren inklusive Fahrer schon zu Übergewicht führt, und das noch ohne Gepäck. Daran sollte man bei der Wahl des richtigen Polestar 3 denken.
Wer weder den Vierradantrieb noch die verschwenderische Leistungsfülle noch die höhere Anhängelast des Dual Motor benötigt und sportivem Handling Komforteinbußen auf schlechten Fahrbahnen zubilligt, ist mit dem Single Motor sehr gut beraten. Dass er dabei noch 7000 Euro spart, kommt entscheidungsfördernd hinzu. Wenn da bloß nicht der kleine Teufel auf der Schulter säße, der flüstert: "In nur fünf Sekunden auf 100…..hm, nice."
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