Der Alfa Romeo 1900 von 1950 ging als erste Berlina der Mailänder Marke in Großserienproduktion. Vor allem aber ist der Alfa 1900 der Begründer einer Linie stilbildend schöner und schneller Limousinen, die bis zur aktuellen Giulia reicht, bevor Crossover übernehmen.
Alfa Romeo in der Formel 1 schneller als Ferrari und gleichzeitig auf Augenhöhe mit sportiven Viertürern von Jaguar, BMW oder Mercedes? Diese Story startete 1950, als sich Alfa mit den Monoposti Tipo 158/159 die ersten F1-Weltmeistertitel sicherte und der bahnbrechend moderne Alfa 1900 als "Familienauto, das Rennen gewinnt" - so der Werbeslogan - für Furore sorgte.
Tatsächlich zählte die 1900 Berlina zu den furiosesten italienischen Alltagsautos der ersten Nachkriegsdekade, die Motorsporttrophäen sammelten: Ob Mille Miglia, Spa-Francorchamps oder die berüchtigte Carrera Panamericana, die Mailänder Limousine war auf Lorbeeren abonniert. Vor allem aber gelang Alfa Romeo mit dieser bella Berlina der Sprung von der Kleinserienmanufaktur zur Großserienmarke, wurde doch der Typ 1900 als erstes Modell der Italiener am Fließband gefertigt.
Hinein in ein frisches Marktsegment, davon kündete auch die Kühlerfront des 1900 mit neu gestalteten Baffi, den markanten Lufteinlässen, die an einen Schnurrbart erinnern. Gemeinsam mit dem großen Scudetto prägten sie das Alfa-Gesicht. Für Alfisti ist dies ein Frontdesign mit Herzklopffaktor, das die aktuelle Giulia als vorläufig letzte Berlina fortführt.
Motor des 1900 war das Urmaß
Im Jahr 2024 verkaufte Alfa nur rund 61.000 Fahrzeuge für die italienischen Momente des Autofahrens, das reichte im globalen Ranking der Premiummarken gerade noch für Platz 13 zwischen Infiniti und Jaguar - BMW brachte es auf 2,2 Millionen Einheiten. Aber wie sagte einst schon der VW-Konzern-Boss Ferdinand Piëch voller Bewunderung über die Anonima Lombarda Fabbricca Automobili (Alfa), die er allzu gerne in seine Markensammlung integriert hätte: "Ein Modell genügt und schon glauben wieder alle an die Marke. So etwas kann nur Alfa Romeo."
Damals, Ende der 1990er, war es die Limousine Alfa 156, die Schub in die Verkaufszahlen brachte, heute sind es Crossover wie der kleine Alfa Junior, die ein Plus versprechen. Auch die aktuelle Giulia, die mit dem Quadrifoglio an den Flanken Bestzeiten auf dem Nürburgring erzielte, könnte bald einer Nachfolgerin im Crossover-Design Platz machen. Abschied von der "Bella Donna da Milano", wie Alfa Romeo die Karosserieform der großen Sportlimousine nannte? Hier ein Rückblick auf alle Markenflaggschiffe seit 1950.
Nur fünf Jahre nach Kriegsende debütierte die unter dem legendären Motorenmagier Orazio Satta Puglia entwickelte Baureihe 1900 als Urmaß für alle Alfa der Moderne. Mit einer selbsttragenden Karosserie in stilprägendem Pontondesign, einer zukunftsweisenden Fahrwerksarchitektur mit Einzelradaufhängung mit doppelten Querlenkern an der Vorderachse und zuverlässigen Vierzylindern mit hoher Leistungsausbeute deklassierte der Alfa 1900 die meisten Wettbewerber.
Verwirklichung eines Nachkriegstraums
Die sportlichste Berlina 1900 ti Super war mit 85 kW/115 PS sogar 180 km/h schnell, davon konnten Fahrer der V8-Oberklasse BMW 502 mit 74 kW/100 PS nur träumen. Und wer den Alfa 1900 nicht als Viertürer wollte, hatte die Wahl zwischen rund 30 anderen Karosserien, darunter hinreißend schöne Coupés von Touring, Zagato oder Pininfarina, aber auch der Geländewagen 1900 Matta sowie Cabrios und ein Kombi standen zur Wahl.
Ende der 1950er Jahre wurde der Nachkriegstraum vom Wohlstand und eigenem Auto für immer mehr Europäer Wirklichkeit. Alfa Romeo hatte mit der kompakten Giulietta ein neues Einstiegsmodell im Programm, am anderen Ende des Portfolios sollte 1957 der Alfa 2000 den Trend zur luxuriösen Berlina bedienen, dies in Trapezform mit viel Chrom und angedeuteten Heckflossen. Nur unter der Haube gab es keine Überraschung, denn hier arbeitete der aus dem Alfa 1900 vertraute Vierzylinder. Status vermittelte die Berlina genug, schließlich kostete sie sogar deutlich mehr als Jaguar, Benz & Co., aber: Zu viel Geld für einen Vierzylinder, dachten viele, und so lernte Alfa die Grenzen des Wachstums kennen.
Der 1962 folgende, etwas schlichter gezeichnete Alfa 2600 trumpfte deshalb mit einem 95 kW/130 PS starken Sechszylinder auf, wurde aber trotzdem noch seltener geordert: Keine 300 Kunden im Jahr entschieden sich für diese italienische Alternative zu Mercedes 250 SE oder Jaguar Mark II. Immerhin: Der Alfa 2000 brachte es zu einer Lizenzfertigung in Südamerika, und die eleganten, bei Touring karossierten Sonnenkönige Alfa 2000 und 2600 Spider gefielen den Reichen und Schönen so gut, dass sie die Stückzahlen der Limousinen weit übertrafen. Noch erfolgreicher waren die Coupés 2600 Sprint und 2600 SZ: Über 7.000 Alfisti orderten diese Zweitürer im Bertone- oder Zagato-Anzug.
Bertone war es auch, der die großen Alfa für gesellschaftliche Aufsteiger begehrenswert machte. Nachdem die Milaneser ab 1962 mit der kompakten Sportlimousine Giulia Kreise um die Konkurrenten fuhren, entstand 1968 auf Giulia-Basis der glattflächig-elegante Alfa 1750 mit sechs Zentimeter größerem Radstand. Dieser Vierzylinder traf die Community ins Herz, wozu das klassische Cockpitlayout mit vielen Runduhren und Holzeinlagen beitrug. Über 100.000 Connaisseurs kauften die Berlina, die gegen den BMW 2000, aber auch Peugeot 504 oder Volvo 144 antrat. Weitere 90.000 Einheiten setzten die Italiener vom 1971 aufgelegten Facelift Alfa Romeo 2000 ab, das mit Katalysator bis in die USA verkauft wurde.
Giulia schreibt Erfolgsgeschichte fort
Kurz vor den Olympischen Spielen von München startete 1972 auch der ultimative Bestseller unter den großen Berline im Zeichen des Scudetto: Die Alfetta konterte den BMW 5er (E12) und brachte es in Transaxle-Bauweise (wie beim Formel-1-Monoposto Motor vorn, Getriebe und Differential an der Hinterachse) bis 1984 auf 479.000 Einheiten.
Schon 1973 sollte eine neue Sechszylinder-Berlina das Alfa-Programm krönen, aber die Ölkrise und politische Probleme verschoben den Start des Alfa 6 bis ins Jahr 1979 - da war die Zeit über das inzwischen betagt wirkende Modell mit einem 2,5-Liter-V6 hinweggegangen. Nur 12.000 Direttori e Ministri entschieden sich für diese Oberklasse. Erfolgreicher agierte der 1984 aufgelegte Alfa 90, der die Architektur der Alfetta nutzte, aber unter anderem auf den formidablen V6 aus dem Alfa 6 vertraute.
In nur drei Jahren entstanden 56.000 Alfa 90, dann übernahm der elegante, von Pininfarina designte Alfa 164. Dieser in Kooperation mit Fiat (Croma), Lancia (Thema) und Saab (9000) entwickelte und bis 1997 gebaute Viertürer zählt zu den ikonischsten Businesslinern der 1990er: Plötzlich war Alfa wieder Avantgarde und attraktiv für Kreative und Künstler. Auf den in 270.000 Einheiten verkauften Alfa 164 folgte der dynamische Alfa 166, der aber trotz bella Figura, designt unter Walter de Silva, außerhalb Italiens ein Nischenplayer blieb und 2007 ersatzlos auslief.
So lag es 2005 am Alfa 159, die Tradition fahrdynamischer Berline zumindest in der Mittelklasse fortzusetzen, ehe die heute aktuelle Giulia seit 2015 all das mit neuem Leben füllt, was die Tifosi an Alfa lieben: Hinterradantrieb, Rekordrunden auf Rennstrecken und bärenstarke Verbrenner. Viertürige Stufenhecks sind aus der Mode, aber traditionelle Emotionen müssen sein: Deshalb wird die nächste Giulia nicht nur elektrisch fahren.
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